Über Monate soll in Berlin ein saudischer Diplomat seine Haushälterin misshandelt haben. In Deutschland kann der mutmaßliche Täter jedoch nicht belangt werden - er genießt diplomatische Immunität. Anwälte wollen nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Mit Kratzspuren und blauen Flecken kam die Indonesierin Dewi Ratnasari (Name geändert) im Oktober 2010 zur Opferberatungsstelle "Ban Ying“. Ihr Fall könnte bald vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Denn derjenige, der für ihr 19 Monate dauerndes Leiden verantwortlich ist, kann in Deutschland nicht bestraft werden. Er genießt diplomatische Immunität.

Vor zwei Jahren lernte Dewi Ratnasari in Saudi Arabien Herrn A., einen Attaché der Botschaft in Deutschland, kennen. Sie unterschrieb einen Vertrag, in dem von 750 Euro Lohn, 40-Stunden-Woche, einem Monat Urlaub die Rede ist. Doch dann musste sie fast rund um die Uhr für die siebenköpfige Familie arbeiten, durfte das Haus nicht verlassen, keinen Kontakt zu ihren Verwandten haben – und statt mit ihrem Namen sprachen die Familienmitglieder sie mit dem arabischen Wort für „Scheiße“ an.

Bei einer Flucht, drohte ihr der Hausherr, würde er sie und ihre Familie töten. Nachdem sie einen Schlag mit einer Flasche auf den Kopf bekommen hatte, floh die 30-Jährige dennoch – und vertraute sich im Oktober 2010 "Ban Ying" an. Deren Rechtsanwälte versuchten zunächst, beim Berliner Arbeitsgericht den ausstehenden Lohn inklusive Überstunden (31.000 Euro) sowie Schmerzensgeld (40.000 Euro) einzuklagen. Die Klage wurde am 14. Juni mit dem Hinweis auf die Immunität des Diplomaten abgewiesen und liegt jetzt beim Landesarbeitsgericht.

Botschafter genießen Immunität

„Notfalls gehen wir bis zum Bundesverfassungsgericht“, sagt Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte. „Wir halten es für nicht zulässig, dass ein Angestellter einer Botschaft derart gegen Menschenrechte verstoßen kann, ohne zivil- oder strafrechtlich belangt zu werden.“ Andere Länder, wie die Schweiz, Österreich und Belgien schützten die Rechte von Haushälterinnen in Diplomatenfamilien besser.

Nivedita Prasad von „Ban Ying“ sagt: „Über die meisten Fälle vereinbaren wir mit dem Auswärtigen Amt Stillschweigen.“ Berichten dürfe sie nur von Fällen mit Diplomaten aus den USA, Jemen, Jamaika, Israel und jetzt mit Saudi Arabien. Alle betroffenen Botschaftsangestellten konnten ihren Dienst zu Ende führen. Der Rechtsanwalt Klaus Bertelsmann, der auch Ratnasaris Fall betreut, sagt sogar, in Deutschland könne ein ausländischer Diplomat „jemanden erschießen“, ohne dass man ihn dafür belangen könne.

Nivedita Prasad von „Ban Ying“ hofft, dass dieses Musterverfahren, sogar wenn es keinen juristischen Erfolg hat, wenigstens die Rechtslage für Angestellte von Diplomaten verändert. „In Deutschland dürfen die Angestellten nicht den Arbeitgeber wechseln und sind gezwungen, bei ihm zu wohnen. Außerdem gibt es keinen Kontakt zwischen ihnen und dem Auswärtigen Amt, wie das in anderen Ländern üblich ist.“

Die Immunität von Diplomaten wurde 1961 in Wien beschlossen und gilt in 190 Staaten. Sie sichert zu, dass Botschafter ihrer Arbeit nachgehen können, unabhängig vom geltenden Recht im jeweiligen Gastland. Einzige Möglichkeit, das Fehlverhalten eines Diplomaten in Deutschland zu ahnden, ist, ihn zur „persona non grata“ zu erklären. Das geschah in keinem der Fälle. Der saudische Diplomat befindet sich dem Vernehmen nach gerade im Urlaub. Die Botschaft Saudi Arabiens in Berlin wollte sich nicht zum Fall äußern.