Am 1. Mai werden voraussichtlich mehr Rechtsextreme als zuvor in Berlin demonstrieren. Über das Internet wird um Demonstranten geworben. Im Netz macht auch die linke Szene mobil - nicht nur für die traditionellen 1.-Mai-Demonstrationen, sondern auch, um die Rechten zu stoppen. Die Polizei rechnet damit, dass die Situation eskaliert.
Der 1. Mai, in Berlin seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Tag der Krawalle, wirft seine langen Schatten voraus. Die Vorbereitungen der Polizei laufen auf Hochtouren, Juristen ringen bereits um Routen und Auflagen für die etwa 30 bislang angemeldeten Veranstaltungen. Gruppen radikal Gesinnter von Links und Rechts mobilisieren bereits seit Wochen bundesweit Anhänger.
Was dabei in Szenepublikationen und via Internet an kaum verhüllten Drohungen mit Gewalt verbreitet wird, lässt nichts Gutes ahnen. Die Polizei steht vor einer gewaltigen Herausforderung. „Dass es wieder knallen wird, ist klar. Die Frage bleibt nur, wie heftig es wird und wie schnell es uns gelingt, die Ausschreitungen zu unterbinden“, sagt ein leitender Beamter.
Gewalttätige Aktionen drohen in drei Wochen nicht nur durch die militante Linke, die üblicherweise am Abend des 1. Mai in Kreuzberg zuschlägt. Diesmal haben es die Beamten auch mit Rechtsradikalen zu tun, die ebenfalls in der Hauptstadt im großen Maßstab antreten wollen. Der Aufmarsch birgt ein besonderes Risiko, da zu den erwarteten Gruppen aus dem rechten Lager auch die „Autonomen Nationalisten“ (AN) gehören, die oft nicht weniger Gewaltbereitschaft zeigen als radikale linke Gruppen.
Die AN verfügen laut Verfassungsschützern über ein größeres Rekrutierungsspektrum als die NPD, die in der Vergangenheit schon häufig in Berlin demonstrierte und auch in diesem Jahr eine Kundgebung angemeldet hat. Während die NPD üblicherweise schon über 500 Teilnehmer ihrer Demonstrationen froh ist, haben die aus der Neonazi-Kameradschaftsszene kommenden Autonomen Nationalisten in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie Tausende mobilisieren können. Und dass diese keine Hemmungen haben, Polizeieinheiten anzugreifen, wie in der Vergangenheit bereits in Hamburg und im rheinischen Stolberg geschehen.
Im Internet rufen Rechtsextreme unverhohlen zur Gewalt gegen die verhassten Linken auf. Und auch gegen die nicht weniger verhasste Polizei, den „Büttel“ eines von den Rechten verachteten Staates. Dabei sind Begriffe wie „Niedermachen“ und „Ausmerzen“ an der Tagesordnung. Die radikale Linke steht dem nicht nach. Die in einigen Aufrufen verbreitete Liste der Personengruppen, die es anzugreifen gelte, umfasst „Nazis, Bullen, Bonzen und Spekulanten“. Als gewaltbereit eingestufte Linksextremisten haben bereits angekündigt, die rechten Demos „mit allen Mitteln“ verhindern zu wollen. Das darf durchaus wörtlich genommen werden. Bei der Bekämpfung der Nazis ist auch illegales Vorgehen, selbst Gewalt legitim, lautet ein Credo der radikalen Linken. In diesem Jahr hat das „Bündnis Berliner Antifa-Gruppen“, einer der Mitunterzeichner des Aufrufes zum Protest gegen die geplanten Veranstaltungen der Rechten, zudem bereits frühzeitig Schuldzuweisungen für den wahrscheinlichen Fall von Ausschreitungen getroffen.
„Wir rufen alle Antifaschist/innen dazu auf, den Naziaufmarsch am 1. Mai mit allen Mitteln zu verhindern. Wir warnen die Berliner Polizei davor, durch eine gewaltsame Durchsetzung dieses Aufmarsches eine Eskalation herbeizuführen“, heißt es in einer Erklärung des Bündnisses. Die Lageeinschätzungen der Staats- und Verfassungsschützer die die Polizeiführung für ihre Einsatzplanung am 1. Mai nutzt, werden sich nach Einschätzung eines ranghohen Beamten bis zu diesem Tag noch einige Male ändern. „Mit wie vielen Demonstranten wir es zu tun haben und wie viele von den 30 angemeldeten Demonstrationen nach den Gesprächen mit den Veranstaltern übrig bleiben, wird wohl erst am Tat vorher feststehen.“