Chronologie

Liebig 14 - Protokoll der Krawalle

| Lesedauer: 10 Minuten

Auch nach der Räumung der Liebigstraße 14 bleibt Friedrichshain im Ausnahmezustand. 2000 Linksextreme zogen vom Boxhagener Platz in Richtung Frankfurter Tor. Doch die in letzter Minute genehmigte Demonstration wurde vorzeitig abgebrochen. Es kam zu Krawallen.

+++ 22:35 Uhr +++ In Friedrichshain sind immer noch zahlreiche Kleingruppen unterwegs und liefern sich weiterhin Scharmützel mit der Polizei. An der Revaler Straße haben Autonome versucht, sich im Gleisbett der Straßenbahn mit Nachschub an Steinen zu versorgen, die hinzukommende Polizei wurde attackiert, bekam die Lage aber schnell unter Kontrolle. An mehreren Orten wurden Baustellen geplündert, um mit dem Material Barrikaden zu errichten. Bislang ist es der Polizei gelungen, dies kurzfristig zu unterbinden.

Bei der Polizei gibt es Befürchtungen, Demonstranten könnten versuchen, nochmals zur Liebigstraße zu gelangen. Immer mehr Kräfte werden momentan aus verschiedenen Teilen der Stadt ab- und in Kreuzberg und Friedrichshain zusammengezogen. Unter anderem wurde eine komplette Hundertschaft vom Kudamm nach Kreuzberg verlegt.

+++ 21:40 Uhr +++ An mehreren Orten in Mitte und Friedrichshain rückt die Polizei mit weiteren Kräften an. Inzwischen sind in beide Bezirken nach Angaben eines Polizeisprechers kleiner Gruppen von Demonstranten unterwegs. Es kommt immer wieder zu Stein- und Flaschenwürfen gegen Polizisten und auf Gebäude. Die Polizei rechnet mit weiteren Aktionen dieser Art während der gesamten Nacht.

+++ 21:35 Uhr +++ Am Ostbahnhof versammelt sich eine Gruppe von Autonomen zu einer Spontan-Demo. Nach mehreren Versuchen, Krawalle vom Zaun zu brechen kommt es zu Festnahmen durch die Bundespolizei.

+++ 21:20 Uhr +++ An der Frankfurter Allee /Ecke Samariterstraße werden von Vermummten Gegenstände auf die Fahrbahn gebracht, um eine Barrikade zu errichten. Der Verkehr kommt kurzzeitig zum Erliegen, bis die Polizei die Straße räumt.

+++ 21:10 Uhr +++ Nach mehreren Aufrufen im Internet taucht eine Gruppe gewaltbereiter Demonstranten an der O2 World auf und versucht, zu dem Gebäude durchzubrechen. Polizeikräfte verhindern dies.

+++ 21:08 Uhr +++ Viele Demonstranten verteilen sich und ziehen in kleinen Gruppen umher. Es kommt zu mehreren Zwischenfällen. Am Alexanderplatz fliegen Steine gegen Schaufenster der Galeria Kaufhof.

+++ 20:56 Uhr +++ Die Polizei die Demonstranten zum wiederholten Mal auf, sich zu entfernen. Die große Mehrheit der Demonstranten ignoriert die Aufforderungen und sammelt sich an der Warschauer Straße/Ecke Kopernikusstraße. Die Polizei hat offenbar weitere Kräfte angefordert, die derzeit nach und nach eintreffen.

+++ 20:49 Uhr +++ Nach dem Abbruch der Demonstration entlädt sich die Wut einiger Teilnehmer in Stein- und Flaschenwürfen auf Polizisten und gegen Gebäude. Dabei gingen auch die Scheiben einer Sparkassenfiliale zu Bruch. Die Warschauer Straße ist komplett abgeriegelt, die Polizei hat inzwischen einen Hubschrauber im Einsatz, der über dem Geschehen kreist. Die Stimmung ist weiterhin sehr aufgeheizt.

