Marktsicht

EZB-Entscheidungen stützen Aktienkurse

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Der Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten wird von den Märkten positiv aufgenommen, so Jens Herdack, Analyst der Weberbank.

Alle Augen waren war letzte Woche auf die Europäischen Zentralbank gerichtet. Dass diese den Leitzins unverändert auf einem Niveau von 0,75 Prozent beließ, konnte die Finanzmärkte zunächst nicht begeistern. Erst nach der anschließenden Pressekonferenz des EZB Präsidenten Mario Draghi folgte ein wahres Kursfeuerwerk an den Aktienmärkten. Denn in dieser Konferenz äußerte sich Draghi dazu, wie der Aufkauf von Staatsanleihen kriselnder Staaten in der Eurozone konkret durch die EZB umgesetzt werden könnte. Dabei sprach er erneut von prinzipiell unbegrenzter Kaufmöglichkeit der EZB. Kritikern, die auf das Verbot der direkten Staatsfinanzierung durch die EZB verweisen, stellt er entgegen, dass es der Zentralbank nur untersagt sei, Staatsanleihen am Primärmarkt (also direkt von den Staaten) zu kaufen, nicht aber am Sekundärmarkt, also von anderen Marktteilnehmern, die die Anleihen ihrerseits den Staaten zuvor abgekauft haben. Diese sicherlich sehr umstrittene Maßnahme, die insbesondere die Deutsche Bundesbank in Person ihres Präsidenten Weidmann nicht mittragen möchte, wird von den Märkten euphorisch aufgenommen.

Dass sich Europa durch solche Geschäfte natürlich nur Zeit erkauft und die eigentlichen Schuldenberge der Mitgliedsstaaten dadurch nicht abgebaut werden, ist für die Aktienkäufer dabei zunächst unwichtig. Sie sehen vor allem, dass die EZB bereit ist, neues Geld ins System zu geben und damit den Boden für weitere Kursanstiege zu ebnen. Überhaupt ist eine extreme Fixierung der Marktteilnehmer auf Liquiditätsspritzen der Notenbanken festzustellen.

US-Notenbank entscheidet über Liquiditätsspritze

Auch in den USA warten die Händler gespannt auf eine Ankündigung des US-Notenbankchefs Ben Bernanke zur weiteren quantitativen Lockerung. Der Offenmarktausschuss tagt dazu am 12. und 13. September. Im Prinzip hoffen sie ebenfalls auf eine Liquiditätsspritze, denn bereits die letzten Aktionen dieser Art hatten die Aktienmärkte haussieren lassen. Dass gleichzeitig die Analysten ihre Gewinnprognosen für die US-Unternehmen reduzieren, die Arbeitslosigkeit weiter auf hohem Niveau verharrt und Frühindikatoren weltweit gefährlich nahe an rezessive Niveaus heranreichen, wird dabei noch ausgeblendet. Fraglich ist nur, wie lange man ein System mit immer neuen Geldspritzen am Leben erhalten kann, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen.

Weitere Kurssteigerungen möglich

Für den Anleger erscheint es daher ratsam, weiterhin im Aktienbereich investiert zu bleiben und die durch die oben genannten Liquiditätsmaßnahmen möglichen weiteren Kurssteigerungen mitzunehmen. Vor dem Hintergrund fast rezessiver Frühindikatoren wird die Luft nach oben aber mit zunehmenden Kursniveaus deutlich dünner, und es sollte auf das strikte Mitziehen von Stop-Loss-Limiten geachtet werden. Denn irgendwann ist jede Liquiditätsrallye vorbei, wenn sich die Fundamentaldaten nicht nachhaltig verbessern.

Der Renteninvestor kann vorerst ebenfalls wie bisher positioniert bleiben. Die Notenbanken werden die niedrigen Leitzinsen aufgrund der schwächelnden Konjunktur und Schuldenproblematik sicherlich noch einige Zeit beibehalten. Die EZB hat gar noch Zinssenkungsspielraum. Deutliche negative Kurseffekte scheinen damit unwahrscheinlich, Kursanstiege hingegen sehr gut möglich. Somit könnten diese Kursanstiege die magere Rendite der Anleihen weiter aufbessern. Es empfehlen sich dabei weiter Pfandbriefe mittlerer Laufzeit. Geöffnete Liquiditätsschleusen sind grundsätzlich auch eine gute Basis für den Goldpreis. Und somit verwundert es auch nicht, dass der Goldpreis zuletzt einen wichtigen Abwärtstrend nach oben durchbrechen konnte. Insofern kann eine Goldbeimischung im Portfolio nach wie vor interessant sein.

Doch nun sind zunächst einmal alle Augen auf die für Mittwoch anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum ESM gerichtet. Nicht zuletzt hier wird sich zeigen, ob die Aktienmärkte sich weiter über Liquiditätsschübe freuen können.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation hat die Weberbank entweder selbst angestellt oder aus von der Weberbank als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt kann die Weberbank für die Richtigkeit ihrer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

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Jens Herdack

Jens Herdack,
Senior-Portfoliomanager der Weberbank


Jens Herdack hat die Schwerpunkte Aktien-, Rohstoff- und Alternative Investments. Seit 2002 ist der Diplomkaufmann und Analyst bei der Weberbank tätig und blickt auf insgesamt 14 Jahre Investmenterfahrung im Wertpapier- und Derivatesegment zurück.