Rocket Internet

Das sehr große Börsenspiel der Gebrüder Samwer

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Björn Hartmann

Foto: Rocket Internet

Eine Woche nach Zalando drängt die nächste Berliner Firma, Rocket Internet, aufs Börsenparkett. Das macht drei Gründer zu Milliardären. Angefangen haben sie in Kreuzberg mit einer Ebay-Kopie.

Vom Gründer zum Milliardär – diese Geschichte hat Berlin bisher eher selten erlebt: Jetzt wird sie sogar dreifach geschrieben. Die Brüder Alexander, Marc und Oliver Samwer schicken sich an, mit zwei Börsengängen in die Gruppe der Superreichen aufzusteigen. Der Firmenentwickler Rocket Internet, an dem sie die Mehrheit halten, soll noch in diesem Jahr an die Börse gehen. Vergangene Woche kündigte bereits der Onlinehändler Zalando diesen Schritt an, auch an ihm sind die Samwers umfangreich beteiligt.

Die Samwers haben Rocket Internet vor sieben Jahren gegründet. Das Unternehmen ist an zahlreichen Neugründungen beteiligt – Online-Möbelhändler, Essenslieferdienste, Internetmodehändler und Zahlungsabwickler. Sie sind im Schnitt zwei Jahre alt und in rund 100 Ländern tätig und beschäftigen weltweit mehr als 20.000 Mitarbeiter. „Wir sind überzeugt, dass das Internet das Leben der Menschen grundlegend verändern wird, vor allem in den Schwellenländern“, sagte Oliver Samwer.

Großfabrik der Firmen

Rocket Internet hat einen Baukasten entwickelt, nach dem Unternehmen gegründet, an den Markt gebracht und vergrößert werden. Eine Art Großfabrik für Firmen – einheitliche Abläufe, einheitliche technische Basis. Darauf können alle frisch gegründeten Firmen zurückgreifen. Samwer setzt auf die Effizienz der Massenproduktion: „Im globalen Markt gewinnt die Plattform“, sagte Samwer in einer Telefonkonferenz. Menschen bräuchten überall die gleichen Dinge: Mode, Lebensmittel, Kredite. Diese Grundbedürfnisse wolle Rocket Internet erfüllen. Hinter der Firma stehe ein „Bier-und-Burger-Modell“. Das ist vor allem effizient.

Kritiker behaupten, die Samwer-Brüder könnten vor allem eins: kopieren. So fingen sie 1999 mit Alando, einer Kopie von Ebay für den deutschen Markt, in der Blücherstraße in Kreuzberg an. So war es bei CityDeal, einer deutschen Version des Schnäppchenportals Groupon. Auch der Onlinehändler Zalando, den sie 2009 mitgründeten und in der Folge groß machten, war ursprünglich eine Kopie des US-Schuhanbieters Zappos. Manchmal lässt sich die Kopie auch sehr schnell sehr gewinnbringend ans Original verkaufen wie bei Alando (1999, nach sechs Monaten) und CityDeal (2010, nach sechs Monaten). Doch kopieren ist das eine, die Kopie erfolgreich machen, das andere.

Größte Internetplattform der Welt

Dabei setzt Rocket Internet auf aufstrebende Märkte vor allem in Schwellenländern, Märkte, die für aufstrebende US-Firmen zunächst nicht interessant sind, weil sie mit ihrem Heimatmarkt genug zu tun haben. So sind zum Beispiel Zalando-Kopien in Uganda und Südafrika tätig, in Brasilien und Venezuela, in Russland und Indonesien. Das Geschäft will Rocket Internet jetzt noch ausbauen. Das Ziel: Die größte Internetplattform der Welt außerhalb der USA und Chinas zu werden, wie es in großen Lettern auf der zum Börsengang rundum erneuerten Startseite des Unternehmens im Internet steht. Firmenchef Samwer neigt nicht dazu, sich kleinzumachen. Der Börsengang sei jedenfalls der nächste Schritt.

