Während andere Innenstadtbezirke Einwohner verlieren, ist Friedrichshain beliebt wie eh und je. Vor allem 18- bis 26-Jährige wissen das Flair von Boxhagener Platz und Samariterviertel zu schätzen. Familien mit Kindern wollen hingegen ruhig und im Grünen wohnen. Das soll nun Stadtplanern zu Denken geben.

Der Szene-Bezirk Friedrichshain bleibt einer der beliebtesten Wohnorte der jungen Berliner. In keinem Innenstadtbereich gibt es mehr Zuzüge von 18- bis 26-Jährigen als im Kiez rund um den Boxhagener Platz und im Samariterviertel. Das geht aus einer neuen Studie zum Thema „Zurück in die Innenstadt?“ des Potsdamer Instituts für Soziale Stadtentwicklung (IfSS) hervor.

Eine Renaissance der Städte sei daraus aber nicht abzuleiten, sagte der Leiter der Studie, Armin Hentschel. „Es sind keineswegs nur Innenstadtgebiete gewachsen – und dort noch nicht einmal alle“, sagte er bei der Vorstellung der Studie. Im Gegenteil. Hentschel fand bei seinen Untersuchungen eher eine andere Entwicklung bemerkenswerter: „Es gibt seit dem Jahr 2000 eine kontinuierliche Randwanderung von den Innen- in die Außenbezirke.“

Diese gehe im Wesentlichen von Familien mit Kindern aus, die nicht wie in den 90-er Jahren ins Umland zögen, sondern in die beliebten grünen Außenlagen in Reinickendorf, Zehlendorf, Spandau und Treptow-Köpenick. Daran müsse sich auch die Politik in den kommenden Jahren orientieren, forderte der Vorsitzende des Berliner Mietervereins, Franz-Georg Rips. Der Mieterverein hat die Studie in Auftrag gegeben. Die Wohnungen vor allem in den angesagten Kiezen müssten familiengerechter gestaltet werden – also mehr größere, sanierte Wohnungen in Friedrichshain. „Wir verstehen das Schlagwort der Renaissance als erstrebenswertes Ziel, nicht aber als Diagnose des Ist-Zustandes“, sagte Rips. Es gehe darum, sicheres, bezahlbares und gutes Wohnen in attraktiven Stadtgebieten für alle Bevölkerungsschichten zu ermöglichen.

Neubauten entsprechen nicht dem Familien-Wohnalltag

Aus Sicht des Geschäftsführers des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter müsse, muss daher vor allem der Senat seine Politik neu ausrichten und die Schwerpunkte anders setzen. Er sagte, eine Schulpolitik des Senats, die auch den öffentlichen Schulen eine Perspektive ermöglicht und die Flucht der Familien mit schulpflichtigen Kindern aus den Quartieren etwas entgegensetzt, sowie eine Verkehrspolitik, die die Beeinträchtigungen durch Lärm und Abgase bekämpft, seien „ergänzende und notwendige Elemente“ einer nachhaltigen Stadtentwicklung. So könnte man die Programme zur Sozialen Stadt und des Stadtumbaus besser verzahnen als es bisher der Fall ist.

Spektakuläre Neubauten, Towhnhouses und Baugruppenförderungen seien zwar begrüßenswert, träffen aber nicht den Kern des stadtentwicklungspolitischen Programms, so Vetter. Vielmehr sollte man mehr auf den Wohnalltag breiter Schichten schauen. Die Szene-Viertel in Friedrichshain, Mitte-Zentrum und Prenzlauer Berg seien auch ohne diese städtebauliche Verbesserung äußerst attraktiv, so der Leiter der Studie. Die Verlierer der vergangenen Jahre sind dagegen vor allem die Innenstadtbereiche von Neukölln, Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort gab es die meisten Fortzüge.

Senat soll preiswerten Wohnraum sichern

Hentschel fordert auch: „Insbesondere das innerstädtische Wohnen muss attraktiver und familiengerechter gemacht werden. Der Boom in den östlichen Szene-Viertel sei schließlich nur ein Erbe der DDR. Diejenigen, die heute Mitte 20 sind, sind in den geburtenstarken Jahren Anfang der 80er in der DDR auf die Welt gekommen und wollen nun in der Innenstadt leben, dagegen gebe es einen Rückwärtstrend im Westen.

Hartmann Vetter forderte vom Senat auch den Erhalt und die Sicherung preiswerten Wohnraums, die Steigerung der Attraktivität des städtischen Wohnens durch Freiraumbezüge und die gezielte Förderung der Anpassung der Wohnungen an die besonderen Bedürfnisse alter und behinderter Menschen. Außerdem müssten die Gebäude energetisch verbessert und die Menschen daran beteiligt werden bei der Neu- und Umgestaltung von Quartieren. Dazu gehöre es auch, das Quartiersmanagement und die Stadtteilentwicklung zu verstärken, sagte Vetter.