Ein Hauch von Mittelalter umweht das Gate in Berlin-Tegel, als die Maschine des Flugs LH 2034 aus Rom via München auf dem Rollfeld zum Stehen kommt. Der prominente Fluggast, Erzbischof, vorgeschriebene Anrede „Exzellenz“, mag schon vor Wochen von Franziskus zum neuen päpstlichen Botschafter in Deutschland ernannt worden sein. Er mag schon länger auf der Homepage seiner neuen Diplomatenbehörde firmieren. Aber, da legt die Kirche Wert auf jahrhundertealte Amtsvorstellungen, sein Job beginnt erst in dem Moment, in dem er einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat. Erst im Augenblick der körperlichen Anwesenheit wird der Apostolische Nuntius in Deutschland Nikola Eterović Wirklichkeit. Also am Donnerstagvormittag. Und zwar mit einer Viertelstunde Verspätung.
Der Mann, der in den nächsten Jahren die Geschicke der katholischen Kirche in Deutschland mitlenken wird, kommt mit leeren Händen. Koffer und Taschen trägt man auf dieser Hierarchieebene nicht mehr. Männer im schwarzen Anzug und Priesterkragen bilden seinen kleinen Tross, während Eterović im schwarzen Mantel, das Brustkreuz in der Jackettinnentasche verstaut, den langen Weg zur VIP-Lounge des Flughafens hinter sich bringt. Wartende Reisende fotografieren ihn, wahrscheinlich ohne zu wissen, wer er ist. In Deutschland ist Eterović ein unbeschriebenes Blatt. Es gehört auch nicht zu den Aufgaben eines Nuntius, auf der Straße erkannt zu werden.
Ein Nuntius ist eine Art Diplomat des Vatikan
Der 62 Jahre alte Kroate Eterović folgt dem Schweizer Jean-Claude Périsset nach als Franziskus’ Auge in Deutschland und seine Stimme. Ein Nuntius hat eigentlich zwei Jobs. Er vertritt den Papst gegenüber den weltlichen Behörden der Bundesrepublik. Dabei genießt er einen Ehrenvorrang vor den übrigen Botschaftern und ist Doyen des Diplomatischen Corps. Er wahrt die Interessen des Vatikans aber auch gegenüber den kirchlichen Einrichtungen, also vor allem den Bistümern. In dieser Rolle wird er in den nächsten Jahren besonders einflussreich sein. Denn der Nuntius ist Herr über das Auswahlverfahren für neue Bischöfe. Und von denen werden in Deutschland derzeit so viele gebraucht wie lange nicht mehr.
Selbst wenn Limburgs Bischof in sein Amt zurückkehren könnte, was schwer vorstellbar ist. In drei Bistümern ist der Chefposten vakant. In einigen weiteren stehen Generationenwechsel bevor, darunter in Köln, in einem der wichtigsten Bistümer, das die Kirche zu vergeben hat. Und die Nuntiatur ist der Flaschenhals, den jeder passieren muss, um im Vatikan überhaupt als Kandidat mitgezählt zu werden. Es empfiehlt sich also für ambitionierte Priester, mit Erzbischof Eterović auf gutem Fuß zu stehen.
Eterović spricht zahlreiche Sprachen
Exzellenz werden willkommen geheißen. Kardinal Rainer Maria Woelki ist in die VIP-Lounge des Flughafens gekommen. Die Deutsche Bischofskonferenz, das Auswärtige Amt und die Botschafterkollegen haben Abordnungen geschickt. Viele Männer in dunklen Anzügen. Eterović schüttelt Hände, umfasst Oberarme, geistliche Würdenträger umarmt er. Den Smalltalk könnte er in allen möglichen Sprachen bewältigen, Russisch, Ukrainisch, Englisch, außerdem natürlich auf Kroatisch und auf Italienisch, der Amtssprache katholischer Führungskräfte. Er hat in seiner Karriere viele Nuntiaturen von innen gesehen. Heute reichen ihm Französisch – bei der Begegnung mit einem afrikanischen Diplomaten – und Deutsch, das er ebenfalls kann, seit einem zweimonatigen Sprachkurs in Passau 1977.
1995 lernte Eterović Berlin kennen
Zur Situation der Kirche in Deutschland, zum Beispiel zu Limburg, will Eterović noch nichts sagen. Er sagt nur: „Papst Franziskus hat große Sympathie für Deutschland. Er hat dort einige Zeit studiert und viele Menschen kennen gelernt.“ Franziskus habe ihm ein positives Bild von Deutschland gezeichnet, gerade auch von der Ökumene. Eterović selbst war nach seinem Sprachkurs nur noch einmal in Deutschland: 1995 organisierte er eine kirchliche Konferenz und kam dafür auch nach Berlin. „Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit kurz nach der Wiedervereinigung“, sagt Eterović. „Überall die neuen Gebäude, sowohl materiell als auch spirituell gab es viel Erneuerung.“ Auch die deutsch-polnischen Beziehungen lägen ihm seitdem am Herzen, sagt der Nuntius. Polnisch spricht er natürlich auch.
Eterović weiß, dass die Zahl der Katholiken in Deutschland zurückgeht. Er wird künftig in Neukölln wohnen, dort kann er die Diasporasituation der Kirche vor der eigenen Haustür beobachten. Aber mit schwierigen Situationen und dem Thema Kirchenferne hat Eterović Erfahrung. Anfang der Nullerjahre war er bereits Nuntius in der postsowjetischen Ukraine. Innerhalb der römischen Kurie hat er einen Sitz im päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung, der den katholischen Glauben stärker verbreiten soll. Seine Promotion schrieb Eterović im Fach Missionswissenschaften.
Der neue Nuntius berichtet von einer Aufbruchsstimmung im Vatikan
Der Nuntius spricht von Aufbruchsstimmung in Rom durch den neuen Papst. „Alles ist sehr positiv. Er ist sehr pastoral, hat direkte Kontakte zu den Gläubigen und auch zu den Mitarbeitern der Kurie. Ich selbst hatte auch schon verschiedene Begegnungen mit dem Heiligen Vater. Wir alle erwarten viel von ihm.“ Ob Eterović von ihm allerdings ausgerechnet seine Versetzung nach Berlin erwartet hat, verrät er nicht.
Das Amt des Nuntius in Deutschland gehört zu den international begehrtesten Posten der Kirche. Aber zuletzt arbeitete Eterović in der Zentrale, im Vatikan, und war verantwortlich fürs Organisieren internationaler Treffen der Bischöfe in Rom. Franziskus will dieser sogenannten Weltbischofssynode mehr Macht geben. Auf Eterovićs Dienste verzichtete er dabei und besetzte dessen Platz lieber mit einem seiner engeren Gefolgsleute.
„Dass der Heilige Vater mich zum Nuntius hier ernannt hat, ist eine sehr große Ehre und eine große Herausforderung“, sagt Eterović. Was soll man auch sonst sagen. Dann bricht er auf zu seinem neuen Dienstsitz, der Nuntiatur am Südstern. Langweilen dürfte er sich in den nächsten Monaten nicht.