Mit dem Rad rund um Berlin unterwegs. In diesem Teil der Serie von Morgenpost Online geht es in eines der beliebtesten Ausflugsgebiete Berlins: an den Müggelsee – mit feinem Sandstrand, kleinen Cafés und stillen Wäldchen.

Auf dem Geländer am Ufer sitzt eine große Krähe. Sie beobachtet abwechselnd die Blesshühner, die nach den Brocken der Sonntagsbrötchen picken, und die Spaziergänger, die eben diese Brocken aufs glitzernde Wasser werfen. In der Mitte des Sees knattert langsam ein Motorboot vorbei. Wir stehen am Ufer des Müggelsees, einem der beliebtesten Ausflugsziele der Berliner. Kaum eine halbe Stunde entfernt vom Zentrum der Stadt und doch weit weg. Hier gibt es schöne Badestellen und Sonnenstrände zu entdecken, aber auch ausgedehnte ruhige Wälder.

Am S-Bahnhof Hirschgarten sind wir aufs Rad gestiegen, und schon nach wenigen Metern hören wir in der kleinen Grünanlage kaum noch Autolärm, dafür vielstimmiges Vogelgezwitscher. Dann erreichen wir die Spree. Auf der Salvador-Allende-Brücke beobachten wir Kanuten, die flussabwärts paddeln. Der Uferweg führt uns durch einen kleinen Forst, zwischen den Bäumen wuchert Efeu. Es duftet nach Holz. Nach ein paar Kilometern blicken wir staunend aufs Wasser. Schwimmt da wirklich ein Blockhaus auf der Müggelspree? Und wie kommen all die Menschen auf seine Terrasse?

Ruhe in der Bürgerheide

Die Antwort finden wir am Ende eines Holzstegs: „SpreeArche“ steht dort auf einem Schild, daneben eine Klingel. Wir drücken einfach mal auf den Knopf. Nur Augenblicke später holt uns ein motorisiertes Floß ab, und wir tuckern die paar Meter zum schwimmenden Gasthaus, das Wirt Frank Cotte innerhalb von drei Jahren selbst gebaut hat. „Ich war häufig in Skandinavien, die Blockhäuser dort haben mich inspiriert“, sagt der Friedrichshagener und empfiehlt zum Mittagessen frischen Wels mit Rosmarinkartoffeln. 45 Gäste haben auf der „SpreeArche“ Platz. „Man kann das Boot auch für Partys mieten“, sagt er. Unser Blick streift über die frisch gestrichenen Villen und das denkmalgeschützte Brauereigebäude der Berliner Bürgerbräu am gegenüberliegenden Ufer. Ein schöner Ort für eine Rast.

Wieder auf dem Fahrrad, erreichen wir wenig später den Müggelsee, den größten See Berlins. Hier ist der Radweg schön breit, flach und asphaltiert – was ihn allerdings auch bei Radsportlern und Inline-Skatern beliebt macht. Wer mit kleineren Kindern unterwegs ist, sollte daher ein wenig Acht geben. Wir fahren mehrere Kilometer durch die Köpenicker Bürgerheide. Der See schimmert zwischen den Bäumen hindurch. Irgendwo klopft ein Specht, ein zweiter antwortet. Es lohnt sich, das Rad kurz abzustellen, ein paar Schritte in den Wald zu gehen, durchzuatmen und einen dieser Momente zu genießen, in denen man überrascht ist, wie viel Natur es in Berlin gibt.

Auf Höhe des Schiffsanlegers „Rübezahl“ haben wir einen schönen Panoramablick über den See. Segelyachten gleiten über das Wasser, die Bäume am anderen Ufer sind so groß und ausladend, dass man die Häuser dazwischen kaum sieht. Nebenan liegen der große Biergarten „Müggelsee Terrassen“, auch bekannt unter dem Namen „Rübezahl“, und ein Abenteuerspielplatz. Wir schauen noch kurz den Enten und Schwänen zu, die über die Wellen schaukeln, und fahren Richtung Kleiner Müggelsee. Nahe Müggelheim gelangen wir an eine kleine Bucht mit einem Strand aus hellem, feinem Sand. Familien haben hier ihre Picknickdecken ausgebreitet. Der ideale Ort für eine Badepause, das Wasser ist flach, klar und erfrischend.

