Die Hoffnung stirbt zuletzt. „Natürlich wollen wir Manufactum so erhalten, wie es ist. Aber solange Herr Hoof als Berater in der Firma bleibt, mache ich mir wenig Sorgen“, sagt Thorsten Klein. Der junge Mann mit dem Goldring im Ohr ist Verkäufer bei Manufactum in Hamburg, und Thomas Hoof ist noch bis Ende des Jahres sein Chef. Dann steigt der 58-jährige Gründer des genauso perfektionistischen wie elitären Versand- und Einzelhändlers nach zwei Jahrzehnten aus seiner Firma aus. Ab Januar 2008 hat dann der Otto-Konzern das Sagen.
Die 13 Mitarbeiter in der Hamburger Filiale hoffen ebenso wie die anderen gut 300 Kollegen am Firmensitz von Manufactum in Waltrop oder in den Läden in München, Stuttgart, Düsseldorf und Berlin, dass Hoof bei wichtigen strategischen Entscheidungen weiter gefragt und auch gehört wird.
Die Kunden dürften es nicht minder wichtig finden, dass der neue Eigentümer sich bei Manufactum kaum bemerkbar macht. „Hätte ich gewusst, dass Otto schon Miteigentümer ist, hätte ich nicht bei Manufactum gekauft“, sagt ein Besucher des Hamburger Geschäfts, der sich gerade die giftgrüne Schubkarre aus schwedischer Fertigung für 129 Euro anschaut.
Otto ist bereits vor neun Jahren bei Manufactum eingestiegen und hielt zuletzt 50 Prozent der Anteile. Dass eines seiner Kinder Manufactum übernehmen könnte, war für Hoof angeblich keine Überlegung. „Das ist keine Zeit zur Bildung von Dynastien“, sagt Hoof Morgenpost Online.
Königreich im Land der Alltagsgegenstände
Dabei hat er mit Manufactum doch ein Königreich im Land der Alltagsgegenstände geschaffen. In seinen Kaufhäusern, im Katalog und über das Internet gibt es dort die „guten“ Dinge, Gebrauchsartikel oder auch Sachen einfach nur zum Wohlfühlen. Im Angebot ist etwa ein Hautöl, dessen Basis „tierische und pflanzliche Organismen aus dem Urmeer Thetis“ sind. Deshalb sei es besonders wohltuend und entspannend.
Im Regal liegt auch ein Präzisionsbleistiftspitzer aus Messing, der drei Schärfen spitzen kann. Gleich daneben findet sich die original Firepoint-Axt aus den USA, die bei ihrem Gewicht nur kräftige Käufer interessieren dürfte. Töpfe, Schuhe, Fahrräder, Gartenstühle – allesamt sind die Waren nach „hergebrachten Standards arbeitsaufwendig gefertigt und daher solide und funktionstüchtig“. Und weil sie eben aus ihrer Funktion heraus gestaltet sind, hält Manufactum sie auch für schön, langlebig, reparierbar und daher umweltverträglich. Da kommt bei dem oft teuren Kauf sicher kaum Reue auf.
Wer anders sein will als die anderen, kann auch Reisen mitmachen. Deren Reiseführung vereint „höchste Sachkenntnis mit Begeisterung und Liebe“, sie hat die „Gabe der Ansteckungsfähigkeit“. Manufactum pflegt eine ebenso unterhaltsame wie anspruchsvolle Katalogsprache – aufgeschrieben in alter Rechtschreibung. Viele Kunden lesen den Manufactum-Katalog wie einen unterhaltsamen Comic, nicht wie ein Bilderbuch, das intuitive Kaufreflexe auslösen soll.
Firmengründer Hoof: "Ich habe jetzt anderes vor"
Trotz des großen Erfolges – Gründer Hoof will gehen: „Weil einerseits 19 Jahre wirklich genug sind, und weil außerdem das Tagewerk eines Chefs von mittlerweile 320 Mitarbeitern so stark von Besprechungen, Meetings und Konferenzen bestimmt ist, dass dies bei einem eher wortkargen Westfalen zu einer gewissen Daueranspannung zwischen Pflicht und Neigung führt, steige ich nun definitiv aus“, schreibt Hoof in seinen „Hausnachrichten“ – einer Art Hirtenbrief an Mitarbeiter und Konsumenten. Im Interview drückt er es weniger verschachtelt aus: „Ich habe jetzt anderes vor“, sagt der Münsteraner.
Otto wiederum hat eine Menge mit Manufactum vor. „Wir planen eine rasche Expansion und wollen mit der Marke richtig zulegen“, sagt ein Sprecher. Manufactum soll ins Ausland gehen, und es sollen mehr als nur die sechs Geschäfte in Deutschland eröffnet werden. Bislang ist die Firma noch in Österreich, der Schweiz und Großbritannien aktiv. Im Otto- Konzern wird Manufactum zu einer Tochterfirma des Textilversandhauses Heine, das in der Otto-Welt für anspruchsvolle und hochpreisige Ware steht.
Das Vertrauen in seinen Firmenkäufer scheint bei Hoof groß zu sein. „Ich bin überzeugt davon, dass Otto Manufactum die Schwünge und das Profil lassen will“, sagt der ausgebildete Buchhändler. Die Manager von Otto hätten ein hohes Verständnis für die Besonderheit des Geschäfts. „Die neuen Eigentümer werden die Firma in dem Humus stecken lassen“, gibt sich Hoof gelassen. „Große Veränderungen sind absolut ausgeschlossen. Das wäre eine Dummheit, und für Dummheiten ist der Otto-Konzern zu klug“, lobt er den Großkonzern. Das Management von Manufactum, das Otto beibehalten will, sei selbstbewusst genug, dies auch durchzusetzen. „Mit der Gefahr muss der Konzern leben“, droht der 58-jährige Firmengründer den Hamburger Käufern.
