"Hochgefährlich"

Schufa will Facebook-Daten für Bonitätsprüfung nutzen

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Per Hinrichs

Foto: dpa

Ideen der Auskunftei für Datensammlungen im Internet sind auf heftige Kritik von Daten- und Verbraucherschützern gestoßen.

Deutschlands bekannteste Auskunftei, die Schufa, plant, in großem Umfang Daten aus dem Internet zu sammeln und für Bonitätsprüfungen von Verbrauchern zu nutzen. Nach Recherchen von NDR Info und der "Welt" lässt das Unternehmen dafür in Potsdam Ideen entwickeln, wie soziale Netzwerke wie Facebook, Geodatendienste wie Google Street View oder Mitarbeiterverzeichnisse von Unternehmen für die Schufa nach personenrelevanten Daten durchsucht werden können. Offiziell geht es zunächst nur darum, herauszufinden, was möglich wäre, nicht, es auch zu nutzen.

Mit Unterstützung der Auskunftei hat das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) ein „Schufa Lab@HPI“ eingerichtet. Die Forscher, wissenschaftlichen Mitarbeiter und Studenten sollen herausfinden, wie sich Informationen aus dem Internet mit anderen Informationen der Auskunftei verknüpfen lassen. Die Schufa und das HPI bestätigen die Zusammenarbeit.

Neben den erwähnten offen zugänglichen Quellen wie sozialen Netzwerken stellen sich die Wissenschaftler auch die Frage, wie aus nicht-öffentlichen Datenbanken und Internet-Seiten, dem so genannten „dark web“, Informationen beschafft werden können. Zu den Ideen gehört demnach auch, Profile bei Facebook, Xing und Twitter zu bilden, andere Nutzer zur Teilnahme aufzufordern und um diese dann zur verdeckten Beschaffung von Adressen zu nutzen. Zudem sind digitale Marktplätze wie immoscout24 oder mobile.de im Visier des Schufa Lab. So steht es in einem Memorandum namens „Projektideen“.

Bewertung des Arbeitsplatzes

Das übergeordnete Interesse ist, statistische Zusammenhänge zwischen einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen und der Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern zu finden. Die Daten aus dem Internet sollen dann mit Daten aus der Schufa-Datenbank verknüpft werden, mit dem Ziel, noch genauere Aussagen über den einzelnen Konsumenten zu treffen. So „soll ein Pool entstehen, der von der Schufa für existierende und künftige Produkte und Services eingesetzt werden kann“.

Ausgespart wird in dem Papier so gut wie nichts: Die Qualität des Arbeitsplatzes könnte bewertet werden („Anzahl Angestellte, Gewinn, Durchschnittslohn“) und die Wohnanschrift anhand von Geo-Daten („Wohnqualität, Mietenspiegel“). Auch um „VIPs“ machen sich die Wissenschaftler Gedanken. Eine automatisierte Identifikation könnte „Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützer und Journalisten“ sichtbar machen. Es gehe um die „explizite Datensammlung in sozialen Netzwerken“, darunter „auch unter anderen account-Namen“, weil „Experimente am HPI nur beschränkt möglich“ seien.

Die Schufa und das HPI rechtfertigen ihr Vorhaben als wissenschaftliches Forschungsprojekt. Die Sammlung von Projektideen sei „in Gesprächen zwischen dem HPI-Fachgebiet Informationssysteme und dem Projektpartner Schufa entstanden“, sagte Felix Naumann, Professor am HPI und Leiter des Fachgebiets Informationssysteme. Es handele sich um Grundlagenforschung, die man nach höchsten ethischen Maßstäben betreibe. „Sämtliche entwickelten Methoden und daraus resultierende Erkenntnisse“, sagte Naumann, würden nach drei Jahren als wissenschaftliche Beiträge öffentlich publiziert.

Die Vorhaben bewegen sich Schufa und HPI zufolge nur in einem „Ideenraum“. Was die Schufa tatsächlich vorhat, steht in einem zweiten Papier: „Aus dem Web generierte Informationen werden durch die Schufa mit anderen Informationen verknüpft und aus Business-Sicht bewertet“, heißt es dort.

Beide Projektpartner betonen weiter, dass alles transparent, öffentlich und im gesellschaftlichen Interesse sei. Klar ist aber auch, dass es beim „Schufa Lab@HPI“ in erster Linie um den geschäftlichen Erfolg des Wiesbadener Unternehmens geht, wie Schufa-Vorstand Peter Villa in dieser Woche sagte: „In der Zusammenarbeit mit dem HPI wollen wir durch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse langfristig die Qualitätsführerschaft unter den Auskunfteien in Deutschland sichern.“ Dafür zahlt die Schufa pro Jahr 200000 Euro an das HPI. Vorstandsvorsitzender der Schufa ist seit gut einem Jahr der ehemalige Hamburger Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Freytag trat im März 2010 im Gefolge der HSH Nordbank-Affären von seinem Amt als Finanzsenator zurück.

Daten- und Verbraucherschützer reagieren auf die Schufa-Pläne mit Entsetzen und Unverständnis. „Hinter einem solchen Forschungsprojekt steckt immer eine Absicht. Sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension“, sagt der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert, der die Dokumente analysierte. Besonders problematisch sei, „dass Informationen, die beiläufig ins Netz gestellt worden sind, systematisiert werden sollen.“

Auch die Hamburger Verbraucherschützerin Edda Castelló sieht den Schufa-Vorstoß ins Netz mit Unbehagen. „Für hochgefährlich halte ich es, wenn verschiedene Datensammlungen mit persönlichen Lebensläufen und Angaben von einem Wirtschaftsunternehmen zusammengeführt und ausgenutzt werden“, sagte sie. „Leute, die bei Facebook unterwegs sind, denken nicht daran, dass das, was sie dort sagen, vielleicht einmal für ihre Kreditwürdigkeit von Belang ist“, sagte Costello. „Das ist eine Grenzüberschreitung.“

Astrid Kasper, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Schufa, kann dagegen nichts Schlimmes an der Ausforschung finden. Es gehe lediglich „um die wissenschaftlichen Möglichkeiten der Einsichtnahme, aber auch der Bewertung von Informationen aus dem Netz“.