Mehr Taschendiebe, weniger Schwarzfahrer, weniger Gewalttäter – das ist in Kurzform die Bilanz der Kriminalstatistik 2013 für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). 19.542 Straftaten registrierten Berliner Polizei und Bundespolizei zwischen April und Dezember 2013 in Bussen, Bahnen und im Bereich von Bahnhöfen. Wie viele Delikte es in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres gab, konnte in der am Montag veröffentlichten vorläufigen Kriminalstatistik aus technischen Gründen, wie die Polizei mitteilte, nicht aufgelistet werden. Insgesamt ist die Zahl der Straftaten im Bereich ÖPNV um zehn Prozent gestiegen.
Den Hauptanteil an der Steigerung haben die zahlreichen in Berlin aktiven Taschendiebe. 8029 Mal schlugen sie zu, gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg von 27,4 Prozent. Auch die „gewöhnlichen“ Diebe waren in Bussen und Bahnen nicht untätig. Ihre 2603 Taten stellen einen Anstieg von 26,5 Prozent dar. Die Entwicklung macht deutlich, dass alle Aufklärungs- und Überwachungsmaßnahmen bei der Bekämpfung des Taschendiebstahls nur bedingt Wirkung zeigen.
Taschendiebe oft Kinder
Dabei sind Bemühungen um eine Eindämmung dieser Straftaten durchaus vorhanden. Polizei und Verkehrsbetriebe warnen unablässig vor den Tätern, auf zahlreichen Internetseiten und mittels anderer Veröffentlichungen werden Ratschläge erteilt, wie sich Fahrgäste vor den trickreichen Langfingern schützen können. Zugleich unterhalten sowohl die Berliner Polizei als auch die Bundespolizei spezielle Einheiten, die Tag für Tag im Bereich des ÖPNV auf die Jagd nach Taschendieben gehen.
Trotzdem bleiben die Erfolge bescheiden. Das liegt nach Einschätzung der Polizei unter anderem auch daran, dass es anders als bei anderen Delikten nur selten gelingt, Täter dauerhaft oder zumindest langfristig aus dem Verkehr zu ziehen. Denn der Großteil der Taschendiebe sind strafunmündige Kinder, die nach einer Festnahme dem Kindernotdienst übergeben werden, von wo sie in der Regel sofort wieder auf Diebestour gehen.
So wie bei Taschendiebstählen deutliche Steigerungen verzeichnet werden, gibt es in einem anderen Deliktbereich ebenso deutliche Rückgänge. Die Rede ist vom Schwarzfahren oder vom „Erschleichen von Leistungen“, wie es in der Amtssprache heißt. 7038 Fälle registrierte die Polizei, 1876 weniger als im Vorjahr, das ergibt einen Rückgang von 21 Prozent.
Nur wenige Schwarzfahrer werden angezeigt
Nirgendwo allerdings ist die Kriminalstatistik so wenig aussagekräftig wie bei Schwarzfahrern. Denn von der Polizei erfasst werden nur die Fälle, die von den Verkehrsbetrieben zur Anzeige gebracht werden. Und das ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Schwarzfahrer, die in Berlin in Bussen und Bahnen unterwegs sind. Strafanzeige erstatten die Verkehrsbetriebe in der Regel nur bei notorischen Schwarzfahrern, die häufiger erwischt wurden. Und vielfach auch bei den Ertappten, die ihre 40 Euro „erhöhtes Beförderungsentgelt“ nicht zahlen.
Mehr als 500.000 Schwarzfahrer wurden im vergangenen Jahr in Bussen und Bahnen in Berlin erwischt. Das teilten BVG und S-Bahn erst vor wenigen Tagen mit. Mehr als eine halbe Million Straftaten innerhalb eines Jahres – damit liegen Schwarzfahrer mit riesigem Abstand an der Spitze aller Täter im Bereich des ÖPNV. Und auch diese Zahl gibt nur das Ausmaß der erfassten Taten wieder.
