Berlin. Die Club-Szene ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für Berlin. Was lange vermutet wurde, hat nun eine Studie der Berliner Club-Kommission, der Interessenvertretung der Clubs, bestätigt: Auch beim nüchternen Blick auf die Zahlen, bringt Berlins ausschweifendes Nachtleben die Stadt voran. Club-Touristen bescheren Berlin Umsätze von 1,48 Milliarden Euro pro Jahr. Drei Millionen Touristen feierten laut Studie 2018 in Berliner Diskotheken – nicht eingerechnet die Partygäste, die sowieso in der Stadt wohnen.
Vor allem der Hauptstadt-Tourismus profitiert also: Ein Viertel der 13 Millionen Touristen kam laut Studie, um die Nächte durchzufeiern. Das geht aus der Studie „Clubkultur Berlin 2019“ hervor, die am Dienstagabend im Neuköllner „SchwuZ“ vorgestellt wurde und der Berliner Morgenpost vorab vorlag. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), deren Verwaltung die Studie gefördert hatte, sagte: „Berliner Clubkultur ist weltweit bekannt und ein Markenzeichen unserer Stadt.“ Man unterstütze die Clubs beim Lärmschutz, um auch die Interessen der Anwohner zu wahren.
Die Studie, in der umfangreich Berliner Veranstalter und Experten befragt wurden, zeigt die Welt hinter der Clubtür: 9040 Beschäftige sind in Berliner Clubs angestellt – allerdings nur 30 Prozent sozialversicherungspflichtig. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 168 Millionen Euro. Hinzu kamen knapp 50 Millionen Euro indirekte Umsätze, also Geld, das Getränkehändler einnehmen, Handwerksbetriebe oder Hotels, die die DJs beherbergen.
Lutz Leichsenring, Sprecher der Club-Kommission, sagte der Berliner Morgenpost: „Die Club-Szene an sich ist ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftszweig, noch bedeutender ist aber die Rolle als Impulsgeber für die Stadt.“ Das gelte für den Tourismus, aber auch, um Fachkräfte zu werben. Clubs wie das Berghain, der Tresor oder das Watergate seien ein absolutes „Alleinstellungsmerkmal“ für Berlin.
Selbst Branchenkenner über positive Effekte überrascht
Die positiven Auswirkungen der Clubs-Szene, die die Studie attestiert, liegen deutlich über den Erwartungen von Branchenkennern. Die Untersuchung verantwortet hat Klaus Goldhammer, Geschäftsführer der Beratungsfirma Goldmedia, er sagte der Berliner Morgenpost: „Man ging von einem Umsatz von einer Milliarde Euro aus, die die Berliner Clubs auslösen – dass es nun sogar 1,5 Milliarden Euro sind, ist überraschend.“ Gründe dafür seien rapide steigenden Tourismuszahlen und die besonderen Angebote der Berliner Diskotheken.
Eine erste Studie zur Berliner Clublandschaft hatte es im Jahr 2007 gegeben. Auch damals lag der Umsatz der Branche bei etwa 170 Millionen Euro. Damals wurde der Zielgruppe Touristen eine „wachsende Bedeutung“ attestiert. Eine Vorhersage, die sich bestätigt hat. Die nun veröffentlichte Studie bietet einen Einblick in das wirtschaftliche Innenleben der Diskotheken. So erwirtschaften 49 Prozent der Veranstalter Gewinn, 30 Prozent arbeiten kostenneutral und 21 Prozent machen trotz des Booms Verluste, wenn sie Partys ausrichten.
Großteil der Einnahmen durch Getränkeverkauf
Die Einnahmen kommen zu 60 Prozent aus dem Verkauf von Getränken. Rund 21 Prozent machen Eintrittsgelder aus – in Berlin sind die mit Preisen zwischen fünf und 15 Euro für eine Großstadt recht günstig. Sponsoren, Fördergelder und Fremdvermietungen sorgen für den restlichen Umsatz. Wie man es über die gesamte deutsche Wirtschaft sagt, wird auch die Berliner Clublandschaft vom Mittelstand getragen. Von 280 offiziellen Veranstaltern erwirtschaften nur elf mehr als zwei Millionen Euro – wohl Bigplayer wie das Berghain. 40 Prozent der Veranstalter setzen zwischen 100.000 und 250.000 Euro im Jahr um.
Trotz der überzeugenden Zahlen ist lange nicht alles rosig in der Berliner Clublandschaft. Viele Veranstalter stehen unter dem Druck steigender Mieten und sinkender Freiflächen. Ein neuer Trend, so Lutz Leichsenring von der Club-Kommission, sei, dass die Zusammenarbeit mit der Verwaltung schwieriger wird. Gerade in Außenanlagen würden Genehmigungen nur noch unter strengen Auflagen erteilt. „Wir feiern dieses Jahr 70 Jahre Abschaffung der Sperrstunde in Berlin – da steht diese rigide Genehmigungspraxis dem Freiheitsgefühl der Stadt entgegen“, sagte Leichsenring.
Die Club-Kommission fordert auch deshalb die Einführung des „Agent of Change“-Prinzips, das seit Kurzem in London praktiziert wird. Das beinhaltet, dass Bauherren, die zum Beispiel in der Nähe eines Clubs investieren, für passiven Lärmschutz sorgen müssen. „Wenn in Berlin heute neue Häuser gebaut werden, sind am Ende die Clubs schuld, wenn es Beschwerden gibt.“
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