Weihnachten in Zeiten von Krieg und Krisen – soll man feiern? Oder ist das Fest wichtiger denn je?
Weihnachten, das ist Vorfreude. Das ist Familie, Gemeinsamkeit, ein bisschen Auftanken nach diesem fordernden Jahr. Aber die Feiertage bedeuten auch Kochen und Konsum, Reisen und Rastlosigkeit. Wie kann man trotz Krieg und Krisen, Klimawandel und Inflation das Fest dieses Jahr begehen? Kann man es überhaupt, auch wenn man zwar selbst im Frieden lebt, nicht friert, vielleicht nicht mal Geldsorgen hat – aber doch weiß, wie es anderen geht? Oder sollte man sagen: Jetzt erst recht? Denn das ist ja die Weihnachtsbotschaft: Fürchtet euch nicht!
Wir haben Berlinerinnen und Berliner nach ihren Gedanken zum Weihnachtsfest gefragt. Unsere Fotografen haben sie jeweils zu einem besonderen Foto gebeten. Mit aufs Bild kam ein kleiner Weihnachtsbaum mit besonderer Geschichte. Er kommt aus der Ukraine und ist unser Weihnachtssymbol in diesem Jahr. Die Gespräche und Fotos machen nachdenklich, geben aber auch Hoffnung. Aber lesen und schauen Sie selbst – wir wünschen Ihnen frohe Feiertage!
„Wir feiern diesmal nicht mit der Familie, sondern mit unseren Nachbarn“
Abdullah Apaydin (47), Inhaber der Kneipe „Rote Insel“ an der Leberstraße in Schöneberg und Barbara Jaschke (57), Nachbarin: „Wir feiern dieses Weihnachten mit Nachbarn – zum ersten Mal. Die ,Rote Insel’, das ist das Viertel südlich der Kolonnenstraße in Schöneberg. Viele Nachbarn kennen sich ein Leben lang, denn viele sind hier aufgewachsen. So auch wir. Abdullah, der auch den Getränkeladen gegenüber betreibt, hat viele ältere Kunden, die an Weihnachten allein sind. Andere haben einfach nicht so viel Lust auf traditionelle Weihnachten zu Hause. So hatten wir die Idee, auf der Plattform nebenan.de zu fragen, wer mit uns Heiligabend in der ,Roten Insel’ feiern will.
Die Reaktion war verrückt! Wir dachten, da melden sich ein paar Leute, mittlerweile interessieren sich mehr als 70 Nachbarn dafür. Das finden wir toll. Wir wissen natürlich nicht, wie viele tatsächlich kommen – aber wir haben uns vorbereitet. Die Feier ist als geschlossene Gesellschaft angemeldet. Abdullah hat die Knacker besorgt, sein Geschäftspartner Tomasz bringt Buletten mit, Barbara macht den Kartoffelsalat, andere Nachbarn haben angekündigt, Plätzchen zu backen. Und dann schauen wir mal, was passiert. Wir singen sicherlich Weihnachtslieder, vielleicht wird auch getanzt.“
„Heiligabend – ein schwacher Trost, wenn man schaut, wie mies die anderen Tage für obdachlose Menschen sind“
Dieter Puhl, Leiter der Stabsstelle für christliche und gesellschaftliche Verantwortung der Berliner Stadtmission: „An obdachlose Menschen denken heute sehr viele. Gut so! Es gibt viele Feiern, gutes Essen, Aufmerksamkeit, vielleicht ist es der beste Tag im Jahr? Das ist ein schwacher Trost, schaut man sich an, wie mies die anderen Tage sind. An Weihnachten sind die Pappbecher mit Münzen gefüllt, wer den Alkohol benötigt, die Flaschen auch. Manche haben sogar einige Geldscheine in den Taschen. Das hält alles wenige Tage an, dann kommt das große Loch. Pustekuchen mit Barmherzigkeit. Unsere Aufmerksamkeit ist aber auch noch Anfang Januar gefragt. Mein kostenloser Ratschlag für 2023: Samariter kennen keine Auszeit.
