Das Emirat Abu Dhabi werden die rot-weißen Flieger in Zukunft häufiger ansteuern. Die schwer angeschlagene Air Berlin baut ihre Flüge an den Golf aus. Da scheint auch die Zukunft des Unternehmens zu liegen. Zum dritten Mal verschafft sich Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft neue Luft mit Geld von Großaktionär Etihad. Aber was hat Etihad überhaupt mit Air Berlin vor? Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer sieht weiter eine Zukunft – präsentiert aber kein Konzept.
Wie schlimm steht es um Air Berlin?
Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft steckt tief in den roten Zahlen – und das mit einer von Etihad beförderten Ausnahme seit sechs Jahren. 2013 stehen unter dem Strich ein Minus von rund 316 Millionen Euro und Schulden von 796 Millionen Euro. Aus eigener Kraft kommt Air Berlin da nicht heraus, das lässt inzwischen Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer durchblicken. „Das ist schon eine Bilanzsituation, die zum Handeln zwingt“, räumt auch Finanzchef Ulf Hüttmeyer ein.
Warum geht es der Fluggesellschaft so schlecht?
Als größtes Problem gilt das Geschäftsmodell irgendwo zwischen Billigflieger und etablierter Airline wie Lufthansa oder British Airways. Air Berlin bringt Urlauber für Reiseveranstalter nach Mallorca, aber auch Geschäftsleute nach London. Dazu kommen Zubringer zum Etihad-Drehkreuz in Abu Dhabi und die Kooperation im Bündnis Oneworld. Vor allem ist Air Berlin auf hart umkämpften Strecken innerhalb Europas und ans Mittelmeer unterwegs, wo selbst Platzhirsch Lufthansa um schwarze Zahlen kämpft. Den Takt bestimmen Billigflieger wie Ryanair und Easyjet, mit deren Preisen Air Berlin nicht mithalten kann – und es angesichts des Service-Anspruchs auch nicht will. Prock-Schauer würde lieber so viel verlangen wie die Lufthansa.
Welche Möglichkeiten hat Air Berlin?
Sparen, sparen, sparen, das ist schon seit Jahren die oberste Maxime. Strecken wurden gestrichen, Flugzeuge verkauft, 600 Stellen abgebaut. All das reiche aber nicht für den Weg zurück in die Gewinnzone, räumt Prock-Schauer ein. Noch mehr Strecken streichen will er nicht. Neuen Stellenabbau schließt er aber nicht aus.
Wirft Air Berlin dann das Geschäftsmodell um?
Damit tut sich die Airline schwer. „Alle Teile unseres Geschäfts sind sehr wertvoll“, sagt Prock-Schauer. Damit aber verdient das Unternehmen seit Jahren faktisch kein Geld. „Wir wollen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass wir einfach so weitermachen wie bisher“, sagt Prock-Schauer. Was sich ändern könnte, will er erst später verraten. Dass Air Berlin etwa die Touristik-Sparte oder Zubringerflüge für Etihad aufgibt, gilt als unwahrscheinlich.
Was bleibt dann?
Air Berlin versucht, sich auf verschiedenen Wegen Geld zu verschaffen und Zeit zu gewinnen. Einerseits wollen sie über eine Anleihe mindestens 150 Millionen Euro flüssig machen. Vor allem aber springt die arabische Fluggesellschaft Etihad mal wieder in die Bresche.
Wie weit darf Etihad helfen?
Die Airline aus Abu Dhabi ist derzeit mit 29,2 Prozent an Air Berlin beteiligt. Einfach aufzustocken ist nach Ansicht von Luftverkehrsrechtler Elmar Giemulla problematisch. Denn sobald eine europäische Airline nicht mehr mehrheitlich in europäischer Hand sei, verliere sie wichtige Start- und Landerechte. Die Araber dürfen maximal 49,9 Prozent besitzen, wenn sie den Zugang auf den europäischen Markt nicht riskieren wollen. Bei mehr als 30 Prozent müssen sie allerdings ein Übernahmeangebot für das ganze Unternehmen abgeben.
Wie können die Araber Air Berlin trotzdem Geld geben?
Die Fluggesellschaften umgehen das Problem mit einer Wandelanleihe. Etihad gibt Air Berlin 300 Millionen Euro – und kann dieses Geld später in neue Aktien umtauschen. Air Berlin zahlt im Gegenzug 8 Prozent Zinsen, also 24 Millionen Euro im Jahr – oder lässt sich die Zinsen als zusätzliche Schulden anschreiben. Die Stimmrechte verschieben sich nicht. „Bis zum Zeitpunkt der Wandlung hat das keine Auswirkungen auf die Gesellschafterstruktur“, sagt Hüttmeyer.
Was passiert, wenn Etihad die Anleihe in Aktien umtauscht?
Dann besäßen sie nach derzeitigem Kurs etwa 70 Prozent der Air-Berlin-Aktien – und verlören schließlich doch wieder die wertvollen Verkehrsrechte der Deutschen. Es ist unwahrscheinlich, dass Etihad diese Option in absehbarer Zeit zieht.
Warum macht Etihad das mit?
Für Etihad geht es um den wichtigen europäischen Markt. „Air Berlin trägt die meisten Passagiere zu Etihads globalem Netzwerk bei“, sagt Etihad-Chef James Hogan. Mit dem Einstieg bei der deutschen Airline habe Etihad Zugriff auf mehr als 30 Millionen Passagiere bekommen. Die Araber sehen weiteres Wachstumspotenzial. Zugleich aber sind auch ihre Spielräume begrenzt. Zwar kann die Fluggesellschaft dank des Geldes der Scheichs Geduld haben. Doch auch Etihad flog im vergangenen Jahr nur 62 Millionen US-Dollar (45 Mio. Euro) Gewinn ein.
Dürfen die Airlines die EU-Regeln so umgehen?
Finanzchef Hüttmeyer spricht von einem „marktüblichen Instrument“. Er sei zuversichtlich, dass die Regelung so auch bei der EU durchgehen werde. Dort jedoch ist man aufmerksam geworden und überprüft die Mehrheitsverhältnisse der deutschen Fluggesellschaften. Denn auch wenn Etihad seine 29,2 Prozent behielte, Air Berlin durch andere Verstrickungen faktisch aber kontrolliert, gehen Rechte verloren.