Berlin. Das Schloss Friedrichsfelde im Osten Berlins befand sich noch gar nicht in Familienbesitz, als Herzog Peter von Kurland Ende des 18. Jahrhunderts die Reise in das damalige Preußen antrat. Die Brüder seiner Frau Dorothea hatten die stattliche Behausung zunächst lediglich gemietet. Dem Herzog jedoch gefiel das Schloss derart gut, dass er es wenig später erwarb.
Die Ausstattung des neuen Heims ließ sich der adelige Schlossherr durchaus etwas kosten – auch ein angemessenes Tafelservice gehörte dazu. Einen entsprechenden Auftrag vergab Kurland, so ist es in der Firmenchronik überliefert, 1790 an KPM, der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin.
Kurland-Service wird seit 1790 ununterbrochen hergestellt
Das Kurland-Service wurde seitdem ununterbrochen bei KPM produziert und ist heute noch immer der Bestseller des Unternehmens. Anfang März sitzt KPM-Inhaber Jörg Woltmann in dem Café der Porzellan-Manufaktur in Tiergarten und trinkt einen Schluck aus einer Kurland-Cappuccino-Tasse. Woltmann, Bankier und Sanierer, hatte KPM 2006 übernommen und vor der Insolvenz gerettet.
Das Kaffeehaus und auch die angeschlossene KPM-Welt, gewissermaßen eine Leistungsschau des Unternehmens, hatte Woltmann wenig später bauen lassen. „Jeder Besucher, der hier durchgeht, fragt hinterher nicht mehr nach dem Preis“, sagt der 73 Jahre alte Unternehmer.
10 Tage und 14 Arbeitsschritte würde es dauern, um eine Kurland-Tasse herzustellen. Den Aufwand lässt sich die Manufaktur gut bezahlen: Das Kurland-Dinner-Set kostet regulär etwa 1600 Euro.
KPM konnte Umsatz zuletzt leicht steigern
Im vergangenen Jahr sei das Geschäft von KPM um sechs Prozent gewachsen. 13,5 Millionen Euro Umsatz erzielte das Unternehmen. Operativ profitabel ist die Manufaktur aber nur, weil Woltmann den kulturhistorischen Teil in eine Stiftung ausgelagert hat. Die Arbeit der dortigen Archivare und Historiker unterstützt er mit mehreren 100.000 Euro im Jahr.
KPM selbst hat im vergangenen Jahr rund 270.000 Einzelteile verkauft. Zu den Abnehmern zählen neben Privatleuten und Liebhabern auch Restaurants der gehobeneren Kategorie.
Der größte Markt für KPM ist Berlin selbst: Etwa die Hälfte des Umsatzes erzielt die Manufaktur in der deutschen Hauptstadt. Danach folgen der deutschsprachige Raum und das Ausland.
Für das Veredeln der Porzellan-Stücke benötigen die Mitarbeiter mitunter Monate
In China und Taiwan sei vor allem Porzellan mit ausgefallenen Malereien gefragt. Die hohe Nachfrage könne KPM kaum mehr bedienen, erzählt Woltmann. Es sei ja nicht so, dass man einfach eine Maschine dazukaufen könne, scherzt der Investor.
220 Beschäftigte hat die Porzellan-Manufaktur derzeit. Ein Großteil der Porzellan-Produktion werde in Handarbeit erledigt.
Malerei-Mitarbeiter wie Karin Meinke benötigen für das Veredeln der Stücke mitunter Monate. Meinke, gelernte Porzellanmalerin, arbeitet derzeit an einer sogenannten Münchner Vase. Das Landschaftsbild malt sie mit einem feinen Pinsel anhand von Vorlagen ab. Für ihre Arbeit sei vor allem Ausdauer, Geduld und Farbgefühl nötig sowie ein gewisses Talent, sagt Meinke.
