Nach Insolvenz

Schlecker-Mitarbeiterinnen sollen nun Kinder erziehen

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Stefan von Borstel

In der Drogerie-Branche wird es eng: Deshalb sollen die gekündigten Verkäuferinnen jetzt zu Erzieherinnen umgeschult werden.

Die gekündigten Beschäftigten der insolventen Drogeriekette Schlecker werden wohl nicht alle wieder einen Job im Handel finden, stattdessen sollen sie Fachkräftelücken in anderen Branchen füllen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bot den gekündigten Schlecker-Verkäuferinnen eine Umschulung zur Erzieherin oder Altenpflegerin an. Es sei ein gemeinsames Anliegen, die Beschäftigten der insolventen Drogeriemarktkette in Mangelberufe umzuschulen, sagte von der Leyen in Berlin nach einem Treffen mit dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, und Ver.di-Chef Frank Bsirske. Nach der Insolvenz müssen etwa 25.000 Beschäftigte – meist Frauen – neue Arbeit suchen.

In strukturschwachen Räumen könnten viele Schlecker-Frauen keine Anstellung im Handel finden, bei Erziehern oder in der Altenpflege aber sei der Bedarf groß, sagte die Ministerin. „Hier müssen wir passgenau qualifizieren.“ Und: „Ich will den Frauen Mut zusprechen, einen Neuanfang zu wagen.“ Dies könne sowohl für die Betroffenen als auch „für die Gesellschaft insgesamt“ eine Chance sein, sagte auch Bsirske und fügte hinzu: „Wir wollen das Beste aus dieser dramatischen Situation machen.“

Während der zweijährigen Berufsqualifizierung zu Erzieherinnen oder Altenpflegern für strukturschwache Räume sollen die ehemaligen Schlecker-Beschäftigten Arbeitslosengeld I erhalten. Das Geld für die Umschulungen stammt aus der „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels“.

Bund, Länder und Kommunen hatten vereinbart, bis Mitte 2013 für 750.000 Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsangebot zu schaffen. Dafür fehlen derzeit noch rund 14.000 Erzieherinnen und 16.000 Tagesmütter. Die Bundesarbeitsministerin hatte in dieser Woche angekündigt, mehr Arbeitslose könnten zu Erzieherinnen umgeschult werden. Derzeit sind dies etwa 2500 im Jahr. Zudem ist von der Leyen mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im Gespräch über ähnliche Vorhaben bei Fachkräften in der Pflege.

Unbezahlte Praktika

Von den 11.190 in der ersten Welle im Frühjahr Entlassenen Schlecker-Mitarbeiterinnen sind bislang rund 5000 untergekommen, etwa in Förderprogrammen. Weniger als 2500 fanden dabei einen vollwertigen neuen Job. „Das ist keine Zahl, die beruhigt, sie zeigt aber eine gewisse Dynamik“, sagte Bundesagentur-Chef Weise. Viele Schlecker-Beschäftigte hätten wertvolle Berufserfahrung und würden auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Zwei Drittel der in der ersten Welle gekündigten Mitarbeiterinnen sind zwischen 25 und 50 Jahren alt, ebenfalls zwei Drittel haben eine Berufsausbildung.

Ver.di-Chef Bsirske wies daraufhin, dass es nur 25.000 offene Stellen im Einzelhandel gebe, aber rund 360.000 Arbeitssuchende. Er kritisierte, viele Schlecker-Beschäftigte seien nach der ersten Kündigungswelle nur in unbezahlte Praktika oder Urlaubsvertretungen vermittelt worden. „Es kann nicht sein, dass sie jetzt als billige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen“, sagte er. Bundesagentur-Chef Weise erklärte, dies seien nur Einzelfälle, die nicht wieder vorkommen sollten.

Die Hoffnung auf eine bundesweite Transfergesellschaft, die den Schlecker-Mitarbeiterinnen hilft, neue Arbeitsplätze zu finden, hat Bsirske aufgegeben. Mit dieser Bundesregierung sei das nicht durchzusetzen, sagte der Gewerkschaftschef. Nach der ersten Kündigungswelle Ende März hatte die Gewerkschaft eine Transfergesellschaft gefordert. Einige Bundesländer hatten sich dazu durchgerungen, die FDP allerdings hatte sie kategorisch abgelehnt.

Bsirske kritisierte die Position der FDP als „beschämend“ und gab der Partei eine Mitschuld an der Insolvenz der Drogeriekette. 50 Prozent der in der ersten Welle gekündigten Schlecker-Mitarbeiter hätten dagegen geklagt. Dies habe Investoren abgeschreckt. „Das wäre nicht nötig gewesen“, meinte Bsirske und verwies auf die „Ihr Platz“-Filialen. Für diese wurde eine Transfergesellschaft gegründet und nur drei Prozent der Mitarbeiter klagten. Inzwischen ist mit der Münchener Dubag ein Investor gefunden.

Eine Transfergesellschaft für Schlecker hätte auch der „Vereinzelung“ der Mitarbeiter entgegengewirkt, meinte Ver.di-Chef Bsirske und ihnen zudem einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld verschafft. Auch von der Leyen nannte es „bitter“, dass eine Transfergesellschaft nicht zustande gekommen sei. Bsirske will jetzt aber mit den SPD-geführten Ländern das Problem noch einmal erörtern. „Das Thema ist nicht vom Tisch.“