Drogenhandel

Zoll entdeckt größte Menge Rohopium seit zehn Jahren

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Peter Oldenburger

Foto: Maurizio Gambarini / dpa

An der deutsch-polnischen Grenze wurden 228 Kilogramm Opium gefunden. Wert: rund 5,7 Millionen Euro. Ziel des Transports war wohl Berlin oder das Umland. Dort sollte das Rauschgift verarbeitet werden.

Die Entdeckung einer so großen Drogenmenge war selbst für den erfahrenen Zollbeamten ein Ereignis. „Das war schon überwältigend, als die ersten Opiumplatten ans Licht kamen“, sagt Jens Bathke vom Hauptzollamt Stralsund.

Der Zollamtsinspektor hatte vergangene Woche an der Autobahn A11 die Kontrolle geleitet, die dazu führte, dass rund zwei Millionen Konsumportionen Heroin dem Markt entzogen wurden.

Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Drogen letztlich in Berlin verkauft worden wären, ist nicht gering. „Die Vermutung, dass diese Ladung für die Region Berlin bestimmt war, dürfte nicht falsch sein“, formulierte Zollkriminalamtssprecher Wolfgang Schmitz am Donnerstag in Berlin vorsichtig. Genaueres werde die zweite Vernehmung des Lkw-Fahrers erbringen, der die Rekordmenge von 228 Kilogramm Rohopium über die polnische Grenze eingeschleust habe, so Schmitz.

Versteck im Lkw

Eine nicht einmal annähernd große Opium-Menge konnte zuletzt in Deutschland vor zehn Jahren beschlagnahmt werden. 2003 war der Zoll im Raum Nürnberg auf 75 Kilogramm Rohopium in einem Lkw gestoßen, der die Balkan-Route benutzt hatte.

Nach Angaben des Zollkriminalamts sind in den Jahren von 2009 bis 2012 bundesweit insgesamt 231 Kilo Opiate sichergestellt worden, gerade drei Kilogramm mehr als der aktuelle Opiumfund vom 27. November bei Pomellen (Mecklenburg-Vorpommern).

Auffällig waren neuwertige Spriegelbretter

Bathkes Kontrollteam hatte den sprichwörtlichen richtigen Riecher. Der aus der Türkei stammende Lkw war unbeladen, auffällig waren die neuwertigen Spriegelbretter (hinter der Plane, ganz im Gegensatz zum betagten Fahrzeug und dem Aufbau.

Die Zollfahnder entschlossen sich, den Lastwagen samt Unterbau genauer zu untersuchen. Denn Hohlräume wie Luftdruckkessel oder Reservereifen seien typische Verstecke. Der Grundstoff für die Droge Heroin kam indes durch die mobile Röntgenanlage der Zöllner im Aufbau des Fahrzeugs ans Licht.

In eigens dafür ausgehöhlten Brettern hatten die Rauschgiftschmuggler das Opium verborgen. Die dunkelbraune Masse war in Plastikfolie verpackt und zu etwa 50 Zentimeter langen, acht Zentimeter breiten Platten geformt worden, bevor diese in die passend ausgefrästen Spriegelbretter gesteckt wurden.

„Die Oberkante der Bretter wurden dann auf die gefüllten Unterteile geleimt“, erzählt Jens Bathke. Insgesamt 200 Opium-Pakete mit jeweils mehr als einem Kilogramm Gewicht zogen die Zollbeamten nach und nach aus den präparierten Brettern.

Türkischer Lkw-Fahrer schweigt

Der 57 Jahre alte Fahrer des Schmuggel-Lkw wurde festgenommen und befindet sich in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht Pasewalk hatte den Haftbefehl mit Fluchtgefahr begründet. Immerhin ist die begangene Straftat mit zwei bis 15 Jahren Gefängnis bedroht.

Die weiteren Ermittlungen in diesem Fall hat das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg (ZFA) übernommen, unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Über die Hintermänner des Millionen-Deals und den Bestimmungsort der Drogenladung schweigt sich der Türke bislang aus.

Doch die Sicherstellung von zwei Mobiltelefonen des Fahrers, des Navigationsgeräts und des Fahrtenschreibers bieten erste Ermittlungsansätze. So steht inzwischen fest, dass der Lastwagen von Aserbaidschan aus über die Türkei und Italien nach Polen gelangt war.

Entladen wurde der Lkw kurz vor dem Erfolg der Fahnder in der Hafenstadt Danzig, danach steuerte der Lastzug direkt die bundesdeutsche Grenze an. Da eine längere Leerfahrt unwirtschaftlich sei, liege es nahe, dass das Fahrtziel in der Region Berlin/Brandenburg oder im nördlichen Bundesgebiet gewesen sein dürfte, sagte Zollkriminalamtssprecher Schmitz.

Zwar steht die Herkunft des Opiums noch nicht fest, doch nach Einschätzung von Christian Bispinck, Leiter des ZFA Berlin-Brandenburg, spreche vieles für Afghanistan. Dort wurden in diesem Jahr zuletzt Rekordernten von Opium erzielt, das aus Schlafmohn gewonnen wird. Das Land am Hindukusch gilt als weltweit größter Opium-Erzeuger, noch vor den Staaten des „Goldenen Dreiecks“ in Südostasien.

Bis zu 150 Kilogramm Heroin

Aus dem jetzt beschlagnahmten Rohopium hätten nach chemischen Umwandlungsprozessen etwa 32,5 Kilogramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 60 Prozent hergestellt werden können. Nach dem üblichen Strecken auf die fünf- bis sechsfache Menge wären bis zu 150 Kilogramm Heroin für den Straßenhandel entstanden. Den Drogendealern würde diese Menge nach Angaben der Zollfahndung einen Verkaufswert von rund 5,7 Millionen Euro bringen.

Angesichts dieser Zahlen ist nachvollziehbar, dass Hartmut Koschyk, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesfinanzministerium, den Fund als „bedeutenden Erfolg des Zolls gegen den international organisierten Rauschgiftschmuggel“ bezeichnete.

Die typischen Werkstätten zur Umwandlung von Opium in Heroin liegen laut Zollkriminalamt zumeist in der Türkei. Nach den Gründen gefragt, weshalb die Schmuggler das Opium in Rohform und nicht als fertiges Heroin nach Deutschland eingeschleust hätten, mutmaßte Staatssekretär Koschyk, die Täter hätten wohl stärker Einfluss auf die Gewinnmarge nehmen wollen.