Das Grundwasser in Berlin steigt dramatisch, Berliner Hausbesitzern drohen deshalb Schäden in Millionenhöhe. Auch das Rote Rathaus und andere öffentliche Gebäude sind gefährdet. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) fordert deshalb, dass der Bund die Hauptstadt mit Geld aus dem Fluthilfefonds unterstützt.
An 77 öffentlichen Gebäuden in Berlin bestehen oder drohen Schäden. Betroffen sind das Rote Rathaus, das Konzerthaus am Gendarmenmarkt, mehrere Senatsverwaltungen, Finanzämter, die Bezirksämter Reinickendorf und Mitte sowie das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und das Kulturhaus Palais Podewil. Als Ursache für die Schäden oder das steigende Risiko dafür wird in den meisten Fällen auf „nicht vorhandene oder unzureichende Abdichtung“ verwiesen. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort der Senatsfinanzverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage von CDU-Abgeordneten hervor.
Zudem drohen Tausenden Hausbesitzern wegen des steigenden Grundwassers Schäden und Wertverluste. Nach einer Studie der KWS Geotechnik GmbH sind Gebäude, die sich auf dem Streifen des Berliner Urstromtals befinden, gefährdet. Der Grundwasserspiegel ist demnach in den vergangenen zwei Jahrzehnten um rund einen halben Meter gestiegen, in vielen Bereichen sogar um mehr als einen Meter.
Denkmalgeschütze Gebäude stehen mit Fundamenten im Wasser
Zahlreiche Gebäude, darunter auch denkmalgeschützte Prachtbauten wie etwa das Bundesratsgebäude an der Leipziger Straße in Mitte, stehen seitdem mit ihren Fundamenten im Wasser. Der aktuelle Wasserstand hat der Untersuchung zufolge in weiten Teilen Berlins fast wieder das Niveau von 1870 erreicht, als Berlin nur 775.000 Einwohner zählte und die Industrialisierung erst begann.
Vor dem Hintergrund der steigenden Gefahr für Berliner Gebäude fordert Finanzsenator Nußbaum Hilfe von der Bundesregierung. „Mit dem Geld aus dem Fluthilfefonds müssen wir natürlich zuallererst den Menschen helfen, die von einer Hochwasserkatastrophe betroffen sind und Unterstützung brauchen“, sagte Nußbaum. Aber darüber hinaus erwarte er, dass damit auch strukturelle Maßnahmen finanziert werden, die künftigen Hochwasserproblemen in anderen Regionen vorbeugen. „In Berlin haben wir zwar keine Deiche, aber einen dramatisch ansteigenden Grundwasserpegel, der auch ein hohes Risiko für private Haushalte und öffentliche Gebäude darstellt“, sagte Nußbaum. „Deshalb ist mir wichtig, dass auch diese Risiken bei der Ausgestaltung des Fonds berücksichtigt werden.“ Der Bundestag hatte einen Fluthilfefonds in Höhe von acht Milliarden Euro für die Opfer der Katastrophe beschlossen.
Grundwasserstand in vielen Gebieten bereits „siedlungsunverträglich“
Das Urstromtal durchzieht das Berliner Stadtgebiet von Südosten nach Nordwesten. Vor allem Ortsteile von Köpenick, Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf im Südosten sowie Lichtenberg, Friedrichshain und Mitte mit seinen zahlreichen Regierungsgebäuden und Spandau, Staaken, Tegel und Heiligensee im Nordwesten der Stadt sind bereits stark betroffen. Handlungsbedarf besteht aber generell überall dort, wo der Abstand des Grundwasserstandes zur „Geländeoberkante“, also zum Erdboden, weniger als 2,5 Meter beträgt. Dieser Zustand wird von den Experten als „siedlungsunverträglich“ bezeichnet. In vielen Bereichen hat der Grundwasserspiegel diese Marke längst erreicht und liegt nur einen Meter oder sogar nur einen halben Meter unter der Geländeoberkante.
Es gibt allerdings keine Einigkeit darüber, wie groß das Ausmaß der Schäden in Berlin ist. Während der Verband Deutscher Grundstücksnutzer die Anzahl der betroffenen Gebäude mit rund 10.000 angibt, sind der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung lediglich 500 Adressen bekannt. Bei historischen Großbauten wie dem Bundesratsgebäude an der Leipziger Straße belaufen sich die Kosten auf 24,4 Millionen Euro, die aufgewendet werden müssen, um das Haus dauerhaft abzudichten.
Die Ursache für den Anstieg des Grundwassers liegt im Wasserverbrauch, der sich seit 1990 nahezu halbiert hat. Wurden 1989 in Berlin noch 378 Millionen Kubikmeter Wasser gefördert, waren es gut 20Jahre später nur noch 219Millionen. In der Folge wurden zahlreiche Wasserwerke still gelegt. Die Geotechnik-Studie geht davon aus, dass die Fördermenge in den kommenden Jahren um weitere 60 Millionen Kubikmeter sinken wird – mit der Folge, dass der Grundwasserspiegel weiter steigt.