Berliner Bildung

Warum Bildungssenatorin Scheeres weniger Privatschulen will

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Regina Köhler und Joachim Fahrun

Foto: Amin Akhtar

Bildungssenatorin Sandra Scheeres sorgt mit ihrer Ankündigung, die Zulassung von Privatschulen zu erschweren, für erhitzte Gemüter. Ein Gespräch über das neue Schulgesetz und eine Kitapflicht.

Im Senat ist ein Streit darüber ausgebrochen, wie Berlin künftig die Gründung von Privatschulen finanziell fördern soll. Während die SPD das Schulgesetz dahingehend ändern will, dass auch bewährte Schulträger bei Neugründungen drei bis fünf Jahre auf die staatliche Förderung warten müssen und nicht mehr sofort gefördert werden, will die CDU die Privatschulen unterstützen und deshalb an der alten Reglung festhalten.

Berliner Morgenpost: Frau Scheeres, was haben Sie gegen Privatschulen?

Sandra Scheeres: Ich habe nichts gegen Schulen in freier Trägerschaft. Sie sind ein fester Teil unserer Schullandschaft. Das ist übrigens auch im Grundgesetz geregelt.

Haben wir in Berlin genug freie Schulen?

Berlin hat im Bundesvergleich eine gute Privatschulquote. Das war nach der Wende und sogar noch vor zehn Jahren ganz anders. Wir hatten großen Nachholbedarf, vor allem im Ostteil der Stadt. Deswegen haben wir damals an der Reglung festgehalten, dass bewährte Träger, die eine Schule gründen oder Gründer, die dies unter dem Dach eines bewährten Trägers tun, sofort staatlich gefördert werden. Die Reglung war als Anreiz gedacht und das hat auch funktioniert.

Die Reglung hat sich bewährt, warum soll sie nun abgeschafft werden?

In Berlin haben wir eine positive Entwicklung, was die Gründung von Privatschulen angeht. In den vergangenen zehn Jahren hat sich deren Zahl mehr als verdoppelt. Mit Blick auf den Haushalt stellt sich deshalb nun die Frage, ob ob zusätzliche Gründungsanreize noch zeitgemäß sind, zumal wir unser Ziel erreicht haben. Ich frage mich, warum das, was in anderen Bundesländern längst Usus ist, nicht auch in Berlin funktionieren soll. Fast alle anderen Bundesländer haben die bewährte Trägerreglung nicht oder inzwischen abgeschafft, bis auf Brandenburg und Baden-Württemberg.

Warum war der Gesetzentwurf zu den Privatschulen in der ersten Fassung des neuen Schulgesetzes nicht enthalten?

Wir haben erst später, während der senatsinternen Beratung über die Förderung von Schulen in freier Trägerschaft diskutiert. Während der Debatte kam dann die Frage auf, ob wir in Berlin noch einen zusätzlichen Anreiz für die Gründung von Privatschulen brauchen. Schon jetzt kommt die Hälfte der Neugründungen ohne sofortige Finanzierung der öffentlichen Hand aus. Daraufhin wurde eine entsprechende Gesetzesänderung erarbeitet, die im Übrigen auch von den zuständigen Senatoren des Koalitionspartners, Justizsenator Thomas Heilmann und Innensenator Frank Henkel unterzeichnet worden ist.

Die Folge der Gesetzesänderung ist doch, dass die Gründung von Privatschulen erschwert wird?

Die Gründung von freien Schulen wird nicht schwieriger als in anderen Bundesländern. Die Berliner Schulen werden auch weiterhin staatliche Zuschüsse in Höhe von 93 Prozent der vergleichbaren Personalkosten öffentlicher Schulen bekommen. Bis 2016 wollen wir das Finanzierungssystem außerdem überarbeiten. Dazu gibt es auch Abstimmungsrunden mit den Vertretern der freien Schulen und meiner Verwaltung.

Trotzdem noch einmal die Frage: Warum ist über die neue Reglung für Privatschulzulassungen nicht öffentlich diskutiert worden?

Diese Reglung beträfe nur einen Teil der Neugründungen. Und vor allem berufliche Schulen. Aktuell durchlaufen 14 von 31 allgemeinbildenden freien Schulen die Wartefrist ohne „bewährte Trägerreglung“, bei den beruflichen Schulen sind es 16 von 43. Natürlich muss man über solche Reglungen diskutieren.

Weshalb werden Kitagründer vom Staat sofort finanziell unterstützt, Schulgründer aber nicht?

Die Gründungsverfahren lassen sich nicht vergleichen. Hinzu kommt, dass der seit August geltende Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu einem starken Bedarf an Kitaplätzen geführt hat.

Wird es einen Kompromiss bei der Förderung von Privatschulen geben?