Dokumentation: Panorama von beschädigter Bank

+++ 20:26 Uhr +++ Es kommt zu Rangeleien, vereinzelt fliegen Flaschen und Steine. Die Polizei holt gezielt Störer aus der Menge. Der große Pulk soll in Richtung Kreuzberg abgedrängt werden. An der Kreuzung Warschauer und Kopernikusstraße sind zwei Wasserwerfer aufgefahren. Es gibt Festnahmen und einige verletzte Beamte, Zahlen liegen noch nicht vor.

+++ 20:26 Uhr +++ Etliche Demonstranten sind wegen des offiziellen Endes der Protestveranstaltung verärgert, einige zünden weiter Pyrotechnik.

+++ 20:17 Uhr +++ Der Anmelder hat die Veranstaltung für beendet erklärt - aufgrund der zahlreichen gezündeten Feuerwerkskörper. Die Polizei bestätigt den Vorgang, bewacht die Lage und bringt vorsorglich Wasserwerfer in Stellung.

Dokumentation: Mitschnitt vom Demonstrationszug

+++ 20:17 Uhr +++ An der Warschauer Straße kommt der Aufzug kurz zum Stillstand. Die Polizei holt mehrere Demonstranten, die Feuerwerkskörper abgeschossen haben, aus der Menge heraus, andere Teilnehmer versuchen, dies zu verhindern.

+++ 20:13 Uhr +++ Die Demonstration hat inzwischen die Warschauer Straße erreicht. Es werden erste Feuerwerkskörper gezündet.

+++ 20:02 Uhr +++ Die Polizei hat eine Route in Richtung Frankfurter Tor gebilligt. Von allen Seiten strömen zusätzliche Demonstranten herbei und schließen sich dem Umzug an, der inzwischen 2000 Menschen zählt. Die Spitze des Zuges erreicht bereits die Revaler Straße.

+++ 19:45 Uhr +++ Der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung. Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot marschieren etwa 1200 Menschen über die Grünberg in Richtung Simon-Dach-Straße. Beobachtern zu Folge führen die Demonstranten große Menschen Flaschen mit sich.

Dokumentation: Panorama vom Boxhagener Platz

+++ 19:15 Uhr +++ Am Boxhagener Platz warten etwa 1000 Sympathisanten der Hausbesetzer auf den Beginn des Umzugs, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehmigt ist. Ihr Ziel ist die Liebigstraße.

+++ 19:05 Uhr +++ Sympathisanten der Hausbesetzer strömen zum Boxhagener Paltz . Die Polizei kontrollierte die Zufahrtsstraßen, das Gelände wurde mit Halogenstrahlern hell ausgeleuchtet. Zunächst kam es nicht zu Zwischenfällen.

+++ 17:24 Uhr +++ Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Besetzer. Den im Haus Festgenommenen und ihren Sympathisanten gehe es nicht um alternative Lebensformen, sondern um eine Missachtung der Rechtsordnung, teilte Körting mit. „Sie schrecken auch vor der Zerstörung fremden Eigentums und Körperverletzungen gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten nicht zurück.“ Für solche Menschen sei in dieser Stadt kein Platz.

+++ 16:20 Uhr +++ Auf der Kreutziger Straße in Friedrichshain ist es zu offenbar zu den ersten Gewaltattacken der linken Szene als Reaktion auf die Räumung gekommen. 50 Autonome griffen die Polizei mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik an.

++ 15:00 Uhr ++ Gesine Lötzsch, Bundesvorsitzende der Linken, kritisiert die Räumung: "Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt natürlich bei den politisch Verantwortlichen, dem Senat“, sagte sie der Tageszeitung "Neues Deutschland“. "Besorgt und mit Bedauern" stellte sie fest, dass es nicht gelungen sei, die Eskalation zu verhindern: "Ich habe mir eine politische und friedliche Lösung gewünscht.“

++ 14:05 Uhr ++ Während der Demo kam es neben Flaschen- und Steinwürfen auch zu Prügeleien mit der Polizei. Deren Sprecherin teilte mit, dass fünf Polizisten verletzt wurden, einer davon schwer. 23 Personen aus dem Unterstützerkreis der Besetzer nahm die Polizei bis jetzt fest. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, nannte das Verhalten der Demonstranten „brutal“ und „menschenverachtend“. Witthaut machte den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele mitverantwortlich für die Gewaltausbrüche. Am Nachmittag wird mit weiteren Protesten gerechnet.

