Mit großem Aufwand wird in Berlin weiter nach Brandsätzen an Bahngleisen gesucht. Die Bundespolizei in der Hauptstadt werde dabei von Kräften aus Sachsen und Brandenburg sowie Bahn-Mitarbeitern bei der systematischen Kontrolle der Schienenstränge unterstützt, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Mehr als 200 zusätzliche Bundespolizisten seien im Einsatz.
Am vierten Tag in Folge wurden im Großraum Berlin Brandsätze entdeckt. Im Bereich des Südkreuzes/Priesterweg wurde am Donnerstag ein weiterer Brandsatz an einer Bahnstrecke gefunden, wie ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte. Einschränkungen gab es laut Bahn dadurch im S-Bahnverkehr der Linien S2 und S25. Nach knapp zwei Stunden war die Strecke wieder frei.
Erst am Mittwoch hatte ein S-Bahn-Fahrer zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg einen Brandsatz entdeckt. Deshalb waren vier S-Bahnlinien gut zwei Stunden lahmgelegt. Insgesamt wurden laut Bundesanwaltschaft seit Montag in Berlin und Brandenburg 17 Brandsätze an neun verschiedenen Tatorten abgelegt. Zwei der mit Brandbeschleuniger gefüllten Flaschen mit Zeitzündern gingen hoch und richteten Sachschaden an. Verletzt wurde niemand.
Weiter Einschränkungen bei der Bahn
Durch die vermutlich von Linksextremisten verübten Attacken auf die Bahnanlagen kam es am Donnerstag den vierten Tag in Folge zu Einschränkungen im Zugverkehr in Berlin und Brandenburg. Die Täter konzentrierten sich gezielt auf die Infrastruktur der Bahn. Sie handeln laut einem Bekennerschreiben vom Montag aus Protest gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr.
Am Donnerstag meldeten sie sich erneut zu Wort. In einer Erklärung im Internet bestritten sie, dass Menschenleben gefährdet worden seien. Ziel der Anschläge sei gewesen, "die Signal- und Datenkommunikationen zu unterbrechen".
Reparaturarbeiten dauern an
Auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg mussten infolge eines Anschlags die Züge am Donnerstag weiter über Stendal und Wittenberge umgeleitet werden. Hierdurch gebe es Verspätungen von bis zu einer Stunde, sagte ein Bahnsprecher. Auch auf der Schnellverkehrsstrecke in Richtung Hannover mussten Reisende bis zum Nachmittag 30 Minuten mehr Fahrzeit einplanen.
An beiden Strecken waren mit Zeitzündern versehene Brandsätze hochgegangen und hatten Sachschaden verursacht. Von Verspätungen und Zugausfällen betroffen war neben dem Fern- auch der Regionalverkehr im Berliner Nordwesten und im Brandenburger Umland. "Wir streben an, dass der Verkehr am Freitag wieder normal rollt", sagte der Bahnsprecher.
Bahn setzt mehr Sicherheitspersonal ein
Wegen der Brandanschläge verspätete Reisende können nicht mit Entschädigungen durch die Deutsche Bahn rechnen. Der Konzern beruft sich auf höhere Gewalt und Sabotage. Die Deutsche Bahn AG hat eine Belohnung von 100.000 Euro für Hinweise auf die Täter der jüngsten Brandanschläge ausgesetzt. Das Sicherheitspersonal an den Strecken wurde erhöht.
Der Leiter der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, Gerd Neubeck, sagte: "Wir reagieren flexibel auf solche neuen Phänomene,wie es diese Serie von Brandanschlägen für uns bedeutet." Stellen, an denen besonders viel zusammenkomme, würden besonders ins Augenmerk genommen und der Konzern arbeite vor allem intensiv mit der Polizei zusammen. Für die Passagiere bestehe bei solchen Taten keine Gefahr.
Verspätungen gab es aber weiter auf den Fernbahnstrecken nach Hamburg und Hannover und bei etlichen Regionalzügen Richtung Norden und Westen. Allein auf der Strecke Berlin – Hamburg fielen seit Montag 34 Züge aus, 875 verspäteten sich. Die Verspätungen summierten sich allein dort auf 438 Stunden.
Trotz eines Bekennerschreibens einer linksextremistischen Gruppe gibt es keine konkreten Hinweise auf die Täter und ihr Umfeld. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen an sich gezogen, weil der Verdacht der „verfassungsfeindlichen Sabotage“ bestehe.
Indes ist ein Streit über die Gefährlichkeit der mutmaßlich linksextremen Täter entbrannt . Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach von einer neuen Dimension linksextremistischer Gewalt. Die SPD wies Warnungen aus der Union und von der Deutschen Polizeigewerkschaft vor einem neuen linksextremen Terrorismus zurück.
Friedrich sagte „Focus Online“: „Wir müssen äußerst wachsam sein, dass die in den Anschlägen zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft sich nicht zu einem neuen Linksterrorismus entwickelt.“ Die Attacken seien der Versuch, „flächendeckend und systematisch“ die Infrastruktur der Hauptstadt zu gefährden beziehungsweise zu zerstören.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor übertriebenen Reaktionen. Ein Bürgerkrieg solle nicht an die Wand gemalt werden, sagte er im RBB-Inforadio. Forderungen nach einer Aufstockung der Zahl von Polizisten wies Körting zurück. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Attacken hätten mit Terrorismus nichts zu tun.
Der renommierte Protestforscher Dieter Rucht sieht keine Parallelen zu den Anfängen des RAF-Terrors. „Das ist eine ganz andere Nummer gewesen“, sagte der Professor der dpa. Selbst die radikale Linke habe sich heute deutlich abgewandt von den Taten der Rote Armee Fraktion und deren Terror gegen den Staat als Holzweg bezeichnet.
Die Bahn drohte mit einer Schadenersatzklage. „Sollten die Täter ermittelt werden, strengen wir selbstverständlich Schadensersatzklagen an. Für diesen Fall gehe ich von einem Millionenbetrag aus“, sagte Gerd Becht, Vorstand Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, der „Bild“-Zeitung. Die Bahn hat 100.000 Euro Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter ausgesetzt. Erste Hinweise seien eingegangen, sagte ein Bahnsprecher am Donnerstag.
Der Leiter der Bahn-Konzernsicherheit, Gerd Neubeck, sagte dem Nachrichtensender, für Passagiere bestehe keine Gefahr. „Unser System ist so ausgelegt, dass bei einer Unterbrechung von Signalkabeln der Verkehr einfach stehen bleibt.“