Selten ist eine Impfung wie nun die gegen Gebärmutterhalskrebs in Deutschland so massiv beworben worden. Selten wurden dabei soviel Wirbel und auch angstvolle Fragen ausgelöst. Zehn Berliner Gesundheitsorganisationen wollen die aufgeheizte Diskussion nun auf den Boden zurückholen.
„Muss ich sterben, weil ich HPV-positiv bin?", lautet eine der Fragen, die Gynäkologen derzeit von jungen Mädchen hören. Andere 16-Jährige glauben: „Ich krieg' nie mehr Krebs, weil ich ja geimpft bin." Besorgte Mütter wollen wissen: „Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich meine Tochter nicht impfen lasse?" Jetzt gibt's Antworten von Ärzten.
Selten ist eine Impfung wie nun die gegen Gebärmutterhalskrebs in Deutschland so massiv beworben worden. Selten wurden dabei soviel Wirbel und auch angstvolle Fragen ausgelöst. Zehn Berliner Gesundheitsorganisationen wollen die aufgeheizte Diskussion nun auf den Boden zurückholen.
Der Impfstoff wirkt gegen bestimmte Warzenviren (Humane Papillomviren, HPV), die in seltenen Fällen Gebärmutterhalskrebs auslösen können. „Wir sagen generell Ja zu der Impfung, aber es ist ein Problem, wie sie von der Pharmaindustrie in den Markt gebracht wird“, sagte der Präsident der Berliner Ärztekammer Günther Jonitz am Mittwoch – und mit ihm neun weitere Gesundheitsorganisationen der Hauptstadt, die sich als „Allianz gegen Fehlinformation und Manipulation“ sehen. Sachliche Aufklärung über den Nutzen für jede Einzelne sei überfällig.
In Berlin soll nun ein dreisprachiges Faltblatt dabei helfen, unabhängige Informationen in Schulen und Beratungszentren zu tragen. Denn bislang stammt das Material dazu fast ausschließlich von den Pharmafirmen. „Deren Vertreter wurden bis auf Bezirksebene vorstellig“, berichtet Sybill Klotz vom Netzwerk Frauengesundheit Tempelhof-Schöneberg. Dabei gerate völlig aus dem Blick, dass es auch andere Arten gebe, sich vor den Warzenviren zu schützen – etwa Kondome -, und dass der Slogan von der „Impfung gegen Krebs“ falsche Erwartungen wecken könne.
Bei allem Sinn, den die Impfung gegen die beiden aggressivsten HPV-Typen macht, ist ihr langfristiger Nutzen nach Ansicht der Unterzeichner der „Berliner Erklärung“ – vom Landesverband der Gynäkologen bis hin zu Pro Familia und der Senatsverwaltung für Wissenschaft – noch nicht genau zu beziffern. „Wahrscheinlich wird die Impfung die Zahl der Todesfälle an Gebärmutterhalskrebs reduzieren, aber nicht alle verhindern“, sagte Uwe Torsten, Präventionsbeauftragter der Berliner Ärztekammer. Endgültig können das jedoch erst Langzeitstudien zeigen, die bislang noch nicht vorliegen – dazu ist die Impfung zu jung.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut ist weiter davon überzeugt, dass die Empfehlung für die Impfung der richtige Schritt ist. Noch am Montag legte der Stiko-Vorsitzende Friedrich Hofmann in einem Interview jungen Frauen die Impfung nahe, „weil sie eine sehr gute Wirkung hat und wenig Nebenwirkungen“.
Eine Übersichtsstudie aller bisherigen Erhebungen, die das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) – eine Einrichtung des Bundesgesundheitsministeriums – jüngst anfertigen ließ, kam zu einem ebenfalls insgesamt positiven Urteil. Allerdings mahnten die Autoren an, dass es noch offene Fragen bei der Dauer des Impfschutzes und seltenen Nebenwirkungen gebe. Weitere Begleitforschung und Impfregister seien für ein abschließendes Urteil wichtig. Und: über den Erfolg der Krebsprävention entscheide nicht zuletzt die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen.
Das betonen auch die Berliner Ärzte. Sie warnen, dass junge Frauen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und auf die regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen beim Frauenarzt verzichten dürfen. „Der Königsweg ist nach wie vor die Vorsorge. Die Impfung setzt nur darauf auf“, betonte Jonitz. Schließlich gebe es auch andere Ursachen für das Zervixkarzinom. Und es gebe auch andere Krebsarten im Genitalbereich.
In Deutschland erkranken etwa 7500 Frauen jährlich an Gebärmutterhalskrebs, 1700 sterben daran. Durch die verbesserten Vorsorgeuntersuchungen ist die Krebsart seit den 70er Jahren von Platz zwei auf Platz elf aller Todesfälle bei Frauen durch Krebs gefallen. „Die Vorstufen sind zu operieren und zu heilen“, sagte Torsten.
Etwa eine von 1000 sexuell aktiven Frauen werde durch die Impfung vor Krebs bewahrt, hieß es. Es hänge deshalb ganz von der Lebenssituation und dem Sicherheitsbedürfnis der Einzelnen ab, ob sie sich impfen lässt. „Wer sein Kind nicht impfen lässt, tut ihm damit nichts Schlimmes an“, betonte Jonitz.
dpa