In einem alten Fabrikgebäude an der Rotherstraße in Friedrichshain sitzen 30 junge Leute, die fest entschlossen sind, dem Weltkonzern Deutsche Bahn das Fürchten zu lehren.
Da, wo einst Glühlampen produziert wurden, werden jetzt Routen ausgetüftelt, Preise kalkuliert und Werbekampagnen besprochen. Ziel der beiden Start-up-Unternehmer Torben Greve und Panya Putsahit ist der Aufbau eines deutschlandweiten Streckennetzes, das täglich von Fernbussen bedient wird. Die Busse seien für die Fahrgäste nicht nur deutlich preisgünstiger, sondern auch noch ökologischer als die Bahn, werben die beiden Jung-Unternehmer für ihr Angebot, das unter „MeinFernbus.de“ vermarktet wird.
Zwei Linien in Süddeutschland und der Schweiz gibt es schon, sechs neue nationale Fernbuslinien kommen Ende November dazu. Dann sollen die markant hellgrünen Omnibusse auch zweimal am Tag von Berlin über Suhl, Würzburg und Karlsruhe bis nach Freiburg fahren. Das Ticket für die gesamte 809 Kilometer lange Strecke kostet nach Unternehmensangaben im Sparangebot 28 Euro bis maximal 59,50 Euro. Der Normalpreis für ein Bahnticket im ICE ist mit 99 bis 116 Euro für diese Verbindung fast doppelt so teuer.
Ausnahme Berlin
„MeinFernbus.de“ ist nicht der einzige Anbieter, dass groß in den Fernbusgeschäft einsteigen will. Auch Traditionsunternehmen wie die Deutsche Touring oder neue Anbieter wie Meinbus gehen auf Expansionskurs. In den Startlöchern stehen auch ausländische Branchengrößen, zum Beispiel Veolia aus Frankreich. Sie alle hoffen darauf, ein ordentliches Stück vom Kuchen eines zumindest hierzulande neuen Geschäftsfeldes abzubekommen: dem Überlandverkehr mit dem Bus. Denn anders als etwa in den USA (Greyhound Lines) oder Großbritannien mit seinem National-Express-System führte der Fernbusverkehr in Deutschland jahrzehntelang nur ein Schattendasein.
Grund war das Personenbeförderungsgesetz aus dem Jahr 1935, das vor allem dazu diente, die staatseigene Eisenbahn vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen. Demnach konnten neue Buslinien nicht genehmigt werden, wenn die selbe Verkehrsleistung bereits durch andere Verkehrsmittel (Eisenbahn, bestehende Buslinien) in befriedigendem Umfang erbracht wird. Eine Ausnahme machte nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich Berlin. Wegen ihres besonderen politischen Status’ und ihrer schlechten Anbindung an das bundesdeutsche Eisenbahnnetz unterlag die Stadt nicht dem strengen Verbot. Vom Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) am Messegelände verbinden daher seit vielen Jahren diverse Buslinien Berlin mit zahlreichen anderen Großstädten und Tourismuszielen in Deutschland sowie vielen Metropolen in ganz Europa.
Das 80 Jahre alte Bahnmonopol ist gefallen
Nach jahrelangen Verhandlungen und trotz des hartnäckigen Widerstands der Bahn und der Eisenbahner-Gewerkschaften hat die schwarz-gelbe Bundesregierung in diesem Jahr nun doch das Personenbeförderungsgesetz grundlegend überarbeitet. Vor einigen Tagen hatte auch der Bundesrat der Gesetzesnovelle zugestimmt. Zwar brauchen die Anbieter weiterhin eine behördliche Konzession und eine Personenbeförderung mit Fernbussen im Bereich bis zu 50 Kilometern ist ihnen weiterhin untersagt.
Doch im Grundsatz ist das rund 80 Jahre alte Bahnmonopol im Fernverkehr gefallen. Vom 1. Januar 2013 an sind überall in Deutschland Fernbuslinien möglich, die untereinander und auch mit dem Eisenbahnfernverkehr konkurrieren dürfen.
Billiger, schneller, komfortabler
Auf diesen Wettbewerb sehen sich die beiden Berliner Jungunternehmer Torben Greve und Panya Putsahit trotz ihrer vergleichsweise geringen Erfahrung bestens vorbereitet. Zwar haben sie die MFB MeinFernbus GmbH erst im Juni 2011 gegründet und erst im April 2012 wurde die erste Linie zwischen Freiburg und München eröffnet. Doch ihre Geschäftsidee halten sie für sie so gut, dass sie am Dienstag öffentlich das Ziel ausgaben, zur „bekanntesten und beliebtesten Fernbusanbieters Deutschlands“ zu werden.
Ihr Konzept: Deutlich billiger sein als die Bahn, dennoch schnelle Direktverbindungen (vorzugsweise da, wo die Bahn sie nicht mehr hat) und guten Service anbieten. Zum guten Service gehören etwa der kostenfreie Zugang zum Internet im Bus und die Mitnahme von Fahrrädern. „Das bietet die Bahn im ICE gar nicht und in den Intercity-Zügen nur sehr eingeschränkt“, sagte MeinFernbus-Geschäftsführer Greve.
Bis zu fünf Räder kann jeder Bus mitnehmen, vorgebucht zum Aufpreis ab neun Euro pro Rad. „Mehr geht nicht, sonst bräuchten wir Hänger – und dann dürften die Busse nur noch 80 km/h fahren“, bedauerte Greve. Doch fünf Räder bei 50 Passagieren sei im Vergleich zur Bahn ein guter Schnitt.
Zusammenarbeit mit der Bahn
Besonders bei jüngeren Kunden kommt das preisgünstige Reiseangebot gut an. Rund ein Drittel der bislang 85.000 MeinFernbus-Kunden sind einer Umfrage zufolge im Alter von 18 bis 25 Jahren. Doch schon auf Platz zwei liegt die Altersgruppe der 50 bis 64-Jährigen. „Für sie ist wichtig, dass wir Direktverbindungen haben, die von der Bahn oft nicht mehr angeboten werden“, so Greve.
Umfragen belegen aber auch, dass nur ein Drittel der Fernbuskunden zuvor Bahnnutzer waren. Der weitaus größere Teil sei vorher mit dem eigenen Auto unterwegs gewesen oder hat Angebote der Mitfahrzentralen genutzt. 20 Prozent der Fahrgäste sind laut Greve neu gewonnene Kunden. Sie hätten sich ohne das Fernbusangebot gar nicht erst auf Reisen begeben. Von diesen Kunden könnte auch die Bahn profitieren. Denn fast alle Linien werden so konzipiert, dass die Busse an den Bahnhöfen der angefahrenen Stadt halten. „Wir wollen die Zusammenarbeit mit der Bahn“, so Greve.