Weihnachtsfeier

Frank Zander feiert mit 2500 armen Berlinern

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Patrick Goldstein

Wenn Frank Zander einlädt, wird es weihnachtlich, festlich – aber nicht glamourös. Denn sein Weihnachtsessen ist für die armen Menschen in Berlin. Einmal im Jahr werden sie verwöhnt und können den Alltag vergessen. Auch viele Kinder sind alljährlich dabei.

Am meisten schmerzt der Anblick der Kinder. Denn wenn Entertainer Frank Zander alle Jahre wieder die Ärmsten der Stadt ins Hotel Estrel einlädt und ihnen ein Festtagsmahl aus

Gänsekeule, Rotkohl und Kartoffeln serviert, kommen ganze Familien Bedürftiger. Und obwohl dann Menschen strahlen, die sonst nicht viel zu lachen haben, befällt den Betrachter der Kleinen unter ihnen unweigerlich der Gedanke, was das Leben für sie wohl noch bereit hält.

Seit 8.30 Uhr haben an diesem Montag die freiwilligen Helfer im großen Showsaal des Hotels für 2500 Arme und Obdachlose die Tische gedeckt, Stände aufgebaut, sorgsam verpackte Geschenke für die Kinder aufgetürmt. Der 69 Jahre alte, einstige Maurer Rolf Zweiniger aus Köpenick packt heute zum zweiten Mal mit an, und wird gleich auch ein wenig kellnern. „Ab und an muss man im Leben den Hintern hoch bekommen und Anderen helfen“, sagt er. Als er 2007 nach 16 Stunden Heim kam, hat er seiner Frau gesagt, so etwas Schönes habe er noch nie erlebt.

Frank Zander, der im 14. Jahr Unternehmen, von Rewe bis BVG, für seine Weihnachtsfeiern gewinnt, rauscht vorbei. Er dankt den Friseurinnen und Friseuren, die heute den Bedürftigen die Haare schneiden werden, umarmt Ladenbesitzer Nils Thomsen, der für diesen Abend aus ganz Deutschland Pfeifen, Tabak, Rauchwaren sammelt.

Berlin, sagt Zander, sei doch nicht nur Glamour, Roter Teppich und Hertha BSC, sondern habe auch eine Schattenseite, auf der die sozialen Verlierer leben. Und: „Es hat ja auch etwas Christliches, zu Weihnachten an die Armen zu denken.“ Dann eilt er weiter, zur Pforte. Denn seine Gäste treffen ein.

Für den Weihnachtsbaum reicht das Geld nicht

Sie kommen in Rollstühlen, mit blau geschlagenen Augen, mit ihren Hunden, für die sie sich später Säcke und Dosen voll Futter abholen können. Alkohol hat so manches Gesicht gezeichnet. Doch die Mehrzahl bilden Menschen, deren Armut im Berliner Stadtbild schon gar nicht mehr auffällt.

Ulrike Jäger, 30, kommt seit 2004 zu Zanders Weihnachts-Essen. Die Frau aus Moabit trägt Holzfällerhemd und die Haare militärisch kurz geschnitten. Das blonde Mädchen neben ihr, mit dem ernsten Gesicht, den neugierigen Augen und einer hohen Stirn ist ihre neunjährige Tochter Stine. „Sie hat gedrängelt“ lächelt Ulrike Jäger, „dass wir wieder herkommen.“ Heiligabend werde man bei Verwandten feiern, von ihnen bekommt Stine auch ihre Geschenke.

Der Saal ist jetzt in warmes Licht getaucht, manchmal klingt ein Weihnachtslied nach Frank-Zander-Art aus den Boxen, später will er hier live spielen, Karat und Frank Schöbel stehen auch auf dem Programm. „Ich denke, im nächsten Jahr finde ich bestimmt Arbeit“, sagt die gelernte Verkäuferin Nicole Sozen, 33. So wie viele junge Frauen im Saal ist sie stark übergewichtig. Wie ihre zwei Freundinnen am Tisch ist sie alleinerziehend. Seit sechs Jahren sucht sie einen Job. Für ihren 14 Jahre alten Tommy, der in Sportsdress neben ihr sitzt, hat sie trotzdem ein Geschenk zusammengespart. „Aber für einen Weihnachtsbaum wird es nicht reichen“, sagt sie und blickt gespannt zur Bühne. „Wenn man nichts hat, sollte man dankbar sein, überhaupt hier zu sitzen“, lächelt sie.

Auch Carmen Erdmann genießt diesen einen Tag im Jahr, an dem jemand wie sie mal verwöhnt wird, an dem man sich um sie kümmert, an dem sie wieder wie ein wertvoller Mensch behandelt wird. „Meine vier Kinder sagen, dass hier ist für mich schon richtig Tradition“, erklärt die 41Jährige, während ein Kellner des Estrel ihr Gericht serviert. Sie lehnt sich über ihren Teller, atmet tief ein. Es ist nun recht ruhig im Saal, denn die meisten essen schweigend. Carmen Erdmann greift zum Besteck und sagt „So muss das für Leute sein, die ein Konzert besuchen: Da ist der Alltag weg und du bist plötzlich vollkommen woanders.“