++ 13:50 Uhr ++ Derzeit findet eine Begehung des Hauses statt. Unsere Reporter machen Bilder, die stellen wir online, sobald sie da sind.

++ 13:12 Uhr ++ Renate Künast hält die Räumung von Liebigstraße 14 in Berlin für rechtmäßig. "In der Liebigstraße gibt es einen ausgeschöpften Rechtsweg, hier ist ein Rechtstitel.“ Die Grünen hätten sich für eine friedliche Lösung eingesetzt, die nicht zustande gekommen sei. Das gesamte Verfahren um die Räumung der Liebigstraße sei "offen und transparent gewesen“, sagte die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag.

Mittwochvormittag - die Räumung: Tagelang hatten sich Polizei und linke Szene für die Räumung eines der letzten besetzten Häuser Berlins vorbereitet. Am Mittwochmorgen gegen 7.40 Uhr rollten Polizei-Bagger und Mannschaftswagen an der Friedrichshainer Liebigstraße 14 an. Gegen Mittag war der Altbau geräumt. Der Altbau wurde laut Polizei inzwischen an den Eigentümer übergeben.

Den ganzen Vormittag hatten wich Hausbesetzer sowie ihre Sympathisanten erbittert dagegen gewehrt. In und in der Nähe der Liebigstraße wurden immer wieder Polizisten attackiert: 32 Störer nahm die Polizei bis zum Nachmittag fest, darunter neun Hausbesetzer. Den Festgenommenen werde gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Beamten vorgeworfen, sagte ein Sprecher.

Fünf Polizisten wurden verletzt. Ein Beamter sei mit einem Knalltrauma ins Krankenhaus gebracht worden, so der Sprecher. Vermutlich sei ein Böller direkt am Kopf des Polizisten explodiert. Für die Polizei, die etwa 2500 Beamten aufgeboten hatte, war der Einsatz mit der erfolgreichen Räumung allerdings noch nicht beendet. Linke Gruppen hatten weitere Aktionen angekündigt.

>> Protokoll der Räumung

Dienstag: Die Hausbsetzer scheitern mit dem Versuch, die Räumung in letzter Minute per Gerichtsentscheid zu verhindern. Ein entsprechender Antrag des Vereins Liebig 14 wurde vom Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg abgewiesen. Das Gericht entschied, der Verein sei nicht regulärer Mieter (im juristischen Sinn: Besitzer) und könne so auch rechtlich nicht die Räumung verhindern. Der Verein hatte argumentiert, die bisherigen Mieter, gegen die ein Vollstreckungsbescheid für eine Räumung vorliege, seien ausgezogen, und gegen die jetzigen Bewohner aus dem Verein gebe es keine Räumungstitel.

Das Gericht folgte dem nicht: „Weder aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen noch aus dem vorgelegten Briefwechsel ergebe sich, dass auch der Verein Besitzer der Räume sei. Gleiches gelte für die dargelegte Art der Mietzahlungen und den Besitz von Schlüsseln.“

Das Haus: Im Jahr 1990 wurde das leer stehende und heruntergekommene Haus besetzt. Später erhielten die Besetzer Mietverträge. Vor zwei jahren dann wechselte das Gebäude nach der Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaft den Besitzer. Die neuen Eigentümer planten eine umfassende Sanierung und kündigten die Mietverträge, auch, weil die Bewohner den Zugang zu den Wohnungen verweigerten. Die betroffenen Mieter zogen vor Gericht, das zuständige Bezirksamt suchte nach Ersatzwohnraum. Angeboten wurde den 25 Bewohnern - einige leben nach eigenen Angaben seit acht Jahren in dem Haus, andere seit zwei Monaten - ein Haus in Weißensee. Das aber lehnten die vormaligen Mieter der Liebigstraße 14 ab.

( BMO )