Wenn man der Werbung Glauben schenkt, ist Abnehmen leicht: Manche Anbieter von Diätprodukten geben sogar eine Erfolgsgarantie. Die Realität sieht jedoch anders aus: In sieben Tagen sieben Kilogramm verlieren: Das geht zwar - aber nach weiteren sieben Tagen sind acht wieder drauf. Doch was hilft auf Dauer wirklich?
Wer würde schon dem eigenen Wagen einen Treibstoff zumuten, der nicht exakt den Anforderungen fürs richtige Auftanken entspricht? Ratschläge, es doch vielleicht mal mit kostengünstigem Salatöl zu versuchen, hätten bei den allermeisten Fahrzeughaltern keinerlei Chancen, überhaupt in Erwägung gezogen zu werden. Wenn es allerdings um den eigenen Körper geht, ist die Bereitschaft, sich von falschen Versprechungen in die Irre führen zu lassen, ungleich größer.
In einer Zeit, wo jeder Dritte übergewichtig ist und allseits zu ranken, schlanken Formen gedrängt wird, macht der Traum vom gesunden und fitten Körper anfällig für in die Irre führende Botschaften.
Noch mehr Übergewicht: So heißt paradoxerweise die allzu häufig daraus resultierende Folge. Seit Langem klagen Fachleute über die Zunahme sogenannter Zivilisationskrankheiten, von Diabetes über Fettstoffwechselstörungen bis zu gefährlichen Gefäßdefekten. Wenn nur die Kilos wieder schwinden würden, brächte das auch die Gesundheit wieder ins Lot. Diese Lektion hat inzwischen wohl jeder gelernt. Nur wie das am besten gelingen könnte, darüber herrscht immer noch ein Dschungel an Meinungen und Empfehlungen.
Schnelle Erfolge versprochen
Da Zeit bei den meisten als Mangelware gilt und die meisten Bedürfnisse in der Konsumgesellschaft sofort befriedigt werden können, locken an jeder Ecke schnelle Diäten: Schlagzeilen preisen auch in diesem Jahr wieder Patentrezepte wie „Mit Ananas fünf Kilo in einer Woche abnehmen“ oder „In 7 Tagen zur Traumfigur“.
Selbst wenn bei solchen Kuren tatsächlich auf Anhieb ein paar Pfunde purzeln sollten, raten Ernährungsforscher dringend von solchen Blitzdiäten ab. Denn sie können langfristig oft sogar dicker als zuvor machen. Der Organismus schaltet nach kurzer Zeit auf – aus seiner Sicht – sinnvolle Stoppmechanismen. Sie wirken der vermeintlichen Hungersnot entgegen. Der Organismus senkt rasch seinen Energiebedarf und passt ihn der neuen Ernährungslage an. Das führt zu der Situation, dass es immer mehr Verzicht an Nahrung brauchte, um tatsächlich abzunehmen.
Da keiner dauerhaft von Ananas leben möchte (und sollte), macht sich bald der viel zitierte Jojo-Effekt bemerkbar. Sobald die Diät beendet wird und wieder Normalkost angesagt ist, schnellt das Gewicht nach oben – und eben nicht selten weit über das einstige Gewicht hinaus. „Bei solch strengen Vorgaben ist der Misserfolg vorprogrammiert“, so der Ernährungswissenschaftler Professor Michael Hamm von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.
Diätetik = "rechte Lebensführung“
Der Buchautor macht auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Diät aufmerksam, das noch aus der Antike stammt: „Unter Diätetik verstand man die Lehre von der gesunden und rechten Lebensführung“, weiß Hamm. Heutzutage sei der Begriff zum Modetrend und stark verkürzt mit Kalorienkontrolle, wenig essen oder gar hungern zwecks Gewichtsreduktion gleichgesetzt.
Eine solche Einstellung kann nicht von Erfolg gekrönt sein, sind sich seriöse Ernährungsexperten längst einig. Einseitige Diäten werden von ihnen als ineffektiv und sogar gefährlich abgelehnt. Im schlimmsten Fall könnten sie sich sogar zu einer Essstörung entwickeln. Je schneller abgenommen werde, desto höher sei zudem der Anteil des kurzfristig verlorenen Wassers am Gewichtsverlust, und desto geringer sei der Fettabbau. Einzige Ausnahme, die eine kurzfristige und krasse Diät rechtfertigt, kann unter Umständen eine bevorstehende Operation sein. In solch einem Fall wird die Gewichtsreduktion mit dem behandelnden Arzt abgesprochen.
