Prall gefüllte Stiefel: Darauf hoffen Kinder, wenn sie am Morgen des Nikolaustages am 6. Dezember aus ihren Betten klettern und vor die Zimmertür blicken. Dabei wurde der Stiefel erst nach und nach zu einem Teil der Tradition. „Das Nikolaus-Brauchtum hat sich in Stufen entwickelt“, sagte Theologe und Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti.
Angefangen habe alles mit dem sogenannten „Wurf-Brauchtum“. Der Legende nach habe der Waisenknabe Nikolaus, bevor er zum Bischof wurde, drei arme Jungfrauen vor einem Leben auf der Straße bewahrt, indem er ihnen Geschenke zuwarf, die sie als Mitgift nehmen konnten. „Die Menschen haben es daher dem jungen Nikolaus gleich getan und den Kindern Geschenke zugeworfen“, erklärte Becker-Huberti.
Schnell sei klar gewesen, dass zumeist die größten Kinder die Geschenke fingen. „Also suchte man nach Behältern, um jedem, auch dem kleinsten Kind, Geschenke zu überreichen“. Da es im Mittelalter wenig Becher und Schüsseln gab und die wenigen im Haushalt benötigt wurden, kamen die Erwachsenen darauf, Schuhe oder Socken der Kinder als Behälter zu nehmen. „Aus dem Einwerfen wurde also die Tradition, dass Schuhe, meist Holzschuhe, in der Nacht vor dem 6. vor die Tür gestellt und befüllt wurden“, sagte der Theologe.
Größte Herausforder: sinnvolles Schenken
Dabei hätten die kleinen Kinder schnell verstanden, dass herausgeputzte Schuhe eher und mehr befüllt wurden, als schmutzige. Wenn ihnen daher gesagt wurde, dass sie zuerst ihre Schuhe oder Stiefel putzen sollten, bevor der Nikolaus sie beschenken würde, taten sie das bereitwillig, erklärte der Brauchtumsexperte.
Mit der Reformation habe die Nikolaus-Verehrung nachgelassen. „Die Protestanten haben das Schenken auf Weihnachten ausgerichtet“, sagte Becker-Huberti. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hätten die Katholiken den Nikolaus wieder als Person auftreten lassen, der persönlich in die Häuser kam, um brave Kinder zu belohnen und böse Kinder zu bestrafen. „Da diese Besuche jedoch des Öfteren von den Kindern nicht ernst genommen wurden, ließen viele wieder davon ab“, erklärte Becker-Huberti. Daher würden heute Geschenke wieder in der Nacht und heimlich überreicht, ohne Auftreten einer Nikolaus-Figur.
Die größte Herausforderung sei, überhaupt noch etwas Besonderes zu geben. „Kinder bekommen heutzutage nicht etwas geschenkt, das sie sonst nicht auch schon haben“, kritisierte der Theologe. Dabei sei es wichtig bei Kindern, „zeichenhaft“ zu schenken, um früh die Bedeutung eines Geschenks zu vermitteln.
Um den Heiligen ranken sich zahlreiche Legenden
Nikolaus ist einer der am meisten verehrten Heiligen der Christenheit. In der katholischen Kirche wird er häufig als „Nothelfer“ angerufen, die orthodoxen Christen bezeichnen ihn als „Wundertäter“. Der Forschung nach wurde die Gestalt des heutigen Nikolaus vermutlich aus zwei historischen Personen zusammengesetzt: Dem tatsächlichen Bischof Nikolaus von Myra in Kleinasien in der heutigen Türkei, der wahrscheinlich im 4. Jahrhundert lebte und sein Vermögen an die Armen verteilt haben soll und dem gleichnamigen Abt von Sion, der Bischof von Pinora war und am 10. Dezember 564 ebenfalls in Kleinasien starb. Bis heute wird der Heilige Nikolaus insbesondere in der katholischen und russisch-orthodoxen Kirche als Gabenbringer und Wohltäter verehrt.
Schon die in Myra früh einsetzende Verehrung des Nikolaus war vom Gedanken an seine Güte bestimmt. Um den Heiligen ranken sich zahlreiche Legenden, deren historische Ursprünge aber bei anderen Heiligen gleichen Namens liegen. Nach einer Erzählung erweckte Nikolaus drei ermordete Schüler wieder zum Leben. Er ist deswegen auch Patron der Schüler. Einer anderen Legende nach schenkte er drei Mädchen heimlich Gold für die Aussteuer, um sie vor der Tempelprostitution zu retten.
Im Mittelalter wählten Klosterschüler am Vorabend des Festes einen „Kinderbischof“. Abt oder Bürgermeister gaben die Herrschaft für einen Tag symbolisch in die Hände der Kinder. Der Kinderbischof, bekleidet mit einer Mitra und den Gewändern eines Bischofs, „visitierte“ die Klosterschule. Er bestrafte Schüler oder belohnte sie mit Süßigkeiten.
Weihnachtsmann hat nichts mit dem Nikolaus zu tun
In den vergangenen Jahren haben kirchliche Organisationen Initiativen gestartet, um das Andenken des Heiligen zu fördern und vom Weihnachtsmann der Werbung abzugrenzen. Verkauft werden dabei auch Schoko-Nikoläuse mit Mitra und Bischofsstab als Alternative zu den Weihnachtsmännern mit Mütze und Beutel.
Aus kirchlicher Sicht hat der am Konsum orientierte Weihnachtsmann der Geschenke-Industrie nichts mit dem Bischof Nikolaus zu tun, der selbstlos Menschen in Not geholfen habe. Die Aktion „Weihnachtsmannfreie Zone“ des katholischen Bonifatiuswerks wird inzwischen von zahlreichen Prominenten wie Nina Ruge, Maite Kelly oder Peter Hahne unterstützt.
Die Nikolaus-Legende wurde Teil von Coca-Cola
Nikolaus und Weihnachtsmann erscheinen alle Jahre wieder in Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Dabei war ursprünglich allein der Heilige Nikolaus für das Schenken zuständig. Erst nach der Reformation, die sich fast vollständig von der Heiligenverehrung in der katholischen Kirche abwandte, entstand der Weihnachtsmann. „Der Weihnachtsmann ist der Versuch, aus dem Nikolaus eine weltliche Figur zu machen“, sagte der Theologe und Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti.
Aus Europa gelangte die Nikolaus-Legende in die USA. Dort wurde der Mann 1931 Teil einer Werbekampagne der Getränkemarke Coca-Cola und mit rotem Gewand und einer rot-weißen Zipfelmütze ausgestattet. Heutzutage ist die Figur des dickbäuchigen, rot-weißen Weihnachtsmanns mit Mütze und Rentiergespann so weit verbreitet, dass selbst die Schokoladen-Nikoläuse kaum mehr die Bischofsmitra des Heiligen Nikolaus tragen. „Dem Weihnachtsmann wurden sämtliche christliche Symbole genommen“, erklärte Becker-Huberti.