Von den letzten 32 Weihnachtsfesten habe ich selbst 27 in sozialen Einrichtungen gefeiert. Im Wohnprojekt für wohnungslose Menschen am Chamissoplatz, in der Notübernachtung der Stadtmission, in der Bahnhofsmission am Zoo. Mein eindrücklichstes Weihnachtsfest wird leider aber jener Heiligabend in der Klinik für krebskranke Kinder bleiben, als unsere Tochter als kleines Kind Leukämie hatte. Zwei Stunden war ich zwischendrin im Gottesdienst, danach fuhr ich, gedanklich mit Blaulicht, zurück in die Klinik. Vergangenes Jahr habe ich Weihnachten mit ihr, den Enkelinnen und der Mutter meiner Tochter gefeiert.
Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen ist Weihnachten in der Familie in dem Dorf bei Kiel, wo ich aufgewachsen bin. Meine Eltern, meine ältere Schwester, mein Onkel, ein skurriler Typ – und meine Oma, die Lieder auf einem Kamm spielte. Wir sangen dazu. An Heiligabend gab es Kartoffelsalat mit Würstchen. Und eine Ananastorte mit Borkenschokolade, mehrstöckig. Die hat meine Mutter eigentlich nur für meinen Vater und für mich gemacht. Vor drei Jahren ist sie gestorben. Sie fehlt mir. Würde sie noch leben, hätte ich ihr dieses Foto mit Weihnachtsbaum aus der Kleiderkammer der Berliner Stadtmission geschickt. Sie hätte sich sehr gefreut.“
„Ernsthaft: Ja, wir feiern!“
Horst Evers, Manfred Maurenbrecher, Christoph Jungmann, Hannes Heesch und Bov Bjerg (v.l.): Die fünf Kabarettisten haben sich für unser Mini-Interview auf gemeinsame Antworten geeinigt. Der „Kabarettistische Jahresrückblick“ läuft noch bis Jahresende in der Komödie im Schillertheater, wo das Foto entstand.
Berliner Morgenpost: Kann man denn Weihnachten überhaupt noch feiern, angesichts von Krieg und Krisen?
Na, jetzt ist die WM gerade mal vorbei. Und da fragen Sie schon nach dem nächsten Event? Fällt Euch nichts anderes ein? Obwohl …
Oder feiern Sie jetzt erst recht?
Ja, doch, wir feiern erst recht, so wie Gerhard Schröder, ganz außergewöhnlich, mit Tannenbaum. Ernsthaft, ja, wir feiern im Angesicht von Krieg und Krisen. In den ersten zwei Pandemie-Jahren war es schwierig, gemeinschaftlich zusammen zu finden. Das ist leichter geworden, und wichtig für Jung und Alt, für uns alle. Das muss man nicht unter dem christlichen Gedanken sehen, man kann es auch als „Solidarität mit dem Menschen als Menschen“ betrachten. Dass diese Solidarität leidet, wenn wir vor unserer Haustür Ungerechtigkeit und Verbrechen geschehen lassen, macht es nicht leichter. Sie bleibt unsere Aufgabe.
Wie war Ihr Weihnachten 2021?
Überschaubar: Die ersten von uns sind nach dem Lockdown-Jahr wieder vorsichtig ausgeschwärmt. Am Zweiten Feiertag müssen wir ja spätestens wieder eintrudeln, weil es danach mit dem Rückblick auf Hochtour geht.
Und wie wird Weihnachten diesmal sein?
Spannend: Diesmal fahren wir zum Teil für Familienbesuch weite Strecken und genießen die Aussicht, Heiligabend in der Bahn zu feiern. Das kann sehr schön werden. Vermutlich friedlicher als zu Hause. Niemand ist derzeit rücksichtsvoller als das DB-Bord-Personal. Was könnte man sich zu Weihnachten mehr wünschen? Im Übrigen erholen wir uns – das hatten wir fünf so noch nie – von unserer kollektiv ausgebrüteten Influenza. Wir waren alle voll begeistert: Fieber, Schüttelfrost, Null Covid!
