Connected Driving

Nokia vernetzt das Auto der Zukunft mit dem Internet

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Jürgen Stüber

Nokia stellt auf der Automesse IAA eine komplette Lösung für Connected Driving vor. Internet-Dienste bringen den Autofahrer schneller ans Ziel und liefern Zusatzinformationen aus sozialen Netzwerken.

Der Kommunikationskonzern Nokia verbindet demnächst das Auto mit der Internet-Cloud. Die Multifunktionsplattform „Here“ beinhaltet Navigation, Verkehrsdienste in Echtzeit, Informationen aus sozialen Netzwerken und eine Schnittstelle zu mobilen Anwendungen. Das Software-Paket für „Connected Driving“ wurde in Berlin für den Weltmarkt entwickelt.

„Bei einem mit dem Internet verbundenen Auto geht es nicht darum, im Fahrzeug ein Smartphone anzuschließen“, schreibt Pino Bonetti, Social-Media-Manager bei Nokia Here, im Unternehmensblog. „Konnektivität gibt der Automobilindustrie riesige neue Möglichkeiten.“ Nokias Programmpaket „Here Auto“ wendet sich nicht an endkunden, sondern an Autohersteller. Die können mit der Software unterschiedliche Pakete für ihre Kunden zu schnüren. Der Fahrer im Auto wird davon nur die Benutzeroberfläche sehen und nutzen können.

700 Experten in Berlin

Bislang war Nokia Anbieter von Karten- und Navigationsdiensten. Das Unternehmen, von 1998 bis 2012 weltgrößter Anbieter von Mobiltelefonen, hatte im Jahr 2006 das Berliner Start-up Gate5 gekauft sowie 2007 den führenden Kartenanbieter Navteq. Mitgründer von Gate5 ist Christophe Maire, der heute als einer der führenden Berliner Investoren für junge Firmen gilt. Die „Here“-Zentrale mit 700 Beschäftigten ist in der Berliner Invalidenstraße angesiedelt. Weltweit arbeiten 6000 Mitarbeiter an dem Projekt. 3000 davon sind Geografen.

Mit der neuen Software kommt zu den Navigationsdiensten der Cloud-Service dazu, der sie untereinander und mit dem Internet vernetzt. Und davon profitiert der Fahrer. Kommunikationszentrale ist die Anwendung „Here Auto“. Sie beinhaltet die erste fest in Fahrzeuge eingebaute Navigationslösung des Unternehmens – sprachgeführt, mit 2- und 3D-Ansicht, Satelliten- und Straßenbildern (vergleichbar mit Google Streetview). Autohersteller können soziale Netzwerke wie Facebook und den Geolocationdienst Foursqaure oder Musikstreamingdienste wie Nokia Music in „Here Auto“ integrieren.

Smartphone-App zeigt Tankfüllung an

Möglich ist ferner, die Fahrzeugelektronik samt aller Sensoren mit „Here Auto“ zu verbinden. An dieser Stelle kommt das Programm „Auto Companion“ ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine Internet- und Smarthone-App, die es dem Autohalter ermöglicht, aus der Ferne auf sein Auto zuzugreifen. Favorisierte Orte oder geplante Routen aus der Kartenanwendung „Here Maps“ können über alle Geräte hinweg synchronisiert werden und stehen dann bei der nächsten Fahrt auch im Auto zur Verfügung, ohne dass die Ziele neu eingegeben werden müssen.

Die App zeigt auch Fahrzeugdaten wie den Füllstand des Tanks und der Scheibenwaschanlage oder den Reifendruck auf dem Smartphone an. Sie informiert, ob die Scheinwerfer ausgeschaltet und die Fenster geschlossen sind. Mit dem Programm „LiveSight“ sieht der Autofahrer auf dem Smartphonebildschirm zum Beispiel im Parkhaus, wo er sein Auto abgestellt hat. Dieses Programm wird zunächst für Smartpohones mit Android- und Windows-Betriebssystem verfügbar sein.

Verkehrsinformationen in Echtzeit

Der Dienst „Auto Cloud“ liefert dem Fahrer zudem unterwegs per Internet Verkehrsinformationen in Echtzeit: Staus, Baustellen und Sperrungen ebenso wie Informationen über Restaurants, freie Parkplätze, billige Tankstellen oder Ladestationen für Elektroautos an der Strecke. Die Informationen werden in die Navigation hineingerechnet, die dem Fahrer die schnellste Strecke anzeigt.

Solche Echtzeit-Verkehrsinformationen sind an die Stelle von langsamen Nachrichten der Staumeldezentralen (TMC) getreten. Dazu werden anonymisierte Daten von Navis und Smartphones anderer Nutzer über Mobilfunknetze an die Rechner von „Nokia Here“ übertragen. Dort errechnet ein neu entwickeltes Programm namens „Halo“ aus den übermittelten GPS-Koordinaten in Sekundenbruchteilen, wo der Verkehr fließt oder steht und welches die schnellste Verbindung ist.

Basis-Navigation auch im Internet-Funkloch

Kartendienste und Navigation funktionieren im Programm „Here Auto“ auch ohne Internet. Zusatzdienste für aktuelle Routeninformationen sowie der Zugriff auf soziale Netze erfordern jedoch eine Internetverbindung. Sie kann je nach Angebot des Autoherstellers über eine im Auto eingebaute SIM-Karte hergestellt werden oder durch eine drahtlose Datenverbindung zwischen Auto und Smartphone des Fahrers.

„Here“ ist so konzipiert, dass der Nutzer von dem ganzen Programmpaket nur die Benutzeroberfläche in seinem Auto und auf seinem Smartphone-Bildschirm sieht. In welchen Fahrzeugen die neue Kommunikationssoftware eingebaut wird, ist noch geheim. „Wir sind in Verhandlungen mit vielen Herstellern“, sagt Social-Media-Manager Pino Bonetti. Das gesamte Angebot soll erstmalig auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) vom 10. September an in Frankfurt/Main vorgestellt werden. Dort will Nokia auch bekannt geben, welche Autohersteller das Paket anbieten werden.

„Connected Driving“ wird Kaufkriterium

„Here Auto ermöglicht den Autoherstellern Innovationen“, sagt Bonetti und zitiert eine Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner. „Bis zum Jahr 2016 wird die Mehrheit der Verbraucher in entwickelten Märkten beim Kauf eines Neuwagens den Internetzugang eines Autos zum Schlüsselkriterium machen“, heißt es dort. Das mit dem Web vernetzte Auto werde Teil des digitalen Lebensstils werden. Entwickelte Märkte sind Industrieländer, wo vor allem technisch ausgereifte Autos verkauft werden.

Der Nokia-Kartendienst „Maps for Live“ ist für mehr als 190 Länder verfügbar. Sprachgeführte Navigation bietet Nokia für 95 Länder an. Echtzeit-Verkehrsinformationen bringen Autofahrer in 34 Ländern schnell an ihr Ziel.