Bei Siemens macht sich Trübsinn breit. Da ist zum einen Vorstandschef Peter Löscher, der zeitgleich mit den Halbjahreszahlen verkündete, dass es mit dem angestrebten Jahresgewinn schwierig werden könnte. In der vorsichtigen Investorenansprache führte Löscher aus, dass man sich dem Ziel eines Jahresgewinns im fortgeführten Geschäft von 4,5 bis fünf Milliarden „von unten annähern“ könne.
Um so mehr und um so dringlicher, so die Botschaft der Konzernspitze, braucht der Konzern daher das Sparprogramm „Siemens 2014“. Dieses Programm wiederum verdirbt Belegschaft, Betriebsräten und der bei Siemens traditionell starken IG Metall die Laune. Es läuft gerade nicht viel zusammen bei Deutschlands größtem Industriekonzern.
Bis zu 10.000 Arbeitsplätze könnten weltweit bei Siemens abgebaut werden. Das ist die Zahl, die Betriebsräten die Laune verdirbt. Doch bislang geistern Zahlen mehr durch den Konzern als das es Konkretes gibt.
Im Herbst möchte Siemens offiziell sagen, in welchem Umfang im Rahmen des Programms Jobs gekürzt werden sollen. Bekannt ist, dass im Moabiter Turbinenwerk 150 Stellen gestrichen werden sollen und rund 50 im Messgerätewerk in Siemensstadt. Unter dem Strich wird Berlin, mit rund 13.000 Mitarbeitern weltgrößter Produktionsstandort, nach derzeitigem Stand beim Personalabbau glimpflich davon kommen.
Siemens will zu den Rivalen ABB und General Electric aufschließen
So richtig offiziell sind die Vorgaben zum Sparprogramm: Kosten um sechs Milliarden Euro runter, Rendite auf 12 Prozent hoch. So will Siemens zu den Rivalen ABB und General Electric aufschließen. Die IG Metall treibt die Furcht um, Siemens könne dadurch seinen Charakter verändern. Hin zu einem Unternehmen, dass von kurzfristigen Renditeerwartungen getrieben, ständig Geschäftsbereiche ankauft oder abstößt.
Da Siemens Zukunftsmärkte wie Medizintechnik, Urbanisierung, Energie und Verkehr dominieren wolle, sei der Plan der Unternehmensspitze geradezu „verrückt“, meint Irene Schulz vom Siemens-Team der IG Metall. Die Gewerkschaft versucht mit einem eigenen Unternehmenskonzept namens „Siemens 2020“ Einfluss auf das Management zu nehmen – und will damit auch Druck aufbauen.
Der Druck nimmt aber auch dadurch zu, dass die Zahlen nicht so gut sind. So ist der schwächere Ausblick ein Rückschlag für Löscher. Dem Konzernchef war in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit wiederholt Führungsschwäche nachgesagt worden. Dass es nun auch operativ im Konzern nicht rund läuft, ist für ihn nicht gerade hilfreich. Bislang konnte er darauf verweisen, in den zwei abgelaufenen Geschäftsjahren die höchsten Gewinne in der Siemens-Geschichte erzielt zu haben. Für Löscher ist es die bereits fünfte Gewinnwarnung in sechs Jahren an der Siemens-Spitze.
Siemens macht die Konjunkturlage für die schlechte Entwicklung verantwortlich. Vor allem wegen des schwierigen Marktumfelds seien Umsatz und Ergebnis gesunken. Probleme gibt es vor allem im kurzfristigen Geschäft, was sich vor allem in der Industriesparte bemerkbar macht, in der Kunden zum Teil tagesaktuell Bestellungen aufgeben. Der Umsatz des Sektors sank um neun Prozent, der Auftragseingang um zehn Prozent.
Der Welt fehle ein starker Wachstumsmotor, beklagte Löscher. Vor allem die Geschäftsentwicklung in China enttäuscht. So verfolgt die neue Führung in Peking das Ziel, die Binnenkonjunktur zu stärken, was Investitionen schwächt. Im kurzzyklischen Geschäft in China erwartet Löscher frühestens zum Ende des Geschäftsjahres einen Aufschwung. Auch die US-Konjunktur dürfte erst 2014 anziehen.
Großaufträge für Windparks
Besser sieht es bei langfristigen Aktivitäten aus. So kann Siemens zwei Großaufträge für Windparks in der Nordsee verbuchen. Darüber hinaus rief die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) die ersten Züge aus einer Rahmenvereinbarung ab. Der Siemens-Auftragseingang wuchs auch dadurch um ein Fünftel. In der Siemens-Bilanz machen sich die Großaufträge noch nicht bemerkbar.
Zwischen Januar und März sackte das operative Ergebnis im Kerngeschäft um 29 Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro ab. Der Umsatz ging um sieben Prozent auf 18 Milliarden Euro zurück. Dass der Gewinn der fortgeführten Aktivitäten trotzdem leicht auf 982 Millionen Euro stieg, liegt auch daran, dass sich das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks nach hohen Verlusten wieder fangen konnte.
Siemens kämpft allerdings weiterhin mit einer Reihe von hausgemachten Problemen. So muss der Konzern Belastungen von 161 Millionen Euro wegen Verzögerungen bei der Lieferung von ICE an die Deutsche Bahn sowie des neuen Eurostars verbuchen. Einen Nackenschlag erhielt Siemens am Donnerstag zudem durch die Entscheidung der Deutschen Bahn, einen Rahmenvertrag zur Lieferung von 450 Elektroloks im Wert von 1,5 Milliarden Euro an Bombardier zu vergeben.
Löscher machte erneut den aufwendigen staatlichen Genehmigungsprozess für die Verzögerungen beim Zugbau verantwortlich. Darüber hinaus seien die europäischen Zugsicherungssysteme ein Flickenteppich, was die Arbeit am Eurostar, der durch vier Länder steuern soll, erschwere. Löscher räumte ein, Siemens habe die Komplexität „eindeutig unterschätzt“.