„Es kommen jetzt doppelt so viele Menschen zur Tafel wie vor einem Jahr. Wir versuchen, alle zu unterstützen, so gut es geht“
Sabine Werth, Gründerin und ehrenamtliche Vorsitzende der Berliner Tafel: „Für immer mehr Berliner ist Weihnachten eine schwierige Zeit. Schon mit der Pandemie war ja die Zahl unserer Kunden stark gestiegen. Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, den steigenden Preisen und Energiekosten hat sich die Zahl unserer Kunden verdoppelt – von 40.000 in diesem Februar auf inzwischen 80.000.
Neu ist, dass immer mehr Betroffene aus dem klassischen Mittelstand kommen. Menschen, die nie dachten, dass sie mal auf gespendete Lebensmittel angewiesen sein würden. Gleichzeitig nimmt die Menge gespendeter Lebensmittel ab, vor allem Obst und Gemüse sind inzwischen immer knapp. Ich habe Bedenken, dass die ganz große Krise erst noch kommen wird – wenn für die Mieter im kommenden Jahr die Nachzahlungen zu den Betriebskosten fällig werden.
Dennoch werden unsere Helferinnen und Helfer in den Ausgabestellen in Berlin versuchen, unsere Kundinnen und Kunden auch in diesem Jahr über die Feiertage gut zu unterstützen. Auch wenn die Ausgabestellen über die Feiertage schließen, da sie vorwiegend von Ehrenamtlichen gemacht werden. Vor Weihnachten haben wir in mehreren Aktionen zusätzliche Spenden gesammelt, unter anderem originalverpackte Drogerieartikel sowie Schul- und Spielsachen. Denn auch diese Dinge sind inzwischen für unsere Kunden unerreichbar teuer.
Ich selbst werde das Weihnachtsfest feiern wie schon seit vielen Jahren: Mit meiner Frau bei meiner Schwiegermutter in Soest (Westfalen). Zum Weihnachtsfest gehören bei uns nicht nur das traditionelle Baumschmücken am 23. Dezember und ein schönes Weihnachtsessen, sondern vor allem auch der Gottesdienst.“
„Vergangenes Jahr hatten wir auf der Intensivstation viele Covid-Patienten. Erst der Booster brachte eine Verbesserung“
Marek Ronkowski (59), Intensivpfleger und Leiter der zwei Intensivstationen im Vivantes Klinikum Spandau: „Das abgelaufene Jahr war für die Kollegen in der Intensivstation sehr fordernd. Wir hatten viele schwerstkranke Patienten, gerade auch an den vergangenen Weihnachtstagen. Damals haben wir hier bis zu 14 schwer erkrankte Covid-Patienten versorgt, obwohl diese Station eigentlich nur elf Intensivbetten hat. Beide Stationen zusammen haben 31 Betten. Erst nach dem Booster, der dritten Impfung, gab es dann eine spürbare Verbesserung. Bis dahin gehörten die meisten Covid-Patienten ja zu den vulnerablen Gruppen, waren also ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Inzwischen sehen wir solche schwer erkrankten Patienten zum Glück nur noch vereinzelt.
Auf einer Intensivstation gibt es in dem Sinne kein Weihnachtsfest. Aber immerhin haben wir ein bisschen Adventsschmuck und bunte Teller. Die Besuchsregeln sind nicht mehr so streng wie vor einem Jahr, als pro Patient immer nur eine Person für maximal eine Stunde am Tag kommen durfte.
Das Personal musste zwei Jahre lang wegen der Pandemie auf eine Weihnachtsfeier verzichten. Im vergangenen Jahr gab es stattdessen vor einigen Vivantes-Krankenhäusern kleine Weihnachtsmärkte. Dieses Jahr feiern wir wieder gemeinsam mit den Kollegen – aber natürlich im Freien, sicher ist sicher.
