Jeder Flaneur, der an Schaufenstern vorbei schlendet und ein Smartphone in der Tasche trägt, ist für Christian Wallin ein wichtiges Zielobjekt. Der Berliner Erfinder und Gründer hat ein Programm entwickelt, das Kundenströme aufzeichnet. Und dazu benutzt er die Smartphones von Passanten, ohne dass die davon etwas ahnen.
Für Geschäftsleute sind diese Daten wertvoll. Sie können erkennen, vor welchem Schaufenster ein potenzieller Kunde wie lange stehen blieb, wie viele Smartphone-Nutzer das Geschäft betreten, wie lange sie sich im Geschäft aufhalten und wie oft sie wieder kommen.
So funktioniert die Technik: Jedes Smartphone sendet automatisch alle paar Sekunden ein Signal aus, um WLAN-Netze in seiner Umgebung aufzuspüren, mit denen es sich verbinden könnte. Dieses Signal sendet eine eindeutige Kombination aus Buchstaben und Ziffern an den WLAN-Router, sozusagen den Namen des Smartphones. Fachleute nennen diese Zeichenkombination Mac-Adresse. Diese Bezeichnung hat allerdings nichts mit den gleichnamigen Computern von Apple zu tun.
Bezeichnung des Smartphones ausgelesen
Christian Wallin hat in seinem Start-up 42reports eine Kombinaton aus Hard- und Software entwickelt, die diese Mac-Adressen ausliest, speichert und die Daten in Tabellen und Grafiken anzeigt. Dieses Paket verkauft er für 100 Euro pro Monat in der Basisversion, was zum Scannen eines bis zu 200 Quadratmeter großen Ladens ausreicht.
Der Einzelhändler kann mit dem Sensor zu jeder Zeit erkennen, wie seine Kundenströme verlaufen, ob er Stammkunden hat oder ob er bei einer Marketing-Aktion wirklich Neukunden gewinnt. Er kann auch sehen, ob seine Öffnungszeiten richtig sind oder ob Kunden außerhalb der Geschäftszeiten vor der verschlossenen Tür stehen.
Berliner Datenschutzbeauftragter hat Bedenken
Christian Wallin weiß, dass sein Marktforschungsinstrument heikel ist. Aber er versichert: „Die Daten werden wollkommen anonym erhoben. Ein Rückschluss auf eine Person ist nicht möglich.“
Der Berliner Datenschutzbeauftragte sieht das anders: „Wir betrachten diese Technologie als sehr problematisch“, sagt Joachim-Martin Mehlitz, der Sprecher der Behörde. Fraglich sei, ob es sich bei der MAC-Adresse eines technischen Geräts um ein Pseudonym oder um einen personenbezogenen Datensatz handelt und ob ein Rückschluss auf den Besitzer des Smartphones möglich sei. Sollte es sich um die Erhebung personenbezogener Daten handeln, müsste der Nutzer darauf hingewiesen werden und er hätte auch ein Widerspruchsrecht.
Schnüffelstopp für WLAN-Mülltonnen
Erst kürzlich war ein Fall in London bekannt geworden, wo High-Tech-Mülleimer auf Straßen Handydaten scannten. Das Start-up Renew wollte dort zielgerichtete Werbung auf die Smartphones der Passanten senden. Die Aktion wurde von den Behörden sofort verboten und die Datenschutzbehörde wurde eingeschaltet.
Der Gründer kam in seinem Frozen-Joghurt-Laden, den er zusammen mit zwei Freunden betreibt, auf die Idee mit den Smartphone-Scans. „Wir haben alles ausprobiert, um unseren Laden erfolgreich zu machen“, sagt er. Aber kein Marketing-Konzept zündete so richtig. Bis ihm die Sache mit den WiFi-Signalen einfiel.
Handel profitiert von WLAN-Marktforschung
Wallin sieht den Einzelhandel in einem großen Wandel und ist sicher, dass sich Händler in Zukunft mehr einfallen lassen müssen: Concept Stores, Lieferung am gleichen Tag, Online bestellen und Offline abholen (oder umgekehrt). Und er ist sicher, dass sich seine Technologie dazu eignet, um das Ladenkonzept genau auf die Kunden zuzuschneiden.
Tipp am Rande: Wer nicht will, dass sein Handy gescannt wird, sollte einfach die WLAN-Funktion seines Smartphones abschalten, so lange er sie nicht benötigt.