Wir werden uns die beruflichen Schulen, wo es die höchsten Aufwüchse gibt, und die Wartefristen der anderen Bundesländer ansehen. In den vergangenen Jahren sind verschiedene private berufliche Schulen eröffnet worden, die Ausbildungsgänge anbieten, die auf dem Berufsmarkt nicht benötigt werden. Ein Beispiel ist der Sozialassistent für Kitas. Wir stellen solche Assistenten in den Kindertagesstätten gar nicht ein.

Gefährdet der Streit um die Privatschulen die Reform des Schulgesetzes, die ja bereits mit dem kommenden Schuljahr greifen soll?

Nein, wir befinden uns in einer konstruktiven Debatte über diesen strittigen Punkt. Ich gehe davon aus, dass es schon bald eine Einigung gibt.

Weitere Änderungen des Schulgesetzes sind bereits Konsens, dazu gehören Änderungen des Aufnahmeverfahrens beim Übergang auf weiterführende Schulen. Künftig wird es beispielsweise eine Geschwisterkindreglung geben. Ist die Losquote damit vom Tisch?

Nein, keinesfalls. Die Koalition hatte sich im Zuge der Sekundarschulreform darauf geeinigt, die Aufnahmekriterien noch einmal zu überprüfen. Das haben wir gemacht und festgestellt, dass das Losverfahren, nach dem Schulen 30 Prozent der Schüler auswählen, wenn sie mehr Bewerber als Plätze haben, gut funktioniert. Es trägt zu einer gleichmäßigeren Aufteilung der Schülerschaft bei. Gleichwohl haben wir eine Geschwisterkindreglung eingeführt. Wenn Schulen eine größere Nachfrage haben als Plätze vorhanden sind, werden künftig alle Geschwisterkinder aufgenommen.

Künftig soll es Schülern wieder erleichtert werden, einen Platz an einer Oberschule in Wohnortnähe zu bekommen. Was sieht diese neue Reglung vor?

Bezirkskinder sollen bei Zweit- und Drittwunschschulen vorrangig aufgenommen werden. Hat eine Schule mehr Bewerber als freie Plätze, haben im Rahmen der Aufnahme an der Zweit- und Drittwunschschule Bewerber, die im Bezirk der Schule wohnen, Vorrang. Damit wollen wir eine wohnortnahe schulische Versorgung unterstützen.

Grundschüler, deren Notendurchschnitt schlechter als 3,0 ist, sollen künftig nur dann ein Gymnasium besuchen können, wenn ihre Eltern einen Beratungstermin an der Grundschule wahrnehmen. Was versprechen Sie sich davon?

Wir hoffen, dass Eltern nach so einer Beratung intensiver darüber nachdenken, ob ihr Kind an einem Gymnasium gut aufgehoben ist oder nicht besser eine Sekundarschule besucht, an der es ebenfalls das Abitur machen kann, allerdings in 13 statt in 12 Jahren. Wir sollten Kinder nicht überfordern. Ich verspreche mir davon, die Zahl der Schüler, die das Probejahr am Gymnasium nicht bestehen – im vergangenen Jahr waren das rund 800 Kinder – zu senken.

Auch bei der Sprachförderung ihrer Kinder sollen die Eltern künftig stärker in die Pflicht genommen werden. So sind Bußgelder bis zu 2500 Euro vorgesehen, wenn Eltern ihre Kinder mit vier Jahren nicht zum verpflichtenden Sprachtest und bei Bedarf zur Sprachförderung in die Kita bringen. Warum dieses Bußgeld?

Ich finde es unverantwortlich, wenn Eltern ihren Kindern nicht die Chance geben, gefördert zu werden. Diese Kinder haben in der Schule massive Schwierigkeiten. Wird Förderbedarf festgestellt, müssen die Eltern ihr Kind täglich für drei Stunden zur Sprachförderung in die Kita schicken. Die meisten machen das auch. In Berlin sind nur etwa fünf Prozent der Kinder im Vorschulalter nicht in einer Kita. Einigen Eltern ist es offenbar egal, ob ihre Kinder gefördert werden. Diese Eltern müssen künftig Bußgeld bezahlen, wenn sie ihren Kindern die notwendie Förderung verwehren.

Der Fraktionsvorsitzende Ihrer Partei, Raed Saleh, plädiert für eine Kitapflicht, damit alle Kinder gefördert werden. Was halten Sie von einer Kitapflicht?

Ich bin ebenfalls dafür, dass alle Kinder entsprechend ihrer Bedürfnisse gefördert werden. Wenn Eltern, deren Kinder Sprachförderbedarf haben, diese täglich für drei Stunden in die Kita bringen müssen, ist das eine indirekte Kitapflicht. Und wir wollen die Förderung auf fünf Stunden anheben.