Für mich persönlich ist Weihnachten ein absolutes Familienfest, und ich habe zum Glück auch frei. Wir stammen aus Polen, und traditionell kocht meine Mutter für unsere ganze Familie. Es gibt dann das typische polnische Weihnachtsessen, das aus zwölf Gerichten besteht. Zum Brauch gehört auch, dass immer ein Platz zusätzlich eingedeckt wird für den Fall, dass noch ein Gast kommt. Das ist eine schöne Geste, finde ich. Im vergangenen Jahr haben wir, um meine Mutter zu schützen, die ja schon älter ist, in zwei kleineren Gruppen gefeiert. Dieses Jahr freue ich mich, dass wir wieder alle zusammen feiern, mit Oma, Kindern, Enkeln und Urenkeln.
Mein größter Wunsch ist, beruflich gesehen, dass wir mehr Pflegepersonal für unsere Station finden. Es sind viele Stellen ausgeschrieben und wir bemühen uns um eine gute Willkommenskultur und Arbeitsatmosphäre – und hoffen, dass sich viele Kollegen für uns entscheiden.“
„Optimismus bedeutet: Das Beste suchen“
Sigrid Nikutta, Vorständin Güterverkehr der Deutschen Bahn: „2022 war ein Jahr, das uns tief erschüttert hat: Wer hätte geglaubt, dass wir einen solch brutalen Krieg direkt in Europa erleben? Wer hätte gedacht, dass alles, was für unsere Energieversorgung und -verbrauch so selbstverständlich war, plötzlich in Frage steht? Auch Lieferketten stehen vor bislang nicht gekannten Auswirkungen – im Grunde seit bald drei Jahren nonstop. Ich bin Optimistin. Ganz im Sinne der ursprünglichen Bedeutung, denn „Optimismus“ bedeutet: Das Beste suchen. Das Beste aus dem Hier und Heute machen.
Mit unseren Güterzügen fahren wir als Deutsche Bahn mitten im Krieg Hilfsgüter und Spenden buchstäblich „in einem Zug“ von Potsdam-Seddin bis in die Ukraine, Hand in Hand mit der polnischen und ukrainischen Eisenbahn. Die Bahnen spielen eine wichtige Rolle bei der Flucht der Menschen aus der Ukraine. So funktionieren europäische Netzwerke!
Auf einmal wird auch wieder Kohle in Deutschland gebraucht. Es gelang uns, binnen weniger Monate mehr als 1000 Güterwagen zu reaktivieren, mit denen wir jetzt zur Sicherung der Energieversorgung wieder Kohle für die Kraftwerke in Deutschland fahren. Das Positive an dieser Situation: Wir alle haben gezeigt, wie schnell wir uns auf Veränderungen, auch wenn sie nicht gewollt sind, einstellen können. Ob es um den Betrieb von Güterzügen auf den Schienen Europas geht oder in Berlin um den alltäglichen Umgang mit Menschen aus Kriegsgebieten, die bei uns Schutz und Chancen suchen. Für 2023 wünsche ich mir: Frieden! Bei unseren ukrainischen Nachbarn, auch den Geflüchteten hier in Berlin, erleben wir, wie viel Mut und Entschlossenheit es auf dem Weg zum Frieden braucht. Frieden geht immer Hand in Hand mit der Freiheit, das wissen wir in Berlin gut! Freiheit ist für uns so selbstverständlich, leider für viele Menschen auf dieser Welt nicht.
Der Weihnachtsbaum aus der Ukraine hier auf meinem Tisch ist ein Symbol – dafür, dass Lichter immer dann zu erkennen sind, wenn es dunkel wird. Und dass es an uns liegt, das Licht anzuzünden und hochzuhalten, damit es auch andere sehen, mitten im Dunkel!“
„Mit viel Liebe, Demut und Dankbarkeit, aber auch mit dem Blick, dass wir viel besser machen können“
Kay Bernstein, Präsident von Hertha BSC: „Weihnachten 2021 war das erste Mal mit unserer kleinen Tochter und bleibt damit ewig unvergessen. Jetzt ist sie schon fast zwei Jahre alt, reagiert so wunderschön auf alles in dieser Welt, die nach unserem Wunsch natürlich komplett ihr gehören soll. Im allerbesten Sinne, sodass sie in ein paar Jahrzehnten, wenn sie ungefähr das aktuelle Alter ihrer Eltern erreicht hat, ebenfalls viel Liebe, Demut und Dankbarkeit spürt. Für alles, was gut läuft auf diesem Planeten Erde – aber mit einem Blick darauf, dass wir ganz vieles noch viel besser machen können.