Immerhin sind mehrere Millionen Fahrgäste Tag für Tag in Berlin in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, drei bis vier Prozent davon nach seriösen Schätzungen der Verkehrsbetriebe ohne Fahrschein. Der Schaden, den sie anrichten, ist immens. Die BVG spricht von 20 Millionen, die S-Bahn GmbH von 15 Millionen Euro.
Zahl der Kontrolleure gestiegen
Die Verkehrsbetriebe haben ihr Kontrollpersonal entsprechend ausgebaut. Für die BVG sind nach Angaben von Unternehmenssprecher Markus Falkner 120 Kontrolleure unterwegs, demnächst ist eine Aufstockung um weitere 20 Mitarbeiter geplant. Die S-Bahn GmbH beschäftigt zurzeit 72 Kontrolleure und plant ebenfalls weitere Einstellungen.
Polizeipräsident Klaus Kandt geht daher davon aus, dass sich die Aufstockung der Kontrolleure in naher Zukunft auch bei den Zahlen der Kriminalstatistik bemerkbar machen wird. Er rechne mit einem deutlichen Anstieg der Zahlen in diesem Jahr, sagte Kandt. Und das ist mal ein Anstieg, der dem Polizeichef Freude bereitet. Denn Schwarzfahren ist ein reines Kontrolldelikt, je mehr Kontrollen, desto mehr Täter werden erwischt. Nicht nur für die Polizei, auch für die Verkehrsbetriebe ist das eine positive Entwicklung.
Positiv bewerten BVG und Polizei auch den Rückgang bei Gewaltdelikten im ÖPNV. Körperverletzungen, Raubüberfälle, Bedrohungen und Nötigungen summierten sich 2013 auf 4265 Fälle. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang von „nur“ 1,7 Prozent, im Vergleich zu 2011 haben sich diese Zahlen allerdings nahezu halbiert. 2011, das war das Jahr, in dem innerhalb kurzer Zeit besonders brutale Vorfälle für öffentliche Aufregung sorgten. Im Bahnhof Friedrichstraße wurden Passanten von völlig enthemmten Gewalttätern fast zu Tode geprügelt, am Kaiserdamm hetzten zwei Gewalttäter einen 18-Jährigen durch den ganzen U-Bahnhof. Das Opfer floh in Panik auf die Straße, wurde von einem Auto erfasst und tödlich verletzt.
BVG hat bei der Technik massiv aufgerüstet
Die unfassbare Brutalität, die bei diesen Taten zum Ausdruck kam, und die öffentliche Reaktion haben vor allem die BVG veranlasst, in puncto Sicherheit sowohl beim Personal als auch bei der Technik massiv aufzurüsten. Bis zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die BVG 50 eigene Sicherheitsmitarbeiter und 60 Bedienstete einer privaten Sicherheitsfirma. Heute sind es nach Angaben von BVG-Sprecher Falkner 100 eigene und 96 externe Mitarbeiter, die täglich im Einsatz sind.
Auch die technische Überwachung wurde deutlich ausgebaut. In Berlins U-Bahnhöfen sind derzeit 1800 Überwachungskameras aktiv, gegenüber dem Jahr 2006 hat sich ihre Zahl verdoppelt. Kameras befinden sich Falkner zufolge auch in allen U-Bahnen, in 85 Prozent aller Linienbusse und 60 Prozent aller Straßenbahnen. Auch bei Bussen und Bahnen sollten schnellstmöglich 100 Prozent erreicht werden, jedes neu angeschaffte Fahrzeug enthalte eine Kamera, sagte Falkner.
Videokameras allein verhinderten zwar keine Straftaten, seien für die Polizei aber überaus hilfreich, sagte deren Sprecher Stefan Redlich. Gerade in den vergangenen Jahren habe man viele Gewaltdelikte im Bereich des ÖPNV durch die Sichtung der Überwachungsbänder aufklären können.