Berlin –

Die Frau, die der „Operation Morgenröte“ standhält

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Von Matthias Thiemeund Wolfgang Mulke

Birgit Bohle behauptet sich bei der Bahn auf einem Vorstandsposten, während ringsum die Manager abgesägt werden

Berlin.  Von ihrem Berliner Büro aus hoch oben im Bahntower am Potsdamer Platz kann Birgit Bohle weit über die Hauptstadt blicken. Vor einem dreiviertel Jahr ist sie als Vorstand für den Fernverkehr angetreten. Damit ist sie die Frau in der höchsten Position bei der Bahn. Über ihr gibt es nur noch den rein mit Männern besetzten Konzernvorstand. Doch um sie herum wird die Luft immer dünner. Denn in den oberen Etagen der Bahn geht momentan die Angst um. Grund der Verunsicherung bei den Bahn-Managern ist die rigide Personalpolitik des Deutsche-Bahn-Vorstands und ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU).

Dieser werfe einen Verantwortlichen nach dem anderen raus, heißt es aus Konzernkreisen. „Wir erleben hier eine beispiellose ‚Aktion Morgenröte‘“, sagte ein Insider dem Magazin „Spiegel“. Pofalla sei auf Samtpfoten zur Bahn gekommen und zeige nun sein wahres Gesicht. Er sichere seine Macht wie ein Minister ab und dränge reihenweise Manager aus dem Konzern, um ihm genehmere Personen einzusetzen.

Sicherheitschef Gerd Neubeck muss das Unternehmen verlassen

Einige Beispiele: Pofalla sägte kürzlich die langjährige Umweltchefin der Bahn ab und machte seinen früheren Büroleiter im Kanzleramt, Andreas Gehlhaar, zu ihrem Nachfolger. Gehlhaar war öffentlich bislang nicht mit seiner Fachkompetenz in Sachen Umwelt aufgefallen. Auch fragwürdig fanden Bahn-Manager die Ablösung von Sicherheitschef Gerd Neubeck. Der ehemalige Vizepräsident der Berliner Polizei war weit über den Konzern hinaus anerkannt.

Ende Juni verlässt auch die im Konzern sehr geschätzte Leiterin der Rechtsabteilung, Marianne Motherby, das Unternehmen. Pofalla habe in einer internen E-Mail geschrieben, Motherby lege ihre Funktion auf „eigenen Wunsch nieder“ und scheide in „bestem Einvernehmen“ aus, was von Mitarbeitern mit ungläubigem Erstaunen bemerkt worden sei, berichtet der „Spiegel“.

Birgit Bohle lässt sich weder von Pofallas „Operation Morgenröte“ noch von dem schlechten Ruf der Bahn verrückt machen. Die Beschäftigten der Bahn hätten es zuweilen eben nicht leicht: „Gehen Sie mal auf eine Party und sagen, Sie arbeiten für die Deutsche Bahn“, sagt Birgit Bohle, „mitunter braucht man da ein breites Kreuz.“ Das will sie ändern, dem Unternehmen wieder zu einem guten Ruf verhelfen.

Doch bis die Bahn so modern und kundenfreundlich ist, wie sie sein will, wird es noch Jahre dauern. Es ist vor allem Pünktlichkeit, die das Unternehmen nicht in den Griff bekommt. Wenigstens acht von zehn Zügen sollen in diesem Jahr zeitgerecht fahren. Zu Jahresbeginn waren es weit weniger. Mit dem Programm „Zukunft Bahn“ hat der Konzern eine Qualitätsoffensive eingeleitet, die es in diesem Ausmaß noch nie gab. Bohle weiß, dass sich die Bahn nur so gegen die Konkurrenz der Fernbusse, Billigflieger oder Autos behaupten kann. Selbst kaputte Bahnhofsuhren will die Bahn künftig innerhalb von zwei Stunden reparieren.

Bohle hat dafür gesorgt, dass bei der Bereitstellung der Züge am Abfahrtsort alle Beteiligten von der Wartung bis hin zur Station gemeinsam die Ursachen von Verspätungen analysieren und beseitigen. „Qualität entsteht, wenn sich die Eisenbahner mit ihrem Unternehmen identifizieren und an einem Strang ziehen“, sagt Bohle, die gerne und viel lacht, aber in der Sache Klartext spricht. Probleme heißen bei ihr auch wirklich Probleme und nicht „Herausforderungen“, wie Schwierigkeiten in der Wirtschaft sonst gerne verharmlosend umschrieben werden.

Eine steile Karriere hat Bohle auf den Vorstandsposten geführt. 1992 begann sie eine Ausbildung bei BASF und studierte anschließend an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz sowie den USA. Im Jahr 2000 stieg sie bei der Unternehmensberatung McKinsey ein und lernte darüber auch die Deutsche Bahn gut kennen, die sie 2007 abwarb und als Vertriebsleiterin einstellte. Im August 2015 rückte sie dann auf die heutige Position. So weit haben es in Deutschland beruflich nur wenige Frauen gebracht. Sie trägt die Verantwortung für die 17.000 Beschäftigten der Sparte.

Auch das Zusammenspiel von Beruf und Privatleben hat Bohle klar strukturiert. Die beiden Kinder betreut verstärkt ihr Ehemann, der als Selbstständiger zu Hause arbeiten kann. Bohles Mitarbeiter dürfen höchstens zwei Abende in der Woche mit beruflichen Terminen blockieren. Und das Wochenende gehört der Familie in Frankfurt, wo der Fernverkehr seine Zentrale hat. Eine Schwäche mancher Managerinnen, sich zu wenig in Netzwerke einzubinden, ist Bohle fremd. Sie ist gut verknüpft. Vielleicht ist das ja auch ihr bester Schutz gegen die „Operation Morgenröte“.