Wir fahren weiter Richtung Rahnsdorf. Unmittelbar hinter der so genannten Russenbrücke liegt das Café Klein Schwalbenberg, wo es den möglicherweise besten Baumkuchen der Stadt gibt. „Unsere Kuchen kommen von der Konditorei Rabien“, sagt Wirt Thomas Paczoska (43) stolz. Der Traditionsbetrieb aus Steglitz schickt sein Gebäck in die ganze Welt – auch in dieses rustikale Gartencafé. Paczoska arbeitet als Konditor bei Rabien, das „Klein Schwalbenberg“ ist seine Wochenend-Beschäftigung. Und weil der Wirt gelernter Tischler ist, hat er sein kleines Café mit knapp 50 Plätzen, in dem auch schon Otto Waalkes zu Gast war, eigenhändig gebaut, Holztische und -stühle inklusive. „Ich bin in Rahnsdorf geboren und in Hessenwinkel aufgewachsen“, sagt er, „ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen.“ Er schwärmt von der Natur, die noch Natur sei, von den vielen „wilden Ecken“. Ob es hier einen touristischen Geheimtipp gibt, fragen wir. „Fahrt zur alten Dorfkirche“, sagt Paczoska.

Also fahren wir über das Kopfsteinpflaster der Dorfstraße Richtung Ortskern – wohl dem, der einen weichen Sattel hat. Etwas protzige Villen wechseln sich ab mit verwunschenen Fachwerkhäusern. Auf einer kleinen Anhöhe steht ein gelber Backsteinbau mit einem hohen, quadratischen Turm: die Dorfkirche. Wie alt sie ist, ist unklar, Historiker vermuten jedoch, dass sie bereits im Mittelalter das Zentrum des alten Fischerdorfes bildete. Als gesichert gilt, dass sie 1728 als Fachwerkbau erneuert und im Barockstil gestaltet wurde. 1872 fiel das Gebäude einem Brand zum Opfer, ein paar Jahre später bauten es die Dorfbewohner wieder auf. In den Sommermonaten werden alle zwei Wochen sonnabends um 18Uhr Orgelkonzerte in der Kirche gegeben.

Auf dem Dorfplatz machen wir im Schatten alter Bäume eine kurze Pause. Dann verlassen wir Rahnsdorf und fahren auf dem Fürstenfelder Damm Richtung Friedrichshagen, einem Ortsteil mit kleinstädtischem Charme. Hier ist alles kleiner und übersichtlicher als „im großen Berlin“, und es geht nachbarschaftlich-familiär zu. Ende des 19. Jahrhunderts hatte es Literaten, Intellektuelle und Bohemiens dorthin gezogen, weil ihnen die Natur Freiraum für große Gedanken und ein vermeintlich besseres Leben bot. Bekannt wurden die Freigeister als Friedrichshagener Dichterkreis.

Strandbad oder Seebad?

An den Krach und den Verkehr auf der großen Straße müssen wir uns nach der Stille im Wald erst wieder gewöhnen. Dafür kommen wir auf dem flachen Radweg umso zügiger voran. Wer sich jetzt noch mal im See erfrischen möchte, kann ins Strandbad Müggelsee gehen. Der große Nichtschwimmerbereich eignet sich auch gut für Kleinkinder. Wem die „Riviera des Ostens“– eines der größten Freibäder Berlins – zu überlaufen ist, fährt weiter bis zum kleinen Seebad Friedrichshagen am Müggelseedamm. Dort liegt man auf der schattigen Wiese oder rückt seinen Liegestuhl an den Sandstrand. Wer möchte, kann vom Fünfmeterbrett ins Wasser springen. Wenn das Wetter nicht so toll ist oder die Badehose zu Hause liegt, bietet sich ein Besuch des Museums im Wasserwerk Friedrichshagen an Auf dem Rundgang durch die Backsteinbauten lernt man die Geschichte der Wasserversorgung Berlins kennen (siehe Kulturtipp rechts). Auf dem Müggelseedamm haben wir außerdem Gelegenheit, auf einer der Aussichtsterrassen noch einmal den Blick über den See zu genießen.

Unsere Tour endet auf der Bölschestraße, der gut einen Kilometer langen Haupt-Einkaufsstraße Friedrichhagens mit den markanten breiten Bürgersteigen, auf denen es sich herrlich flanieren lässt. Wo anderenorts die Shopping-Meilen längst in der Hand der immergleichen Mode- und Schuh-Ketten sind, gibt es hier noch viele kleine Einzelhandelsgeschäfte, in denen man Bücher, Kleidung oder Kinderspielzeug kaufen kann. Zwischen den Bürgerhäusern der Gründerzeit stehen einige der alten Kolonistenhäuser. Sie erinnern an die Zeit, als Preußenkönig Friedrich II. versucht hat, in Friedrichshagen eine Seidenspinnerei einzurichten.

An den Freiluft-Tischen der Straßenbistros sitzt das junge Köpenick und trinkt Milchkaffee. Auch wir setzen uns in die Sonne, gönnen uns einen Eisbecher und hören dem Straßenmusiker zu, der an der Ecke entspannten Gitarrenjazz spielt.

Hier die Karte als PDF.

Und hier gibt es die Wegbeschreibung dazu.

Alle Teile unserer Serie finden Sie unter www.morgenpost.de/radtouren.