"Musicboard"-Initiative

So will die Musikbranche das Club-Sterben stoppen

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Benedikt Becker

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Wieder muss ein Berliner Club schließen: Das "Kiki Blofeld" ist seit Sonntag zu. Dort entstehen Wohnungen. Auch viele andere Klubs sind bedroht. Die Betreiber fühlen sich von der Politik allein gelassen. Nun könnte eine Idee aus der Filmbranche helfen.

Bauzäune umschließen das Gelände. Am hölzernen Kassenhaus hängt ein Plakat der Berlin Music Week, die bunten Farben sind vom Regen verblasst. Reihen aus Bambusstäben verdecken die Sicht. An einigen Stellen klaffen bereits große Löcher. Ein Blick hinein offenbart, was nicht mehr ist. Im Kiki Blofeld ist seit Sonntag Feierabend. Die Bauzäune: Vorboten einer entstehenden Baustelle. Das verblasste Plakat: Symbol der kreativen Clubkultur der Stadt, die wieder ein wenig von ihrer bunten Vielfalt verliert. Was dem Schokoladen in Mitte droht, ist für die Strandbar an der Spree Wirklichkeit geworden. Sie musste schließen. Endgültig, nach der achten Sommersaison.

Das Ende war abzusehen. Gerke Freyschmidt weiß das. Er war der Betreiber des Kiki Blofeld. Vor sieben Jahren mietete er das Gelände vom Bund, immer begrenzt auf eine Saison. Jedes Jahr erneutes Hoffen und Bangen, ob es weitergeht. Im vergangenen Dezember dann kaufte eine Gruppe von 16 Investoren das Areal. Nun sollen dort Wohnhäuser gebaut werden. Gerke Freyschmidt fühlt sich von der Politik allein gelassen. „Es fehlt der Respekt“, sagt er. Respekt für das, was die Clubszene für Berlin leiste. Für den Tourismus, die Kultur. Freyschmidt sagt: „Für die Politik hört Kultur doch nach der Philharmonie und der Staatsoper auf.“

Fehlende Aufmerksamkeit der Politik

Katja Lucker ist Kuratoriumsvorsitzende der Berlin Music Commission, einem Musiknetzwerk. Zur Situation des Schokoladen sagt sie: „Es ist sehr schade, dass der Kultursenator es anscheinend nicht schafft, dass eine solche kleine Kulturpflanze erhalten bleibt.“ Dabei sind es nicht nur die kleinen Dinge, die nicht beachtet werden. Als letzte Woche die Berlin Music Week im Admiralspalast eröffnet wurde, fragte Katja Lucker sich: „Welchen Stellenwert hat diese Veranstaltung für die Politik, wenn ich weder Klaus Wowereit noch Renate Künast dort sehe?“ Es ist ein Kampf um Anerkennung und die Berliner Musikwirtschaft hat begriffen, dass sie eine starke Lobby braucht. Seit Mai arbeiten die drei großen Musiknetzwerke, Berlin Music Commission, Clubcommission Berlin und der Labelcommission Berlin eng zusammen. Sie starteten die Kampagne Musik 2020, unterstützt von rund 400 Clubs, Unternehmen und Kreativen. Ihre Forderung: populäre Musik wirtschaftlich stärker zu fördern, sie als Kulturgut anzuerkennen und ihre „inakzeptable Benachteiligung“ zu beenden.

Der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Goiny unterstützt die Initiative. „Es ist richtig, dass da Erwartungshaltungen formuliert werden“, sagt er. Der CDU-Politiker hat seine eigene Idee, wie die Forderungen der Musikbranche umgesetzt werden könnten. Gorny fordert ein „musicboard“ für Berlin. Nach Vorbild des Medienboards Berlin-Brandenburg, der ersten Anlaufstelle für Kreative in Film- und Medienbranche, soll diese Einrichtung die Interessen der Musikwirtschaft bündeln. „Von Seeed bis zu den Philharmonikern.“ Nur durch solche Förderstrukturen könne gezielt in den Standort investiert werden. Seinen Vorschlag will er deshalb mit in die Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus nehmen. „Ich glaube eigentlich nicht, dass sich jemand gegen eine solche Initiative stellen würde“, sagt er, „jedenfalls nicht aus ideologischen Gründen.“

„Die Parteien reden mit uns“

Musik-Lobbyistin Katja Lecker würde die Einrichtung eines solchen musicboards begrüßen – wenn die Netzwerke der Clubszene entsprechend beteiligt würden. In puncto Anerkennung verzeichnet die Initiative Musik 2020 bereits erste Erfolge. „Im Zuge des Wahlkampfs reden die Parteien mit uns“, sagt Lucker. Ob sie die Anliegen der Musiknetzwerke verstanden haben, werde sich zeigen.

Für Gerke Freyschmidt kommen solche Entwicklungen zu spät. „Ein Garten für alle Berliner“, so hat er sein Kiki Blofeld immer gesehen. Die letzte Saison – ein langer Abschied, der vor einer Woche seinen Höhepunkt fand. Vier Tage lang wurde gefeiert, auch ein alter Bekannter mischte mit. „Wir haben schon lange mit Lärmbeschwerden eines einzelnen Anwohners zu kämpfen“, sagt Freyschmidt. Der ließ auch am letzten Abend noch einmal die Polizei kommen. Lärmbeschwerden – Katja Lucker sieht auch da die Politik in der Pflicht: „Schon bei der Planung der Entwicklung von Stadtvierteln muss bedacht werden, wo Wohnhäuser sind und wo Clubs sich ansiedeln können.“

Wo es Gerke Freyschmidt hinzieht, weiß er nicht. Er hat viele Ideen. Was er macht, wenn sich ein neues Grundstück findet, ist klar: „Ich werde mich erst mal genau über das Gelände informieren, um Lärmbeschwerden von Anwohnern zu vermeiden.“ Er möchte den Neuanfang. Einen Neuanfang, der alte Probleme von Beginn an ausschließt – vielleicht sogar mit Unterstützung aus der Politik.