Es bewegt sich etwas in Europas Bahnverkehr. Die EU-Kommission hat für 2010 eine Liberalisierung des Personenzugverkehrs angekündigt. Für die Bahnen bedeutet das, dass ab kommendem Jahr theoretisch jeder Zugbetreiber in jedem EU-Mitgliedsland Bahnverbindungen anbieten kann – und Passagiere können sich im Idealfall über günstigere Preise, besseren Service und ein größeres Streckennetz freuen.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das Railteam (
www.railteam.de
). Unter diesem Namen haben sich sieben europäische Bahnen zusammengeschlossen: Deutsche Bahn, SNCF (Frankreich), SNCB (Belgien), NS Hispeed (Niederlande), ÖBB (Österreich), SBB (Schweiz) und Eurostar (Großbritannien/Frankreich/Belgien) haben ein europäisches Hochgeschwindigkeits-Streckennetz (ab 200 Stundenkilometer) aufgebaut, das mittlerweile 140 europäische Städte verbindet.
Nach dem Vorbild der Flug-Allianzen wie Star Alliance oder One World werden im Railteam Service-Standards und Bonusprogramme koordiniert, und es stehen 40 Lounges in den Bahnhöfen für Bahnvielfahrer offen. Bereits heute verbinden mehr als 5000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken viele wichtige europäische Städte. Dieses Netz soll bis 2010 auf 6000 Kilometer erweitert und bis zum Jahr 2020 verdreifacht werden.
Schnell, günstig und umweltfreundlich
Europas Bahnen blasen damit zum Angriff auf die Fluggesellschaften. So stellte wegen der Konkurrenz auf der Schiene Germanwings bereits die Flüge zwischen Stuttgart und Paris ein, Air France hat zwischen Paris und Straßburg ihre Flugfrequenzen stark reduziert und die Verbindung Paris–Brüssel gleich ganz gekappt.
Punkten können die Superschnellzüge mit drei Faktoren: Zeit, Geld und Umweltverträglichkeit. Thema Zeit: Der spanische AVE benötigt beispielsweise für die 630-Kilometer-Strecke Madrid–Barcelona nur noch gut zweieinhalb Stunden und nähert sich damit der Flugzeit an (Zum Vergleich: Iberia fliegt 70 Minuten von Madrid-Barajas zum Aeroport de Barcelona, hinzu kommen jeweils bis zu 30 Minuten mit dem Taxi zwischen Innenstadt und Flughafen). Faktor Geld: Der Preis für die einfache ICE-Fahrt zwischen den Innenstädten von Frankfurt und Paris beginnt zum Beispiel für einen Termin im März bei 59 Euro (Lufthansa startet im gleichen Zeitraum ab 100 Euro für Hin- und Rückflug, hinzu kommen 25 beziehungsweise 50 Euro Taxikosten zwischen Innenstadt und Flughafen).
Schließlich das Thema Umwelt: Das Internetportal der französischen Staatsbahnen ( www.voyages-sncf.com ) bietet einen EcoComparateur, wo man den Kohlendioxydausstoß einer Reise berechnen kann. Demnach entstehen pro Passagier bei einer Fahrt mit dem Schnellzug Thalys – einer Tochter der französischen, belgischen, niederländischen und deutschen Bahn – zwischen Paris und Brüssel 10 Kilogramm Kohlendioxid, bei einem Flug etwa mit Brussels Airlines sind es 45 Kilogramm CO 2 pro Passagier). Es spricht also einiges dafür, bei Europareisen nicht automatisch in den Flieger zu steigen. Die sechs wichtigsten Hochgeschwindigkeitszüge stellen wir vor.
ICE
Die Deutsche Bahn bietet – neben innerdeutschen Zielen – rund 200 Verbindungen in 80 europäische Städte in Frankreich, Dänemark, Österreich, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden. 70 Prozent davon werden mit dem ICE bedient, der stets mit 1. und 2. Klasse verkehrt. Es gibt Ruhezonen, Kleinkindabteile und einen Speisewagen, in der 1. Klasse wird das Essen auf Wunsch am Platz serviert. Im ICE kann man als BahnComfort-Kunde bis fünf Minuten vor Abfahrt eine Reservierung buchen – online oder am Automaten. Tickets gibt es an Bahnschaltern, Automaten und im Internet ( www.bahn.de ), Buchen kann man bis drei Monate im Voraus.
