Die Storyfeed GmbH will die Kluft zwischen Fernseh- und Online-Werbung schließen. Dafür tüftelt das junge Team an einer Second-Screen-Anwendung. Bereits für das Konzept räumten sie viele Preise ab.

Wenn Thomas Grandoch wieder einmal einen der wichtigen Geschäftspartner zu seinem Büro leitet, dann kommt es nicht selten vor, dass sein Besuch ein wenig ins Stutzen gerät. Der Weg führt dann vorbei am Pförtner, entlang an Stellwänden und Aushängen von Studenten, hinauf in den ersten Stock des Gebäudes der Universität der Künste (UdK). Dort erwartet Besucher ein schmaler Gang, Studenten reden über Prüfungen, Seminarräume reihen sich aneinander. In Raum 119 liegt das Büro, direkt neben den Räumen des Jazz-Instituts, in dem Studierende regelmäßig proben. „Gründerinsel der UdK“, steht auf einem Schild an der Tür, hinter der Thomas Grandoch mit Marc Holtbecker und Jens Schumann an einer Technik jenseits des Vorlesungsstoffes arbeitet.

Die Wahrnehmung von Werbung, auditiv und visuell, wollen die Gründer des Berliner Start-ups Storyfeed grundlegend verändern. Ihre Idee ist zumindest technisch so komplex, dass sie nur schwierig in einen Slogan passt. Die drei Gründer haben es trotzdem gewagt: „Bridging the gap between on-air and online“, lautet der Werbespruch, der das Projekt des Berliner Start-ups begreifbar machen soll. Es geht um Fernsehwerbung und Online-Werbung, soviel vorweg. Frei übersetzt geht es den Berlinern darum, die Brücke zu bauen zwischen den klassischen TV-Werbespots, die der Zuschauer seit Jahrzehnten aus seinem Wohnzimmer gewohnt ist. Und der neuen Werbewelt des Internets, in der Banner und interaktive Inhalte um die Gunst des Konsumenten eifern.

Trend zum zweiten Endgerät

Wie das funktionieren soll, erklärt Thomas Grandoch, der es sich im lichtdurchfluteten Büro im ersten Stock der Universität der Künste auf einem Sessel bequem gemacht hat. Erst einmal aber hebt er hervor, wie groß die ganze Geschichte, an der die drei ehemaligen Studenten beinahe Tag und Nacht werkeln, seiner Ansicht nach ist. „Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist das Phänomen des ‚Second-Screen‘, also die parallele Benutzung von einem Smartphone oder einem Tablet-PC, während man Fernsehen schaut“, sagt der 29-Jährige. Das Team nutzt somit einen Trend, der sich rasant vor allem unter jüngere Fernsehzuschauern verbreitet. Laut einer aktuellen Studie nutzen bereits die Hälfte der deutschen und sogar 80 Prozent der amerikanischen Fernsehzuschauer zumindest sporadisch ein zweites Endgerät, während sie vor dem Fernseher sitzen. „Das ist auf den ersten Blick natürlich ein Aufmerksamkeitsverlust für den Fernseher und die Werbung, die dort läuft“, sagt Thomas Grandoch. Tatsächlich aber liege darin ein „großes Potenzial für Werbetreibende“, beteuert der junge Unternehmer.

Storyfeed will künftig Szenarien wie das folgende Wirklichkeit werden lassen: Der Fernsehzuschauer, sieht auf der Mattscheibe einen klassischen Werbespot, zum Beispiel für ein neues Cabrio. Noch während der kurze Werbespot im TV läuft, ruft der Nutzer eine Internetseite auf, zum Beispiel eine Nachrichtenseite. „Auf der News-Seite erscheint dann nicht irgendein Werbebanner, sondern automatisch eben die Werbung der Automarke, deren Spot gerade läuft“, sagt Grandoch. Dieses sogenannte „Cross Content Marketing“ ermögliche es, die Werbung interaktiver und spannender zu machen, sagt der Gründer. Der Konsument, der sich für ein Fahrzeug begeistert, könne zum Beispiel gleich zu dem Angebot zu einer Probefahrt weitergeleitet werden. Quasi Werbung von allen Seiten.

