Der Verkehrsbund legt seinen Qualitätsbericht vor. Darin hagelt es Kritik über die Pünktlichkeit der S-Bahn. Die liegt auf einem historischen Tiefstand. Doch S-Bahnchef Buchner weist alle Vorwürfe zurück.
Der Nahverkehr in Berlin und Brandenburg hat insgesamt eine gute Qualität. Die Krise bei der Berliner S-Bahn ist aber noch nicht vorbei. Mit dieser Botschaft ist Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), am Donnerstag vor die Presse getreten. Nach Einschätzung der VBB müssen die Fahrgäste noch lange mit Einschränkungen bei der S-Bahn rechnen, obwohl S-Bahnchef Peter Buchner erst am Vortag gesagt hatte, er hoffe auf eine Rückkehr zum Normalfahrplan im Dezember.
Laut dem aktuellen VBB-Qualitätsbericht erreichte die Pünktlichkeit des Tochterunternehmens der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr einen historischen Tiefststand. Gemessen an den im Verkehrsvertrag bestellten Leistungen fuhren demnach nur 76,9 Prozent der S-Bahn-Züge pünktlich. Im Vorjahr lag die Quote bei gut 80 Prozent. Der mit dem Senat vereinbarte Sollwert liegt bei 96 Prozent.
Zahlen seien „stark tendenziös“
S-Bahnchef Buchner wies die Zahlen des Verkehrsverbundes als „stark tendenziös“ zurück. Laut Verkehrsvertrag dürften Züge, die wegen höherer Gewalt ausfallen, nicht als unpünktlich gewertet werden. Dies aber habe der VBB getan. Eine VBB-Sprecherin bestätigte das am Abend. „Die jetzt veröffentlichten Zahlen entsprechen also weder dem Vertrag noch dem Empfinden der Fahrgäste“, kritisierte Buchner. Er machte eine andere Rechnung auf. Gemessen an allen gefahrenen Zügen lag die Pünktlichkeitsquote der S-Bahn demnach im Jahr 2010 – nach zwei Wintereinbrüchen im Januar und Dezember – bei 94,13 Prozent. In diesem Jahr seien bisher sogar 96,34 Prozent aller gefahrenen Züge nicht verspätet gewesen.
Hintergrund des Zahlenstreits: Laut Verkehrsvertrag gelten bei der S-Bahn auch ausgefallene Züge – mit Ausnahme von höherer Gewalt – als unpünktlich. Bei anderen Verkehrsunternehmen werden sie zum Teil aus den Pünktlichkeitsdaten herausgerechnet.
Zu wenige Züge für Normalbetrieb
Aus Sicht des VBB ist die S-Bahn deshalb auch in diesem Jahr von Januar bis Mai mit einer Pünktlichkeit von 81 Prozent kaum besser als im Krisenjahr 2009. Hauptursache ist immer noch der akute Fahrzeugmangel. Wegen diverser technischer Probleme stehen große Teile der Flotte in den Werkstätten und fehlen im Linieneinsatz. „Trotz aller Versprechen gelang es dem Unternehmen letztes Jahr nicht, dauerhaft mehr als 77 Prozent der vertraglich vereinbarten Fahrzeuge in Betreib zu nehmen“, sagte Franz.
Selbst die von S-Bahnchef Buchner für Dezember angepeilte Rückkehr zum Regelfahrplan sei nur eine Minimallösung, kritisierte der VBB-Chef. 500 Doppelwagen – sogenannte Viertelzüge – will die S-Bahn zum Jahresende im Einsatz haben. Laut Verkehrsvertrag müssten es aber 562 sein – mit Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafens BER im Juni steigt der Bedarf sogar auf 575. Für das kommende Jahr strebt die S-Bahn nach jüngsten Angaben den Vor-Krisen-Stand von gut 550 einsatzfähigen Viertelzügen an. „25 Fahrzeuge fehlen“, sagte Franz. Die Folge: Weiter würden verkürzte Züge fahren und Verstärkerfahrten in der Hauptverkehrszeit entfallen. „Ein Normalzustand ist das nicht“, so der VBB-Chef.
Auch im Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg mussten die Fahrgäste im vergangenen Jahr mit vielen Verspätungen rechnen. Laut VBB-Qualitätsbilanz. sank die Pünktlichkeitsquote auf 88,1 Prozent (Vorjahr 91,6). Obwohl der Regionalverkehr auch in aktuellen Kundenbefragungen gute Noten erhält, sei dieser Wert „in keiner Weise akzeptabel“. Als Hauptgrund nannte Franz die vielen Baustellen im Bahnnetz.
Die Deutsche Bahn reagierte prompt. „Wer Verbesserungen der Infrastruktur fordert, darf nicht über Verspätungen durch Baustellen klagen“, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die Bahn investiere in diesem Jahr 570 Millionen Euro in die Modernisierung der Strecken in Berlin und Brandenburg. Zudem nannte er noch einen weiteren Grund für die schlechteren Pünktlichkeitswerte. Wie berichtet wird die Bahn in der Region immer öfter das Opfer von Kabeldieben. „Es vergeht inzwischen fast kein Tag, an dem es durch diese Diebstähle keine Einschränkungen im Verkehr gibt“, so der Bahn-Sprecher.
Gute Noten für die BVG
Doch der aktuelle Qualitätsbericht weist auch positive Entwicklungen aus. So haben sich Ausstattung und Fahrgastinformation an den Bahnhöfen in der Region in den vergangenen fünf Jahren stetig verbessert. Bei Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit erreichen fast alle Verkehrsunternehmen in der Region gute Werte.
Das gilt auch für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die BVG schaffte im vergangenen Jahr bei U-Bahnen und Straßenbahnen laut VBB auch die Vorgaben in Sachen Pünktlichkeit. Einzige Ausnahme: Weil die Verkehrsbetriebe 2010 mit diversen technischen Problemen an der Busflotte zu kämpfen hatten, sank die Pünktlichkeit mit 84,8 Prozent deutlich unter den vertraglichen Sollwert von 87 Prozent. Inzwischen, so VBB-Chef Franz, seien die Probleme aber weitgehend gelöst.