„Stilprägend über alle Zeiten“
Neben alten Stücken und Serien kreiert KPM aber auch immer wieder Neues. Zuletzt hatte die Manufaktur etwa die „LAB“-Serie aufgelegt. Das schlichte Porzellan mit klaren Konturen soll vor allem die jüngere Zielgruppe ansprechen.
KPM-Besitzer Woltmann sieht in der Weiterentwicklung des Programms auch eine Verbindung zur Historie. „Die KPM war schon immer stilprägend über alle Zeiten“, sagt er. Neben neuen Produkten, darunter auch Lampen, kooperieren die Berliner zu Marketing-Zwecken auch immer wieder mit bekannten Marken.
So legte die Porzellan-Manufaktur etwa mit Birkenstock einen KPM-Latschen auf, mit Bugatti produzierte KPM sogar ein Auto, das mit einem Tankdeckel und Felgen aus Porzellan ausgestattet war. Ein Einzelstück, versteht sich.
Im Sommer eröffnet ein KPM-Hotel
Woltmann sieht auch in der neuesten Investition auf dem KPM-Gelände eine Möglichkeit, die Porzellan-Marke weiter zu stärken: In den vergangenen zwei Jahren ist gleich neben der Manufaktur das KPM-Hotel entstanden. Bis zu 50 Millionen Euro wird der Unternehmen investiert haben, wenn das Hotel im Sommer offiziell eröffnet.
Derzeit läuft bereits ein Probebetrieb mit 117 Zimmern. An den 57 Residenzen, die von ihren Bewohnern auch über mehrere Monate gebucht werden können, wird noch gebaut. Woltmann, der bereits vier weitere Hotels in Berlin, Potsdam und Thüringen betreibt, legt Wert auf höchste Qualität. „Jedes Zimmer ist anders. Es gibt über 40 verschiedene Grundrisse“, sagt der Unternehmer. Im Hotelrestaurant wird das Essen selbstverständlich auf KPM-Geschirr serviert. Auch ansonsten prangt das Logo der Manufaktur an vielen Stellen im Hotel.
Deutschlandweit haben es die Porzellan-Manufakturen schwer
KPM ist deutschlandweit eine der letzten größeren Porzellan-Manufakturen. Neben den Berlinern buhlen auch noch die Porzellanmanufaktur Nymphenburg aus München und Meißner Porzellan um zahlungskräftige Kundschaft.
Wie herausfordernd das Geschäft ist, hatten zuletzt die Sachsen gespürt. Wegen Millionenverlusten hatte das staatlich getragene Unternehmen zuletzt harte Einschnitte angekündigt. Etwa 200 der 600 Mitarbeiter sollen den Betrieb verlassen.
Auch KPM hatte schwere Zeiten hinter sich, bevor Jörg Woltmann einstieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Manufaktur ein Eigenbetrieb des Landes Berlin. Anfang der 2000er-Jahre wollte der Senat den verlustträchtigen Betrieb dann privatisieren.
Ihrem Retter schenkte die KPM-Belegschaft eine Porzellan-Büste
Als der Versuch zunächst scheiterte, sprang Woltmann ein, baute rund zehn Millionen Euro Schulden ab, investierte weitere 13 Millionen und übernahm zusätzliche Pensionsverpflichtungen für altgediente Mitarbeiter. Ein Stückweit habe er das auch aus Patriotismus gemacht, erzählt der gebürtige Berliner. „Welcher Unternehmer bekommt schon die Chance, ein Kulturgut zu retten“, fragt Woltmann.
Zunächst allerdings sei die Skepsis der Belegschaft gegenüber dem neuen Eigentümer groß gewesen, erinnert sich Jörg Woltmann. Den Beweis dafür, dass er nach der Übernahme von KPM aber doch relativ schnell die Herzen der Mitarbeiter gewinnen konnte, steht heute in seinem Büro.
Zum 60. Geburtstag, nur ein Jahr nach dem Kauf von KPM, schenkte die Belegschaft Woltmann eine Porzellan-Büste: eine Miniatur-Abbild von ihrem Retter selbst.