Hoffentlich versteht unsere Tochter dann auch, warum sich Papa in diesem Jahr 2022 so außerordentlich intensiv mit einer Alten Dame beschäftigt hat. 130 Jahre, aber rüstig, mitten im Leben stehend und abenteuerlustig! Unser Kind im Kleinen und Hertha BSC im Großen geben mir das Verständnis, wie wichtig jeder Einzelne von uns ist und wie stark wir in einer funktionierenden Gemeinschaft sein können. So feiern wir 2022 zu Hause unser vom Erzgebirge inspiriertes Weihnachten mit Räuchermännchen, Schwibbogen, Rentier im Garten und viel Lametta am Baum -– und wünschen ein frohes Fest überall!“
„Musik kann mit der richtigen Botschaft die Welt reparieren“
Artem Kara (31), Cellist und Gründer der Band Cellovechno aus der Ukraine: „Vor genau einem Jahr haben mein Bandkollege Stepan Lytvyn und ich mit der Berliner Morgenpost über die Hoffnung gesprochen, dass es in unserem Heimatland friedlich bleibt. Und dass wir nach der Pandemie bald wieder auf Bühnen auftreten würden können. Damals habe ich in Berlin Straßenmusik gemacht, um Geld zu verdienen, auch an Heiligabend – in der Ukraine feiern die meisten Weihnachten erst am 7. Januar. Inzwischen ist auch meine Familie hier in Berlin, uns geht es soweit gut. Unsere Gedanken sind aber bei allen, die unter diesem fürchterlichen Krieg gegen unser Land leiden.
Momentan haben wir mit Cellovechno tatsächlich viele Auftritte, auch Stepan ist zum Glück wieder hier. Aber es sind ganz andere Vorzeichen. Bei den Auftritten in der Weihnachtszeit haben wir Geld für Generatoren in der Ukraine gesammelt. Wir suchen Sponsoren und Wohltätigkeitsfonds, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. Und wir gründen gerade eine Gemeinschaft für ukrainische Künstler in Berlin. Wir sind dankbar, dass uns der Verein Kulturleben Berlin Schlüssel zur Kultur unterstützt.
Unser letztes Konzert in der Ukraine hätte am Tag nach dem Überfall Russlands stattfinden sollen. Es fiel aus. Das war auch finanziell ein großer Verlust. Ich bin froh, nun wieder hier in Berlin auftreten zu können. Musik ist für mich das mächtigste Werkzeug der Welt. In den richtigen Händen und mit der richtigen Botschaft kann sie diese Welt reparieren und verändern.“
Rapper Romano: Mit Sekt, Lebkuchen und Weihnachtspute in Köpenick
Rapper Romano alias Roman Geike: Musikalisch probiert Romano jetzt was Neues aus. Vom Sprechgesang orientiert sich der Köpenicker hin zum Schlager und Chanson. Sein brandneues Album „Vulkano Romano“ mit 13 Songs erscheint am 24. März 2023. Das neue Jahr birgt für den Musiker also schon mal Grund zum Feiern. Aber wie steht es mit Weihnachten? Romano findet: „Gerade jetzt in dieser krisengebeutelten Zeit brauchen wir ein Gefühl des Zusammenhalts. Mit der Familie, den Freunden, Nachbarn und unseren Mitmenschen. Weihnachten ist wichtig und dabei geht es nicht um den großen Gabentisch.“ Als Kind konnte er es kaum erwarten, dass sein Vater am Weihnachtsabend die Glocke läutete und er mit leuchtenden Augen die Geschenke unterm bunt geschmückten Baum auspackte. „Doch im Laufe der Jahre entdeckte ich da noch eine tiefere Botschaft“, sagt Romano. „Es ist auch ein Fest des Aufeinanderzugehens, ein Fest der Menschlichkeit und Liebe. Stärke ist, auch mal nachzugeben oder zu verzeihen. Sich wenn nötig zu entschuldigen und die Fehler nicht immer bei den anderen zu suchen. Das ist für mich der wahre Geist der Weihnacht, den man, wie ich finde, nicht nur auf die ,schönste Zeit des Jahres’ beschränken sollte.