Berlin. Die Polizei erwartet zur 1. Mai-Demo antisemitische Aktionen. Spranger kündigt an, dass die Polizei bei Gewalt einschreiten werde.
Rund um den 1. Mai ziehen an diesem Wochenende zahlreiche Demonstrationen durch Berlin. Die Polizei wird die diversen Versammlungen nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit insgesamt fast 6000 Beamten begleiten. Der Fokus liegt dabei wie auch in den vergangenen Jahren auf der krawallträchtigen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“. Diese führt durch Neukölln und Kreuzberg.
Wie im vergangenen Jahr besteht diese Demonstrationszug auch dieses Mal aus mehreren Blöcken. An der Spitze wird der „migrantisch-internationalistische Block“ laufen, an dem sich auch palästinensische Gruppen beteiligen dürften. Seitens der „palästinensischen Klientel“ sei mit antisemitischen und antizionistischen Sprechchören sowie „verbalen bis hin zu körperlichen Angriffen gegen Pressevertretende“ zu rechnen, heißt es in einer internen Gefahreneinschätzung der Polizei, deren Inhalt der Berliner Morgenpost bekannt ist.
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1. Mai in Berlin: CDU fordert sofortiges Einschreiten der Polizei bei brennenden Israel-Fahnen
Beim Einschreiten von Polizistinnen und Polizisten könnten Palästinenser laut Polizei-Analyse Gebrauch „von mitgeführten Fahnenstangen“ machen und versuchen, in Gewahrsam genommene Weggefährten zu befreien. Mit einem sofortigen Einschreiten ist zu rechnen, wenn Israel-Fahnen öffentlich verbrannt werden. Nach dem Verbot einer pro-palästinensischen Demonstration, die für Freitag geplant war, könnte das am Sonntag das größte Gewaltpotenzial darstellen, heißt es in Sicherheitskreisen.

„Es wäre völlig inakzeptabel, wenn der 1. Mai für antisemitische Hassparolen genutzt wird“, sagte Frank Balzer, der innenpolitische Sprecher der CDU. „Da fordern wir ein sofortiges Einschreiten. Die Täter müssen sofort aus dem Demonstrationszug geholt werden.“ Man dürfe nicht zulassen, dass Bilder von brennenden Israel-Fahnen um die Welt gehen.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger kündigte im Falle von Gewalt bei den Demonstrationen rund um den 1. Mai ein massives Einschreiten der Polizei an. „Wir haben natürlich wieder die Strategie auch der ausgestreckten Hand“, sagte die SPD-Politikerin am Samstag dem rbb24 Inforadio. „Aber wir schreiten natürlich und die Polizei schreitet natürlich massiv ein, wenn es zu Ausschreitungen kommen sollte.“
Dolmetscher sollen arabische Parolen übersetzen
Die Polizei wird am 1. Mai auch Dolmetscher einsetzen, um arabische Parolen übersetzen zu lassen und zu prüfen, ob sie volksverhetzend sind. Im vergangenen Jahr gab es am 1. Mai in diesem Demonstrationsblock junger Migranten etliche antisemitische Vorfälle.
Der Protestmarsch der „Revolutionären“ stellt die Beamten vor ein altbekanntes Dilemma. Lassen sie dem Zug viel Freiraum und sehen über Provokationen hinweg, könnten die selbst ernannten Revolutionäre übermütig werden. Zugriffe oder auch nur eine enge Begleitung der Demonstration werden von den Linken und Linksradikalen allerdings „schnell als repressiver Angriff“ gewertet. Laut interner Einschätzung der Polizei kann dies bei anderen Teilnehmern zu „Solidarisierungseffekten“ führen und zu „tätlichen Angriffen auf Polizeikräfte“.
Sorgen bereitet der Polizei auch der „anarchistische Block“, deren Teilnehmer sich traditionell schwarz kleiden und oft vermummen. Hier müsse „mit dem Verwenden von Flaschen, Pyrotechnik oder Steinen als Wurfgeschosse gegen eingesetzte Polizeikräfte und Einsatzfahrzeuge“ gerechnet werden. Angriffe könne es auch gegen unzureichend geschützte „Reizobjekte“ geben.
„In der linksextremen Szene hat sich viel angestaut“
Zu den „Reizobjekten“ dürften die Autonomen auch die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor zählen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte im Interview mit der Berliner Morgenpost gesagt, dass das Kottbusser Tor ein „neuralgischer Punkt“ werden könnte. Nach Ansicht Balzers könnte die Demonstration dort ein Ende finden, wenn sich die Gewalt gegen die geplante Kotti-Wache am Kottbusser Tor entlädt. „Wir sehen mit großer Sorge dem 1. Mai entgegen“, sagte der Partei- und Fraktionschef der Berliner CDU, Kai Wegner. „In der linksextremen Szene hat sich viel angestaut.“
Als einen „ersten Knackpunkt“ der Demonstration nannte der CDU-Innenexperte Balzer den Abschnitt, wo der Zug wegen verschiedener Straßenfeste von der Sonnenallee in die kleinen Straßen abbiegen muss. „Wenn der Demonstrationszug von der Sonnenallee auf die kleinen Straßen geführt wird, besteht die Gefahr, dass Gruppen von Demonstranten die Polizeiabsperrungen durchbrechen und über die Feste stürmen.“
Geplante Demoroute wegen Straßenfesten verboten
Das Bezirksamt Neukölln richtet am 1. Mai im Herzen des Bezirks fünf Straßenfeste aus. Die Anmelder der traditionellen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ wollten allerdings genau dort ihren Protest auf die Straße bringen. Dem Bezirksamt und Bürgermeister Martin Hikel (SPD) werfen die Organisatoren der Demonstration nun vor, die Feste nur deswegen zu veranstalten, um den Protestzug zu behindern. Aus diesem Grund wurde auch die ursprünglich geplante Demoroute verboten.
Der Fahrradkorso in den Grunewald wird nach Einschätzung der Polizei vermutlich friedlich verlaufen. Vereinzelt könnten allerdings parkende Autos beschädigt werden.
Die Gewerkschaft der Polizei bezeichnete den 1. Mai, aber auch die Walpurgisnacht am 30. April als „große Herausforderung, weil niemand so richtig sagen kann, was zu erwarten ist“, wie GdP-Sprecher Benjamin Jendro sagte. „Wir haben einige brisante Orte, an denen mit Gewaltaktionen zu rechnen ist und an denen dynamische Einsatzlagen entstehen werden“, so Jendro. Die Berliner Polizei sei aber einsatzerfahren genug, „um die richtigen Antworten zu finden und die Grundrechte aller bestmöglich zu schützen“. Berlin werde sicher sein. „Auch wenn eine Mülltonne mal etwas länger brennt und es spektakuläre Bilder gibt“, sagte Jendro.