Andererseits sei es nun notwendig, das Wachstum im stationären Einzelhandel zu beschleunigen und neue Märkte zu erschließen. Dafür benötige Manufactum einen finanzstarken Eigentümer.
Welche Risiken Marken-Experten für Manufactum sehen
Das Argument lässt auch Marken-Expertin Christina Schmid-Preissler gelten. „Manufactum braucht jetzt das Kapital einer größeren Firmengruppe“, sagt die Mitarbeiterin im Markenverband. Allerdings gebe es auch Risiken. „Die Positionierung von Manufactum und Otto ist sehr unterschiedlich. Damit das Experiment gelingt, müssen die Marken komplett getrennt bleiben“, sagt Schmid-Preissler. Selbst ein gemeinsamer Vertrieb könnte für Manufactum schon zum Verhängnis werden.
Erste Unterschiede sind schon erkennbar. Die Idee von Otto, Manufactum-Geschäfte auch in Shopping-Centern unterzubringen, stößt bei Hoof auf Widerspruch. „Unsere Lagen haben wir immer durch die Nachbarschaft definiert. Das sollte auch so bleiben“, sagt Hoof. Exklusive Häuser wie das Chilehaus in Hamburg oder den Lorenzistock im Alten Hof in München meint er damit, wo Manufactum-Läden untergebracht sind. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich der Gesellschafter dort einmische. Wenn das nur nicht ein frommer Wunsch ist.
Der Firmengründer vertraut auf die hohe Professionalität des neuen Eigentümers. So könne Manufactum etwa von der Logistik des Konzerns profitieren. Was Manufactum jedoch nicht gebrauchen könne, sei ein Einfluss des Konzerns auf Markenpolitik, Vertrieb oder Marketing. „Unsere Kommunikation ist völlig anders, wir sind viel mehr dem Markt zugewandt. Außerdem beschaffen wir völlig anders. Da werden wir keine Hilfe gebrauchen“, sagt Hoof.
Manufactum-Chef schließt Rationalisierung aus
Rationalisierungen schließt der Firmenchef übrigens aus. Die sind wohl auch nicht notwendig. Manufactum erreicht nach Branchenschätzungen einen Umsatz von rund 100 Mio. Euro und arbeitet hoch profitabel. Die Umsatzrendite dürfte vor Steuern bei bis zu zehn Prozent liegen, was im deutschen Einzelhandel eine Ausnahme ist.
„Ich werde Manufactum mit Interesse, aber ohne große Gefühlsaufwallungen verfolgen“, sagt Hoof. Als Berater bleibe er etwa an der Produktentwicklung beteiligt. Die wiederum denkt sich so schrille Dinge aus wie die Seilzug-Türglocke, die im neuen Katalog angeboten wird. Zum Preis von 248 Euro erinnert sie an den Ton „der eisernen Warnglocken an Bahnübergängen mit Hand betätigter Schranke“, wenn der Besuch vor der Haustür steht.
In Zukunft will sich Hoof um seine Beteiligungen kümmern, dazu gehört der Verlag Manuskriptum oder jene Produktentwicklung für Manufactum. Vor allem aber will er Wald erwerben und sich als Landwirt austoben. „Ich werde Flächen kaufen. Was ich bisher als Hobby gemacht habe, bekommt nun eine unternehmerische Größenordnung“, sagt er. Nachwachsende Rohstoffe sind sein Thema.
Unmittelbar vor ihrem 40sten Geburtstag gibt Hoof nun auch noch rasch der 68-er Generation Ratschläge auf den Weg. „Auch dieser Generation wird die Erfahrung nicht erspart bleiben, irgendwann vom moralisch urteilenden Nachfahren zum moralisch beurteilten Vorfahren zu werden – und als solcher daran gemessen zu werden, wie er die Gegenwart bewältigt und die Zukunft vorbereitet hat“, schreibt er, der einmal Geschäftsführer der westfälischen Grünen war, in den Hausnachrichten.
Seine Fangemeinde stimmt Hoof zum Schluss in den Hausnachrichten noch einmal auf neue Zeiten ein. Manufactum bietet jetzt nämlich auch Computer an. „Die Informationsgesellschaft ist schlicht nicht mehr im Stande, ihren namensgebenden Rohstoff zu organisieren, zu ordnen und zusammenzuhalten“, schreibt Hoof. Er selbst habe „mit Neugier, Erlösungshoffnung und Verzweiflung so ziemlich alle nicht-, halb- und vollelektronischen Methoden der Informationsverwaltung und Selbstorganisation durchprobiert.“ Nun kommt demnächst der Sonderkatalog „Werkzeugladen für Kopfarbeiter“ heraus.
Damit will Manufactum aber nicht zur Randlochkartei oder zum Zettelkasten bekehren, sondern der moderne Versandhändler verspricht „gemischte Systeme“. Vielleicht hat sich Manufactum den Computerbauer Apple zum Vorbild genommen, und Hoof wäre dann – für wenige Monate – der deutsche Steve Jobs. Wer bei Otto diese Rolle übernehmen könnte, ist noch offen.