In Anbetracht der anhaltenden Serie von politisch motivierten Anschlägen macht Polizeiführern der Verlauf des kommenden 1. Mai zunehmend Sorgen. Sie rechnen damit, dass er anders als in den Jahren zuvor wieder in Gewalt und Zerstörung ausarten könnte. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie die Berliner CDU werten die Attacken der vergangenen Wochen als Indiz dafür, dass sich die linke Szene mit einem deutlichen Signal zurückmelden will.
Am Sonntag meldete die Polizei wieder Anschläge auf Fahrzeuge. Gegen 23.35 Uhr musste die Feuerwehr nach Lichtenberg ausrücken, wo auf einem Parkplatz an der Erich-Müller-Straße drei Autos brannten: ein Mercedes Benz CL500, ein Opel Antara V6 sowie ein Volvo XC 90. Drei Stunden später stand ein VW Touran an der Cuvrystraße in Kreuzberg in Flammen. Dieser Wagen war mit dem Logo des Senders N24 beklebt. In der Nacht zuvor waren zwei Scheiben einer Sparkassen-Filiale an der Zingster Straße in Hohenschönhausen zerstört worden. In einer hinterlassenen Botschaft nannten die unbekannten Täter als Motiv die Räumung eines besetzten Hauses in Erfurt. Am frühen Freitagmorgen hatten zwei schwarz gekleidete Radfahrer die Eingangstür und vier Fensterscheiben der Bußgeldstelle an der Magazinstraße in Mitte mit Pflastersteinen eingeworfen.
Täter agieren gut organisiert
Für Berlins GdP-Chef Eberhard Schönberg ist dies nicht eine zufällige Häufung von Anschlägen, sondern vielmehr der „kontinuierliche Aufbau der Gewaltanwendung“ der linken Szene. „Mehrfach wurde das Abschnittsgebäude nahe dem Mauerpark angegriffen, bereits zum zweiten Mal die Bußgeldstelle in Mitte“, so der Gewerkschafter. „Diese Täter fokussieren sich auf Fahrzeuge, die ihrer Meinung nach zur Luxusklasse gehören, auf Investitionsobjekte wie Loft-Gebäude, um den kapitalistischen Feind zu treffen.“
Laut Schönberg spiele den offenbar gut organisiert agierenden Tätern in die Hände, dass seiner Meinung nach die linke Szene verharmlost werde. „Zu Recht geht die Gesellschaft hart mit rechten Straf- und Gewalttätern ins Gericht. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die linke Gewalt in den letzten Jahren zugenommen hat.“ Schönberg bezweifelt, dass die friedlichen Bürgerfeste die Gewaltbereitschaft am 1. Mai kompensieren könnten. „Diese Gruppen werden versuchen, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Rechtsextremismus sowie wegen der Weltfinanzkrise Randale zu machen.“ Es sei erkennbar, dass jetzt nicht wie in den Jahren davor im Internet, sondern durch Gewalttaten mobilisiert werde.
Auch der Vorsitzende des Polizeiarbeitskreises der CDU, Peter Trapp, schaut mit Sorge auf das Datum 1.Mai. „Ich habe mit vielen Polizisten gesprochen, die für diesen Tag zum Dienst eingeteilt sind, und sie alle haben Angst vor einer Gewalteskalation. Vor allem dann, wenn das niedersächsische Verwaltungsgericht eine Demonstration von Neonazis in Hannover zulässt, wodurch auch wegen der zu erwartenden Gegenaktionen Einsatzkräfte gebunden und nicht nach Berlin abkommandiert werden können.“ Sollte dann noch die „May-Day“-Demonstration linker Gruppen in Berlin an der Friedrichstraße vorbeiführen dürfen, sei es mehr als wahrscheinlich, dass Extremisten massiven Sachschaden anrichten. Derzeit verhandelt die Polizei mit dem Veranstalter noch über die Route.
Dass sich bei den autonomen Linken die Qualität der Auseinandersetzung verändert, beweist auch die am Donnerstagabend an der Wohnung von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) abgelegte, mit Fäkalien gefüllte Pralinenschachtel. Zuvor waren am Nachmittag etwa zehn dunkel gekleidete Personen an ihrem Amtssitz an der Salzburger Straße in Schöneberg erschienen und hatten Flugblätter verteilt, in denen die Senatorin aufgefordert wird, am 1.Mai keine massenhaften Haftanträge für Festgenommene zu fordern.
Ein ranghoher Polizeiführer nannte es geradezu unerträglich, den Straftaten der Extremisten schier erfolglos gegenüberzustehen. „Das liegt auch daran, dass der Staatsschutz längst nicht mehr so viele Informanten in der linken Szene hat wie früher. Diese Leute sind vorsichtiger geworden“, so der Beamte. Beängstigend sei auch, dass an der Hasenheide in Kreuzberg Plakate aufgehängt wurden, auf denen zum Anzünden von Polizeifahrzeugen aufgerufen wurde. Abgebildet waren brennende Polizisten.