TGV
Der TGV (Train à Grande Vitesse) steuert gemeinsam mit seinen Tochterzügen Thalys und Eurostar mehr als 230 Zielorte in Frankreich, der Schweiz, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Deutschland und England an, auf vielen Strecken wird mit Tempo 300 gefahren. Es gibt 1. Klasse, 2. Klasse und einen Barwagen. Der Sitzabstand beträgt beim doppelstöckigen TGV-Duplex in der Reihe 92 Zentimeter, das sind komfortable 20 Zentimeter mehr als im Flugzeug. Im TGV besteht Reservierungspflicht. Die Fahrkarten können bis zu drei Monate vor der Abfahrt gebucht werden (Preisbeispiel: ab 25 Euro für eine einfache Fahrt Paris–Mailand). Buchbar sind sie auf der deutschsprachigen Homepage www.tgv-europe.de , hier gibt es auch Tickets für Thalys und Eurostar.
Thalys
Auf dem Streckennetz zwischen Paris, Brüssel, Amsterdam und Köln wurden seit 1996 70 Millionen Reisende transportiert. Alle 26 Thalys-Züge erhalten derzeit bis 2010 ein neues Design und eine moderne Ausstattung. Ein neues Zugleit- und Sicherungssystem ermöglicht dann das Fahren auf den für Ende 2009 geplanten Hochgeschwindigkeitstrassen in den Niederlanden und Belgien. Dann verkürzt sich die Fahrzeit von Amsterdam und Köln nach Paris auf drei Stunden 15 Minuten, nach Brüssel auf eine Stunde 45 Minuten. Tickets (ab 7 Euro für die einfache Fahrt Aachen–Lüttich) auf der auch deutschsprachigen Homepage
www.thalys.com
Eurostar
Eurostar bietet bis zu 29 Fahrten täglich zwischen London, Paris und Brüssel. Die Züge sind reservierungspflichtig, man hat also eine Sitzplatzgarantie. Die Tickets können bis vier Monate vor Abfahrt gebucht werden (ab 75 Euro für die einfache Fahrt London–Paris). Der Eurostar ist in drei Klassen unterteilt: Im Standard gibt es einen Bar- und Büfett-Service, in der Leisure Select wird Champagner plus Drei-Gänge-Menü am Platz serviert, und in der Business Premier wird unter anderem ein Express-Check-in und Zugang zu den Business Lounges mit drahtlosem Internetzugang gewährt. Buchung auch für deutsche Kunden nur in Englisch auf der Homepage
www.eurostar.com
AVE
Die spanische Eisenbahngesellschaft Renfe hat 70 Superschnellzüge, die Alta Velocidad Española (AVE), im Einsatz. Das Streckennetz verbindet 14 Städte miteinander. Alle AVE bieten drei Komfortstufen: Die Club-Klasse hat ein halboffenes Abteil mit Mittelgang und bietet wie auch in der Preferente-Klasse (Sitzabstand: 96 Zentimeter) Essen am Platz. Die zweite Klasse heißt Turista (Sitzabstand: 91 Zentimeter). Dazu gibt es eine Cafeteria. Die Homepage www.altavelocidad.org bietet nur allgemeine Informationen auf Spanisch. Tickets (Beispiel: ab 40 Euro für die einfache Fahrt Madrid–Barcelona) gibt es auf www.raileurope.com , wo Zugtickets in 32 europäischen Ländern online reserviert werden können.
TAV
Treno Alta Velocità (TAV), eine Tochter der italienischen Bahngesellschaft Rete Ferroviaria Italiana (RFI), hat mit dem ETR-500 (bis zu 300 Stundenkilometer) den schnellsten Zug Italiens im Einsatz. TAV bedient auf der Nord-Süd-Linie momentan die Strecken Florenz–Rom und Rom–Neapel. Seit 2006 geht es im Norden von Turin nach Novara (von hier aus soll es noch 2009 weitergehen nach Mailand). Im Dezember wurde die Strecke Mailand–Bologna eingeweiht. Kurz vor der Eröffnung steht auch die Strecke Bologna–Florenz. Im ETR-500 gibt es jeweils vier Wagen der 1. Klasse und sechs Waggons der 2. Klasse. Dazwischen liegt der Speisewagen. Tickets (zum Beispiel 30 US-Dollar für eine einfache Fahrt Mailand–Bologna) bei www.raileurope.com