Trend "Labiaplasty"

Riskante Schönheits-OP an der Vagina

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Birgitta vom Lehn

Foto: akg-images / Erich Lessing / pa

In der plastischen Chirurgie gibt es einen neuen Trend: die Schamlippenkorrektur. Immer mehr Frauen wollen einen angeblich perfekten Intimbereich. Ein Grund für den Boom des Eingriffs ist die vermehrte Darstellung weiblicher Genitalien in den Medien. Doch Ärzte warnen vor den Risiken.

Mediziner warnen Frauen vor ästhetischen Korrekturen im Genitalbereich. Die Verkleinerung der Schamlippen zähle zwar „zu den neuesten Prozeduren bei chirurgischen und anderen kosmetischen Verfahren“, doch niemand wisse, wie sich dieser Eingriff langfristig auf die Psyche der Frau auswirke, betonen die Leipziger Psychologin Ada Borkenhagen und der Berliner Gynäkologe Professor Heribert Kentenich in der Zeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“.

207.000 Einträge für „labiaplasty“ spucke Google in 0,16 Sekunden aus, stellten die Ärzte fest. Das Interesse ist offenbar hoch. Genitalkorrekturen seien in den USA Thema von Fernsehsendungen, in Großbritannien habe sich die „Labienreduktion“ nach Angaben des National Health Service in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt, und auch hierzulande erfreuen sich die Eingriffe „zunehmender Beliebtheit“. Laut einer Hochrechnung ließen sich im Jahr 2005 bereits 1000 Frauen die Schamlippen straffen, von einer hohen Dunkelzifferrate sei aber auszugehen. Rund 785 Euro kostet der Schritt-Eingriff in Deutschland.


Als „Grund für den Boom“ machen die beiden Experten „die vermehrte Darstellung voll- oder teilrasierter weiblicher Genitalien in den Medien“ aus. Zeitgleich habe sich „der weibliche Oralsex als neue Sexualpraxis etabliert und den Trend zur Intimrasur verstärkt“. Hinzu komme, dass in Lifestyle-Magazinen „die inneren Schamlippen mittels Grafikbearbeitung entfernt oder die Models so fotografiert“ werden, „dass diese nicht sichtbar sind“.


Borkenhagen und Kentenich durchforsteten zwei internationale wissenschaftliche Zeitschriftendatenbanken und Fachblätter aus dem deutschen Sprachraum, um Auskunft zu Motiven, Einstellungen und Ergebnissen einer Schamlippenverkleinerung zu bekommen. Ihr Fazit: Alle Studien berichten von guten klinisch-anatomischen Ergebnissen und nur geringen Komplikationsraten. Dies stehe allerdings in auffälligem Gegensatz zu Berichten von Betroffenen aus dem Internet. Auch gynäkologische Gutachter würden von „vielfältigen Komplikationsraten“ wie Wundheilungsstörungen, veränderten Empfindungen und Narbenbildungen berichten.

Die Autoren zweifeln daher an der Aussagekraft der vorliegenden Studien, die aufgrund unterschiedlicher Operationsmethoden auch oft nicht miteinander vergleichbar seien. Zudem wurden die Studien meist nur mit sehr wenig Probanden durchgeführt. Meist handelte es sich dann um die Selbsteinschätzung des behandelnden Arztes, „was den Aussagewert der Studien ebenfalls stark einschränkt“, urteilen die Forscher. Studien zum psychologischen, ästhetischen und funktionellen Nutzen der Schamlippenverkleinerung gebe es bislang nur „vereinzelt“. Als Hauptgründe für den Eingriff rangierten in vielen Studien ästhetische Motive, aber auch Größe, Asymmetrie, Schamgefühle, Einschränkungen bei der Kleiderwahl und beim Geschlechtsverkehr beziehungsweise beim Urinieren sowie bei Sport- und Freizeitaktivitäten.


Die beiden Mediziner kritisieren, dass die Risiken der Eingriffe „in der Regel bagatellisiert“ würden. Die Schamlippenverkleinerung würde viel zu häufig als ein „kleiner Eingriff“ dargestellt. „Komplikationen können aber auch hier schwerwiegende Funktions- und Empfindungseinschränkungen zur Folge haben“, warnen sie. „Zudem liegen keine wissenschaftlichen Daten vor, die nachweisen, dass diese Eingriffe zu anhaltenden psychischen Verbesserungen führen.“

Auch aus einer „gesundheitspolitischen Perspektive“ sei der Trend „kritisch“ zu bewerten: Wenn dadurch „die natürlichen Erscheinungsvarianten“ der weiblichen Genitalien „immer weniger tolerabel“ erschienen, könnte das den Druck auf das Gesundheitssystem erhöhen, auch weitgehend kosmetisch motivierte Genitalkorrekturen zu finanzieren. Das würde „Ressourcen binden, die für andere medizinische Aufgaben fehlen“. Für jeden Eingriff im Genitalbereich müsse deshalb unbedingt eine medizinische Indikation vorliegen. Auch sollte vorher geklärt werden, ob der Patientin mit einer psychologischen Betreuung, die ihr Selbstwertgefühl stützt, nicht besser geholfen wäre.