Existenzgründer

Berlin trotzt dem Abwärtstrend bei Existenzgründungen

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Jürgen Stüber

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Die Gründerflaute in der deutschen Wirtschaft trifft Berlin nur schwach. Die IHK führt das auf das kreative Umfeld zurück. Ein Erfolg kommt aus einem Bezirk, wo man Start-ups nicht erwartet.

Die bundesweite Flaute bei den Existenzgründungen geht an Berlin weitgehend vorbei. Ihre Zahl sank im vergangenen Jahr bundesweit um 14 Prozentpunkte. In Berlin ging sie nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) um fünf Punkte zurück.

Das Institut zählte bundesweit nur noch 346.400 gewerbliche Existenzgründungen im vergangenen Jahr, das war der tiefste Stand seit der Wiedervereinigung. Dabei beschleunigte sich der Abwärtstrend noch in der zweiten Jahreshälfte.

Auch unter dem Strich führte das zu einem Minus: 2012 wurden 24.100 Firmen mehr aufgelöst, als neu an den Start gingen. Bezogen auf die Hauptstadt sieht die Lage besser aus: Wurden im Jahr 2011 noch 31.083 Existenzgründungen registriert, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 29.500.

Problematischer als die Zahlen sehen die Experten die mangelnden Perspektiven vieler Existenzgründuner. Vor allem Solo-Gründer aus dem Dienstleistungssektor kommen ohne klare Geschäftsidee und Zielgruppe zu den Beratungsstellen der Industrie- und Handelskammern (IHK), sagte Marc Evers vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Das dritte Nagelstudio in der Straße ist nicht innovativ

Das Scheitern sei dann häufig programmiert. Zwar gelte: „Auch ein Nagelstudio ist innovativ, wenn es am Ort noch kein Nagelstudio gibt. Aber das dritte Nagelstudio in der Straße ist dann eben nur noch begrenzt innovativ.“

Vielversprechende Ideen aus Zukunftsbranchen wie Biotechnologie, Medizintechnik oder IT seien dagegen rar gesät: „Gerade einmal sechs Prozent aller Existenzgründungen sind dem Hightech-Bereich zuzuordnen. Das sei sehr wenig“, sagte Evers.

Ein Grund für die Flaute dürfte auch sein, dass Arbeitslose seit Anfang 2012 keinen Rechtsanspruch mehr auf einen Gründerzuschuss von der Bundesagentur für Arbeit haben. „Wenn wir in Zukunft einen starken Mittelstand haben wollen, brauchen wir Existenzgründungen, die nicht nur aus der Not geboren sind, sondern auch aus Pioniergeist.“

Für Berlin scheint die Lage besser, wenn man die am Freitag von der IHK präsentierten Zahlen der Gewerbeanmeldungen betrachtet. Danach wurden mit 44.100 Betrieben im Jahr 2012 in Berlin fast ebenso viele Unternehmen gegründet wie im Vorjahr (44.300). Die IHK interpretiert diesen Trend mit dem „kreativen Umfeld in der Stadt, der aktiven Start-up-Szene und der wachsenden Internationalität Berlins“.

Europäische Unternehmer kommen nach Berlin

Auch die Krise in anderen europäischen Ländern veranlasst viele Unternehmer, sich in Berlin anzusiedeln. Hier sieht sie Nachholbedarf, um ihre Attraktivität als Gründerstadt zu steigern. „Die Sprachbarrieren beim Umgang mit Behörden im Gründungsprozess stellen Hürden da“, so Christian Wiesenhütter, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK.

Die Kammer baut deshalb ihr fremdsprachiges Beratungsangebot aus. So wurde eine englischsprachige Gründerbroschüre aufgelegt. Gründer im Gastronomiebereich können das Merkblatt „Operation of a Catering Establishment“ bei www.ihk-berlin.de herunterladen. Ferner ist die Veranstaltung Crowdlounge geplant.

Eine gute Nachricht kommt aus dem Berliner Südwesten. Dort haben sich seit 1998 insgesamt 150 Unternehmen aus den Forschungseinrichtungen ausgegründet, wie das Bezirksamt mitteilt.

Von ihnen haben 129 Unternehmen über 1000 Arbeitsplätze geschaffen. 70 Prozent der Ausgründungen sind aus der Freien Universität hervorgegangen. Schwerpunkte sind die Branchen Life Science, Medizin und Biotechnologie (23 Prozent), IT und Software (21 Prozent) sowie Werkstoffe, Material und Optik (9 Prozent).

( mit dpa )