Sogenannte Fatburner, wie sie ebenfalls vielerorts zum schnellen Abnehmen angepriesen werden, müssen genauso kritisch betrachtet werden. Als derzeit bekanntestes Mittel gilt L-Carnitin, eine vitaminähnliche Substanz, die im Fleisch, vor allem im Lammfleisch, vorkommt (carnis, lat. Fleisch). In geringerem Maß wird Carnitin auch vom Körper aus den Aminosäuren Methionin und Lysin und Eisen hergestellt.
Obwohl Carnitin im Organismus die Aufgabe hat, langkettige Fettsäuren in die Kraftwerke der Muskelzellen zu transportieren und damit ihren Abbau auf den Weg zu bringen, ist seine Wirkung als Fettverbrenner wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Bislang ist die Studienlage dazu dünn.
Einen Effekt entfaltet eine Carnitinaufnahme allenfalls mit gleichzeitigem körperlichem Training, glaubt Ernährungswissenschaftler Michael Hamm: „Da Carnitin die Durchblutung fördert und die Gefäße erweitert, bekamen die meisten Anwender beim Training mehr Luft, schwitzten schneller, und das Training fiel leichter.
Auf den Prüfstand brachte der Ernährungsfachmann Hamm auch zahlreiche Diäten, von FDH über Trennkost bis hin zur Blutgruppendiät. Gerade auf Letztere schwören seit geraumer Zeit viele, die es gut mit der eigenen Gesundheit meinen. Diese Kost geht davon aus, dass gemäß der Blutgruppe und damit gemäß der individuellen Konstitution unterschiedliche Lebensmittel verzehrt werden sollten. So solle etwa Fleisch bevorzugen, wer die Blutgruppe 0 besitzt.
Mangelhafte Beweislage
Doch auch hier mangelt es an wissenschaftlich anerkannten Studien, die solche Aussagen unterstützen. Eine Zuordnung der Lebensmittel aufgrund der Blutgruppe ist problematisch, sagt Hamm.
Gleiches gilt für die Trennkost, auf die ebenfalls viele Diätwillige setzen. In dieser Diätform ist fast keine Art von Lebensmittel gänzlich verboten. Es wird aber zugrunde gelegt, dass Eiweiß und Kohlenhydrate nicht in einer Mahlzeit gemeinsam verzehrt werden sollten. So werde eine Gewichtsabnahme erreicht. Eine neuere Variante trennt Fette und Kohlenhydrate.
Dass bei manchen dieser Diäten tatsächlich Kilos purzeln, ist aber keine spezifische Trennkostursache. Sie lässt sich wohl vor allem darauf zurückführen, dass nicht mehr alles auf den Teller kommt wie noch während der diätfreien Zeiten. Vielmehr wird insgesamt wesentlich bewusster und sparsamer getafelt.
So gesehen kann eine Diät eine gute Startmotivation sein, sich von einem ungesunden Lebensstil zu verabschieden, um die Richtung zu ändern und wieder zu mehr Balance und Fitness zu gelangen. Dauerhaft glücken kann das allerdings nur, wenn man dem Körper zukommen lässt, was er tatsächlich braucht: „Unbestritten ist, dass die Kombination aus ausgewogener, fettbewusster Ernährung und körperlicher Aktivität, die vermehrt auf Fettverbrennung abzielt, immer noch das beste Erfolgsrezept ist, um übermäßige Fettdepots im Körper abzubauen“, sagt Hamm. Es sei verständlich, dass so mancher auf zusätzliche Diäthilfen setzt, aber sich allein darauf zu verlassen bringe keinen Erfolg – „schon gar nicht den von der Werbung versprochenen“.
Energie-Balance entscheidend
Um in Gang zu bleiben, benötigt der Körper „Brennstoffe“. Sie ermöglichen ein unbeschwertes, bewegtes Leben und erhalten die Organfunktionen aufrecht: die Nährstoffe Fett, Kohlenhydrate, Proteine sowie Vitalstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente. Dazu einige andere Substanzen wie sekundäre Pflanzenstoffe. Im Zusammenspiel sorgen sie für fein koordinierte biochemische Abläufe sowie ein alltags- und freizeittaugliches Energielevel. „Grundvoraussetzung für einen gesunden Stoffwechsel ist zunächst eine lückenlose Versorgung mit allen benötigten Nährstoffen“, betont der Ernährungsexperte.
Wenn es auch unterschiedliche genetische Dispositionen und „Futterverwerter“ gibt, so ist Übergewicht im Großen und Ganzen das Resultat eines falsch abgestimmten Organismus: Der Energiehaushalt ist nicht ausbalanciert, wenn mehr Kalorien aufgenommen als verbrannt werden. Und das über einen längeren Zeitraum. „Den „Dauerdiätern“ ist im ewigen Auf und Ab durch dick und dünn kein Erfolg beschert“, ist Hamm überzeugt.