“ An das Weihnachten vor einem Jahr erinnert sich der Musiker so: „Durch die Coronakrise blieb es dann doch recht ruhig, also haben wir es uns im ,Kleinen’ gemütlich gemacht und sind in Berlin geblieben.“ Wie wird der Sänger mit den zwei charakteristischen Zöpfen dieses Jahr feiern? „Es wird nicht extremer oder krass ausgelassen. Einfach mit den Liebsten zusammen sein mit Sekt, Lebkuchen und Weihnachtspute“, berichtet Romano. Und er hofft an den Feiertagen auch darauf, einige lang vermisste Freunde wiederzutreffen. Dieses Jahr geht es für ihn zuerst ins Münsterland. „Ich werde zwischen Rheine und Köpenick pendeln. Erst bei den Eltern meiner Freundin sein und dann mit meiner Familie feiern.“
„Immer mehr Familien leben in Armut“
Natascha Ochsenknecht, ehemaliges Model und Mutter der Schauspieler Wilson Gonzalez und Jimi Blue sowie des Models Cheyenne Savannah Ochsenknecht – hier mit John (10, l.), Nico (12) und der Leiterin der Arche Wedding. Jeanette Borchert: „Unsere Familie feiert zum ersten Mal nicht bei mir, sondern bei Cheyenne, Nino und Mavie in Graz auf deren Hof. Natürlich koche ich an Heiligabend trotzdem meine Weihnachtsgans mit Klößen. Das haben sich alle gewünscht, und das mache ich darum auch. Gerade in Zeiten wie diesen ist es unglaublich wichtig, mit Familie und Freunden zusammen zu sein und gemeinsam zu feiern. Aber wir wissen, dass das längst nicht alle können. Immer mehr Familien leben in Armut. Deswegen unterstütze ich auch die Arbeit der Arche. Diese Woche habe ich einen Scheck von 45.000 Euro überreicht, den die Firma Lieferando auch durch Spenden ihrer Kunden für die Arche Berlin gesammelt hat. Dadurch können Mahlzeiten für bedürftige Kinder finanziert werden. Die Arche hilft, wo es wirklich drauf ankommt. Ich freue mich, dass wir ein ganz kleines bisschen helfen konnten. In die Arche Wedding hatten wir zudem Pizza und Sushi mitgebracht – und haben uns beim Essen gut unterhalten.“
„Selbst wenn Weihnachten ausfallen würde, wäre noch keine Krise gelöst“
Pit Terjung (17) und Maya Winkler (18), Fridays for Future Berlin: „Die Klimakrise, Corona, der Ukraine-Krieg, das alles geht auch an uns nicht spurlos vorbei. Gerade jetzt ist deswegen Weihnachten für uns ein Moment des Zusammenhalts – in der Familie, mit Freunden, mit unseren Mitstreitern von Fridays for Future. Es ist auch für uns wichtig, mal innezuhalten und Energie aufzutanken, damit wir im kommenden Jahr weiter für unsere Ziele eintreten können. Denn auch, wenn einem angesichts der von Krisen gebeutelten Welt wenig nach feiern zumute ist – gerade an Weihnachten spüren wir doch das Bedürfnis nach Nähe und Familie.
Ein klimagerechtes Weihnachten wäre ein Weihnachten in einer klimagerechten Welt, nicht der Verzicht, das wäre Unsinn. Es ist ja ein christliches Fest, das allerdings missbraucht wird, um den Konsum zu steigern. Von den einzelnen Menschen Verzicht zu fordern, finden wir deswegen nicht richtig. Selbst wenn Weihnachten ausfallen würde, wäre ja noch keine Krise gelöst. Allerdings sollte man schon überdenken, wie viel Konsum an Weihnachten nötig ist. Ob es das traditionelle Fest mit Geschenken, Braten und Baum sein muss, oder ob man nicht zum Beispiel auch Spenden verschenken kann – zum Beispiel an soziale Organisationen, die sich um Menschen kümmern, die nicht genug haben oder sogar auf der Straße leben.