Finanzierung von 94.000 Euro

Es ist nicht das erste Projekt, das die beiden Nordrhein-Westfalen Thomas Grandoch und Marc Holtbecker auf die Beine gestellt haben. „Wir kennen uns schon aus der Schulzeit in Bottrop und sind daher ein eingespieltes Team“, sagt Thomas Grandoch. Die zwei Freunde haben vor der Gründung der Storyfeed GmbH im September 2012 an der Universität der Künste Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Gemeinsam haben die beiden UdK-Studenten auch an einer Diplomarbeit gearbeitet, die von den Werbern von Jung von Matt gefördert wurde.

„Damals haben wir uns gefragt, wie man Geschichten auf dem Handy erzählen kann. Und über Umwege sind wir so schließlich zu Storyfeed gekommen“, erklärt der Gründer. Im Anschluss an ihr Studium haben sie dann ein Stipendium ergattert. „Die Uni hat uns außerdem ein Büro zur Verfügung gestellt, und wir dürfen die gesamte Infrastruktur hier nutzen“, sagt Thomas Grandoch. Mit einer Finanzierung von 94.000 Euro förderte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die jungen Unternehmer für ein Jahr mit dem EXIST-Gründerstipendium, das Firmengründer aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterstützt. Jens Schumann, der an der Filmakademie in Ludwigsburg in Baden-Württemberg, stieß später zu den beiden.

Berliner sind bereits mit TV-Sendern im Gespräch

Sogenannte Second-Screen-Anwendungen gibt es inzwischen viele in den Apps-Stores von Apple und Android. Die wohl bekannteste trägt den Namen „Couchfunk“: Sie ermöglicht es den Nutzern, Fernsehsendungen und Serien, die live im Fernsehen laufen, in der Gemeinschaft zu kommentieren. Dahinter steht die Idee der Community oder der Gedanke des sozialen Netzes. Dem Team um Thomas Grandoch geht es um etwas anderes. „Wir fassen den Begriff weiter und wollen den Werbern im Fernsehen ein neues Werkzeug an die Hand geben, um den Effekt ihrer Werbung zu verstärken“, sagt der 29-Jährige.

Derzeit sind die Berliner mit etwa einem Dutzend TV-Sendern und Online-Vermarktern im Gespräch, die sich für ihre Technologie interessieren. „Kerntechnologie ist letztlich unsere sogenannte TV-Infobase, eine Datenbank, die in Echtzeit alle Informationen aus dem Live-Fernsehprogramm extrahiert“, erklärt Grandoch. Ähnlich wie Apps, die Musik und Liedtitel erkennen, gleicht die Datenbank das Internetverhalten der Anwender mit den Werbespots auf dem Fernseher ab. „Im Grunde ist es eine Weiterentwicklung des sogenannten Online-Targetings, also dem zielgruppenorientierten Einblenden von Bannern und Werbung“, sagt der junge Unternehmer.

Storyfeed bekommt Konkurrenz aus Berlin

Mit dieser Idee rennen die drei Gründer derzeit offene Türen ein. In zahlreichen Wettbewerben konnten sie schon Preise gewinnen. Storyfeed wurde ausgezeichnet von BMWi als „Kultur- und Kreativpilot 2012“. Ebenfalls vom Förderer BMWi haben die drei Gründer den IKT Innovativpreis 2013 erhalten. Derzeit sind sie zudem Finalisten beim Businessplanwettbewerb Berlin Brandenburg im Bereich Technologie.

Noch gar nicht ausgereift bekommt Storyfeed bereits Konkurrenz, ausgerechnet aus der deutschen Hauptstadt. Die Anwendung Wywy verfolgt das gleiche Prinzip und erlaubt es Werbetreibenden, ihre Anzeigen auf einem mobilen Endgerät auszuspielen. Auch Wywy setzt auf sogenannte „integrierte Kampagnen“, die den Konsumenten tief in ihre Werbewelt hineinholen. Als Partner steht dem Konkurrenten bereits ein großer Name zur Seite: Vodafone nutzt bereits das Angebot.

Storyfeed ist nach eigenen Angaben derzeit mit mehreren großen Sendern im Gespräch. Mit wem genau, das möchte Thomas Grandoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten. Da die Finanzierung der EXIST-Förderung nun ausläuft, suchen sie jetzt nach Investoren.