Bisher sammelten die Berliner in mehreren Runden Geld von Investoren ein. Vor allem mit Kinnevik arbeiten die Samwers zusammen, der schwedische Finanzinvestor ist an Rocket Internet und an Zalando in größerem Umfang beteiligt. Zuletzt war der Internetanbieter United Internet mit 10,4 Prozent bei den Berlinern eingestiegen und hatte dafür 435 Millionen Euro ausgegeben. Demnach wäre Rocket Internet 4,3 Milliarden Euro wert. Jetzt soll frisches Geld von der Börse kommen, über einen IPO (Initial Public Offering), wie es in der Fachsprache der Börsianer heißt. Offenbar ist geplant, 750 Millionen Euro über neu ausgegebene Aktien einzusammeln.

Berliner Nummer eins entthront

Der genaue Termin für den Börsengang steht noch nicht fest, ebenso wenig wie der Ausgabepreis der Aktien. Derzeit ist jeder der bestehenden mehr als 120.000.000 Anteilsscheine rund 35,80 Euro wert. Rocket Internet strebt an den sogenannten Entry Standard an der Frankfurter Börse, dessen Auflagen nicht so eng sind, etwa was die Berichtspflicht betrifft. Einige Beteiligungen sind offenbar noch nicht so weit, die umfangreicheren Anforderungen des geregelten Marktes zu erfüllen. In 18 bis 24 Monaten soll es aber so weit sein. Dann wäre Rocket Internet auch ein Kandidat für den MDax der mittelgroßen Werte.

Der Internethändler Zalando, dem die Samwers zu Größe verhalfen, hat vor einer Woche ebenfalls verkündet, an die Börse zu gehen. Das Unternehmen strebt in den sogenannten Prime Standard des geregelten Marktes in Frankfurt/Main und ist mit einem angepeilten Börsenwert von rund fünf Milliarden Euro auch ein Kandidat für den MDax. Rocket Internet und Zalando würden jeweils nach Börsenwert sogar Berlins Nummer eins entthronen: den Medienkonzern Axel Springer, der derzeit auf rund 4,5 Milliarden Euro kommt.

Undurchsichtiges Geflecht

Fünf Milliarden Euro sind eine hohe Bewertung für ein Unternehmen, dessen operatives Geschäft übersichtlich ist. Nach im Bundesanzeiger veröffentlichten Zahlen betrug der Umsatz von Rocket Internet im vergangenen Jahr 26 Millionen Euro. Gewinne schreibt das Unternehmen noch nicht. Das Kapital liegt eher in den Beteiligungen – und vor allem in deren Chancen. Wobei Kritiker bemängeln, das Beteiligungsgeflecht sei etwas undurchsichtig. Zuletzt kündigte das Unternehmen immerhin an, einen Teil der Onlinemodehändler unter einem Dach zu bündeln. Zalora, Dafiti, Jabong, Lamoda oder Namshi gehören künftig zur Global Fashion Group (GFG) mit Sitz im steuerlich interessanteren Luxemburg. Unklar ist bisher, ob zwei Börsengänge in dieser Größenordnung mehr oder weniger gleichzeitig überhaupt erfolgreich sein können. Zudem versucht gerade der chinesische Onlinehändler Alibaba, 23 Milliarden Dollar über einen Börsengang in New York einzusammeln. Dagegen wirken die 750 Millionen Euro, die Rocket Internet erlösen will, und jene rund 500 Millionen Euro, die Zalando nach unbestätigten Berichten einnehmen möchte, recht übersichtlich.

Das Geld aus dem Rocket-Börsengang jedenfalls ist dringend nötig: Daten von Kinnevik zufolge setzten die zehn führenden Online-Firmen von Rocket Internet 2013 zwar rund 743 Millionen Euro um, allerdings bei einem operativen Verlust von knapp 432 Millionen Euro. Ob das Investoren verprellen könnte? Oliver Samwer ist da zuversichtlich: „Es dauert, bis man die Gewinnzone erreicht. Aber wir haben einen klaren Fahrplan. Und wir sind langfristig orientiert.“ Die Altaktionäre wollen jedenfalls mindestens zwölf Monate lang keine Anteile verkaufen.