Wir müssen raus aus der Logik der Klimakrise, nach der immer die Schuld des Individuums in den Mittelpunkt gerückt wird. Natürlich tragen einerseits wir Menschen aus den privilegierten Ländern des globalen Nordens eine große Mitverantwortung für die Klimakrise. Den Löwenanteil des weltweiten CO2-Ausstoßes blasen allerdings Großkonzerne in die Luft. Die 100 größten Konzerne sind für 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.
Weihnachten zu feiern, bedeutet nicht, dass man wegschaut, wenn es um die großen klimapolitischen Fragen geht. Und da passiert ja einerseits einiges. Etwa, dass die staatseigene KfW-Bank gerade die Finanzierung für neue Gasfelder im Senegal vorerst gekippt hat – dies ist ein Erfolg der Klimabewegung, auch wenn die Sache noch nicht endgültig vom Tisch ist. Andererseits sind da die Gasdeals der Bundesregierung mit Katar, der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien und so weiter.
Wie schwierig und langwierig es ist, diese Politik zu ändern, sieht man unter anderem an uns: Inzwischen sind es vier Jahre, die wir mit Fridays für Future auf die Straße gehen. Gerade haben wir das auch ein bisschen gefeiert. Und dennoch ist so wenig passiert. Fürs nächste Jahr braucht es also mehr als gute Neujahrsvorsätze der Politik – sie muss endlich handeln.“
„Heiligabend wird zum ersten Mal nicht mit der Familie stattfinden, sondern im Dienst am Bahnhof und in der S-Bahn“
Antonio Markidis (27) und Annalena Conrad (19) Auszubildende im Bereich Sicherheit der Deutschen Bahn: „Im Februar wurden wir von unserer Ausbildungsleitung informiert, dass demnächst wahrscheinlich viele Menschen aus der Ukraine am Hauptbahnhof in Berlin ankommen würden. Wir wurden dann auch an vielen Tagen auf Streife hier im Bahnhof eingesetzt. Es kamen ja Tausende Menschen an, alle müde und verzweifelt. Natürlich stellt man sich vor, wie es wäre, wenn uns hier in Berlin auch ein Krieg treffen würde. Es wäre fürchterlich, selbst flüchten zu müssen. Im Hauptbahnhof mussten wir gerade im Bereich für die alleinreisenden Mütter und Kinder auch wachsam sein, denn es gab Versuche von Kriminellen, die Situation dieser Frauen auch noch auszunutzen. Das war auch menschlich fordernd. Was uns aber beeindruckt hat, war die große Hilfsbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner, gerade auch später im Willkommenszelt vor dem Bahnhof. Wir selbst sind froh, dass wir Weihnachten in Frieden in Berlin feiern können. Auch wenn Annalena zum ersten Mal im Leben den Heiligabend nicht mit Eltern und Familie feiern wird – sondern im Dienst an einem der Berliner Bahnhöfe oder der S-Bahn.“
„Meine Weihnachts-Freundin ist dieses Jahr gestorben“
Fahrradfahrer Robby (62), Mediengestalter aus Kreuzberg: „Mein Hobby ist mein Bike, ein Pedelec, das lässt sich ja leicht erkennen. Es ist ein Uni MK aus der Manufaktur in Adlershof. Damit fahre ich im Jahr ungefähr 12.000 Kilometer durch Berlin, im Sommer wie im Winter. Viele Berliner kennen mich inzwischen wahrscheinlich vom Sehen. Mein Rad ist ja auch besonders schön mit den Figuren und dem Licht. Mit Weihnachten haben die Lichterketten aber weniger zu tun, die sehen einfach schön aus. Für Heiligabend habe ich diesmal nichts besonderes geplant. Im vergangenen Jahr habe ich mit einer Freundin gefeiert. Mit meiner Weihnachts-Freundin sozusagen. Aber leider ist sie dieses Jahr gestorben.