Behördenmissstand

Wie Zuwanderer oft problemlos in Berlin bleiben können

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Stefan Schulz

Wer als Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, hat in Berlin gute Chancen, wenn er eine alleinerziehende Frau kennt. Lässt diese ihn als Vater eintragen, ist ihm die Genehmigung so gut wie sicher. Denn für die Überprüfung der Vaterschaft sind die Bezirke zuständig. Und wer umzieht bringt die Ämter oft ausreichend durcheinander, um seine Ruhe zu haben.

In Berlin profitieren Ausländer, die sich Aufenthaltsgenehmigungen erschleichen wollen, von einem eklatanten Behördenmissstand. Sie nutzen den Umstand aus, dass es keine zentrale Berliner Prüfstelle für Scheinvaterschaften gibt. Jetzt wollen die Bezirke, unterstützt von der CDU, dagegen vorgehen. Doch der Senat weigert sich.

Die Methode ist einfach: Eine Frau trifft einen Mann, der eine deutsche Aufenthaltsberechtigung braucht. Er gibt sich als Vater des vor Jahren geborenen Kindes zu erkennen und wird in die Geburtsurkunde eingetragen. Dadurch erhält eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. In Berlin bedienen sich diesed "Tricks" vor allem Immigranten aus Vietnam und Bosnien-Herzegowina. Aber auch Männer mit türkischem Pass, die von Abschiebung bedroht sind, melden schon einmal eine Vaterschaft eines deutschen Kindes, sagen Innen-Experten.

In Berlin gibt es schätzungsweise 600 dieser Fälle. Offizielle Zahlen sind nicht erhoben worden. Geschätzt wird, dass jährlich 100 neue Scheinvaterschaften hinzukommen. Allein in Neukölln sind nach Angaben der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin für Behördendienste Stefanie Vogelsang 60 solcher Fälle aufgelaufen. "Jede Woche kommen vier weitere hinzu. Wir müssen dieses Thema ernst nehmen."

"Man muss diesem Sozialhilfemissbrauch entschieden entgegentreten", sagt der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel. "Deswegen muss es eine zentrale Zuständigkeit geben." Seit dem 1. Juli können Behörden nach einer Gesetzesänderung Vaterschaften anfechten. Doch in Berlin ist die Suche nach Scheinvätern dezentral organisiert. Jeder Bezirk soll mögliche Fälle von derartigen falschen Vaterschaftsangaben prüfen.

Es entsteht ein "Kuddelmuddel" von Zuständigkeiten

Stefanie Vogelsang setzt sich nun dafür ein, dass die Ausländerbehörde die Fälle zentral prüft. Im Rat der Bürgermeister wird sie einen entsprechenden Antrag einbringen, hinter dem auch Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) steht. Neben den CDU-geführten Bezirken gebe es auch Signale anderer Bezirke für eine Unterstützung. "Es ist notwendig, das Thema zentral zu bearbeiten, weil ansonsten ein Zuständigkeits-Hickhack entsteht, wenn die betreffenden Familien von einem Bezirk zum nächsten ziehen", sagt Vogelsang. Es sei nicht geklärt, ob gegen den Vater oder die Familien ermittelt werde. "Dieses Kuddelmuddel darf nicht entstehen", so Vogelsang.

Der Staatssekretär in der Justizverwaltung, Hasso Lieber, sieht hingegen keine sachgerechten Gründe, die Zuständigkeit für Vaterschaftsüberprüfungen an eine zentrale Behörde zu geben. Dementsprechend seien nach dem allgemeinen Zuständigkeitsgesetz zwingend die Bezirke zuständig. In einem Schreiben an die zwölf Bezirksbürgermeister führt Lieber weiter aus: "Die Aufgabe, gegebenenfalls für die Anfechtung einer auf missbräuchlicher Anerkennung beruhenden Vaterschaft zu sorgen, ist nicht von gesamtstädtischer Bedeutung. Ebenso wenig spricht die Eigenart der Aufgabe zwingend für eine einheitliche Durchführung."

Vogelsang verweist dagegen auf die Regelung in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg beispielsweise sei das Regierungspräsidium Tübingen zuständig, in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen Köln und Arnsberg und in Rheinland-Pfalz die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier. Deshalb müsse es auch in Berlin möglich sein, die ansässige Ausländerbehörde mit der Aufgabe zu betrauen. "Das Thema ist ein großes Ärgernis und darf nicht einfach so auf die überlasteten Bezirke abgeschoben werden", findet auch CDU-Innenpolitiker Henkel.