Mit Kritik muss Eva Missling leben. Schon drei Wochen nach Start ihres Internetportals erhielten sie und ihre Mitarbeiter wütende E-Mails und Nachrichten, weil ihr Angebot 12Designer den Markt durcheinanderwirbelte. „Die Leute haben uns vorgeworfen, dass wir die Preise kaputt machen“, sagt die 38-Jährige. Die Gründerin und Geschäftsführerin der digitalen Marktbörse für Logos, Webdesign und allerlei kreative Dienstleistungen sitzt an einem riesigen Konferenztisch. Hinter den großen Fenstern fließt die Spree, der Blick fällt rüber zur Oberbaumbrücke. Eva Missling scrollt durch die Angebote und Design-Entwürfe, die der Bildschirm ihres Laptops zeigt. „Was das ganze Projekt doch vor allem transparent macht, ist, dass es sehr viele tolle Designer gibt – und dass es offenbar leider nicht genug Arbeit für alle gibt“, sagt Missling.
Neue Auftraggeber
Vielen dieser Designer vermitteln Missling und die neun Mitarbeiterinnen – in dem jungen Unternehmen arbeiten ausschließlich Frauen – neue Jobs und Auftraggeber. Das Prinzip ist einfach: Unternehmer, Gastronomen oder zum Beispiel Webseiten-Betreiber, die nach einem neuen Logo für ihr Projekt suchen, melden sich auf bei dem Portal an und schreiben eine möglichst detaillierte Beschreibung ihrer Ansprüche. Daraufhin streiten meist ein paar Dutzend Designern in den Wettbewerb miteinander, der in der Regel etwa zehn Tage dauert. Den Preis legt der Auftraggeber selbst fest.
„Wir haben eine Mindestgrenze von 200 Euro für Logos eingeführt“, sagt Missling. Im Schnitt verkaufen die Macher ihre Arbeiten für 299 Euro. Im Vergleich zu großen Agenturen, die für ein Logo gewöhnlich mehrere Tausend Euro verlangen, sind das Kampfpreise. „Unser Angebot richtet sich aber vor allem an kleinere Kunden, die Wert auf einen guten Preis legen“, erklärt die Geschäftsführerin. Und das Honorar der Kreativen, sagt Missling, falle auch deshalb „verhältnismäßig gering aus, weil vieles, was Zeit und Geld kostet, wie die Kunden-Akquise und die ersten Entwürfe, bei unserem Portal wegfällt“.
Seit 2008 mehr als 4600 Wettbewerbe
12Designer stößt bei Auftraggebern und Designern jedenfalls auf große Resonanz. Seit dem Start 2008 schrieb das Portal allein mehr als 4600 Logo-Wettbewerbe aus, bei denen sich ein Sieger durchsetzte. Der Kampf derweil ist hart, es gilt der Grundsatz, dass der Sieger alles nimmt – nur sehr selten entscheidet sich der Auftraggeber für mehr als ein Produkt.
Mittlerweile ist das junge Unternehmen nicht nur aus dem Wedding in die Schlesische Straße in Kreuzberg gezogen, sondern hat auch die Palette an Angeboten stark erweitert: Nicht nur an Logos, auch etwa an Klängen für Computerspiele, Slogans, Flyern, Apps, Buchcovern und Infografiken werkeln die rund 26.000 registrierten Designer. „Für einen Mindestpreis von 100 Euro haben wir auch Wettbewerbe ausgeschrieben, die eine Namensfindung etwa für eine neue Firma zum Ziel haben“, sagt die Gründerin.
Am Anfang, im Jahr 2007, als Missling das Portal gründete, konkurrierten nur zwölf Designer um den Zuschlag. Die Begrenzung ist passé, übrig geblieben ist nur der Name, ansonsten hat sich viel verändert. Die studierte Wirtschaftsingenieurin arbeitete nach dem Studium für verschiedene Werbeagenturen. „Dort ist mir immer wieder aufgefallen, dass es einen Haufen von Kunden gibt, die weniger komplexe Projekte planen und auch Zusatzleistungen wie Beratung verzichten können“, sagt Missling.
Der Ursprung des Portals geht zurück auf kleine Design-Wettbewerbe, die Missling im Netz veranstaltete. Das lief wie eine Art Photoshop-Ping-Pong, sagt Missling. Es war also ein schneller Austausch von Logos und Designs im Internet. „Irgendwann habe ich gemerkt: verdammt, das ist ja ein Businessmodel!“ 12Designer finanziert sich über Gebühren, die Auftraggeber für jeden Wettbewerb bezahlen: 32 Euro kostet ein Standard-Projekt.
Pendant in Australien
Die Firma bedient inzwischen Kunden weltweit. Vor allem seitdem das Berliner Unternehmen mit dem größeren australischen Pendant-Portal 99Designs, für das 70 Mitarbeiter arbeiten, fusionierte. Im Büroraum in Kreuzberg sitzen sieben junge Frauen um einen einzigen großen Schreibtisch. Die Mitarbeiterinnen kontrollieren die Aufträge, die eingehen, auf die wichtigsten Informationen, telefonieren mit Kunden, sprechen Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch.
Die Mitarbeiterin Eva Köster sitzt vor zwei Computerbildschirmen und klickt sich durch die neuen Wettbewerbe. Gesucht werden zum Beispiel ein Logo für ein Massage-Studio, für einen Büromöbelversand, oder ein Name für ein Wind-Energie-Unternehmen. „Knapp die Hälfte der Aufträge kommt aus Deutschland“, sagt die Mitarbeiterin.
Ihre Chefin, Eva Missling, betont, dass die Plattform auch häufig der Startpunkt für eine längere Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Unternehmern darstellt. Sie erstaunt immer wieder wie viele abwegige Start-ups es im Netz gibt, die offenbar auf die Kreativität der Anderen angewiesen sind: Ein Logo für einen Aquarienpflanzen-Shop zum Beispiel oder ein neu gegründetes Windelportal, der Name für Handstrickgarne oder für eine Barbecue-Grillgewürz-Serie. Auch prominente Kundschaft gab es bereits, sagt Missling. Der amerikanische Singer-Songwriter Bon Iver startete beim australischen Schwester-Firma einen Wettbewerb, um so an ein neues Tattoo-Design zu gelangen. Ein Italiener machte das Rennen – und verdiente 299 Dollar.