Gesundheit

Schlafstörungen machen krank und unproduktiv

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Jörg Zittlau

Foto: Patrick Sheandell O'Carroll / picture-alliance / 6PA

Schlafstörungen haben sich zur Volkskrankheit entwickelt: Chronischer Schlafmangel macht dick und krank, vergesslich und unproduktiv. Das kostet den Einzelnen Lebensqualität und die Volkswirtschaft Milliarden an Euro. Morgenpost Online nennt Tipps für einen besseren Schlaf und erklärt, was Schlafpositionen über den Charakter aussagen.

Berichtet ein Mensch von seiner Schlaflosigkeit, kann er mit echtem Mitgefühl rechnen, denn jeder weiß, wie schlimm eine durchwachte Nacht und der Tag danach sein können und wie überlebenswichtig der Schlaf für uns ist.

Dabei gibt es kaum sichere Belege dafür, warum Mensch und Tier schlafen müssen – nur mehr oder weniger plausible Thesen. Nach der Regenerationshypothese ist Schlaf notwendig für Wachstum, die Erholung der Organe sowie für die Regeneration des Immunsystems und des Stoffwechsels.


Die psychische Hypothese besagt, dass Schlaf die Verarbeitung von Erfahrungen sichert, aus dem tagsüber Erlebten Regeln ableitet und das Gedächtnis konsolidiert. Salopp formuliert: Schlaf räumt den Geist auf. Für Lernen und Gedächtnissicherung scheinen jene Phasen verantwortlich zu sein, in denen wir rege träumen (REM-Phasen, Rapid Eye Movement). Bei Kleinkindern dient Schlaf zudem der Gehirnentwicklung.


Eine Möglichkeit, sich der Funktion des Schlafs zu nähern, ist, zu beobachten, was unter Schlafentzug passiert. So leiden ständig wach gehaltene Laborratten vermehrt an Infektionen. Bei Menschen steigt unter chronischem Schlafmangel das Risiko für Übergewicht und Diabetes. Das klingt paradox, weil der Körper ja im Schlaf weniger Kalorien verbrennt. Tatsächlich aber hat jemand, der im Schnitt nur vier bis fünf Stunden schläft, ein um 50 Prozent erhöhtes Übergewichtsrisiko. Wie Stephen Heymsfield von der Columbia University in New York sagt, liegt dies daran, dass Schlafmangel die Appetit- und Sättigungskontrolle im Gehirn beeinträchtigt. Gerade das Gehirn selbst braucht regelmäßigen Schlaf. „Wahrnehmung und Erkenntnisfähigkeit sind das Erste, das beim Schlafmangel verloren geht“, betont Professor William Dement, Schlafforscher an der kalifornischen Stanford University.


Eine Untersuchung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein belegt, dass Menschen mit verkürzten Tiefschlafphasen oft Gedächtnisprobleme haben. Dies stützt die psychische These und könnte erklären, warum wir im Alter das Gelernte weniger gut behalten können. „Die Schlafarchitektur verändert sich erheblich über die Lebensspanne“, erklärt die Studienleiterin Jutta Backhaus. Verbrächten Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren noch 19 Prozent im Tiefschlaf, seien es bei Menschen zwischen 36 und 50 Jahren nur noch drei Prozent.

Schlafentzug hat also beträchtliche Folgen

Professor Jürgen Zulley von der Universität Regensburg schätzt, dass etwa jeder siebte Bundesbürger unter Schlafstörungen leidet. „Sie haben sich zu einer Volkskrankheit entwickelt, die Milliarden kostet“, sagt der Schlafforscher. Denn sie beeinträchtigen Lebens- qualität und Arbeitsleistung, und sie erhöhen Krankheits- und Unfallrisiken. „In einer Befragung von 300 Patienten im Schlaflabor gab etwa die Hälfte an, mindestens einmal im letzten Monat am Steuer eingeschlafen zu sein“, berichtet Professor Winfried Randerath von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Der berüchtigte Sekundenschlaf ist nach einer Studie des Verbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft für jeden vierten tödlichen Autounfall auf Autobahnen verantwortlich.

Die Aufwendungen für die Therapie, Pflege und Rehabilitation von Schlafstörungen belaufen sich auf 700 Millionen Euro pro Jahr. Viele Experten bezweifeln allerdings, ob all das Geld sinnvoll investiert ist. So beklagt das Berliner Robert-Koch-Institut: „Oft fallen Ausgaben für uneffektive, fehlindizierte oder sogar schädliche Behandlung an.“ Wie etwa Schlafmittel für alkoholkranke oder depressive Patienten, bei denen die Schlafstörungen eigentlich nur ein Begleitsymptom darstellen.


Das Fahnden nach den Ursachen für eine Schlafstörung ist allerdings nicht einfach. Die Betroffenen selbst geben meist dem Alltagsstress die Schuld. Doch oft wird sie durch andere Krankheiten ausgelöst wie Herzleiden, Bluthochdruck, Depressionen, Asthma, Rheuma und Gliederzucken oder aber durch Medikamente wie Betablocker, Aufputschmittel und Hormone. Ganz zu schweigen davon, dass viele Schlafstörungen sich von allein erledigen, sobald die Betroffenen weniger Alkohol, Zigaretten und Fernsehen konsumieren.

Bis zu 30 Prozent der Männer schnarchen

Zu den weiteren Hauptursachen von Schlafstörungen gehört das nächtliche „Sägen“. „Etwa 20 bis 30 Prozent der Männer, und immerhin zehn bis 20 Prozent der Frauen schnarchen“, berichtet Professor Karl Hörmann von der Uni-Klinik Mannheim. Meistens rauben sie dabei ihren Bettpartnern eher den Schlaf als sich selbst. Bei etwa zehn Prozent kommt es allerdings zu den Atemaussetzern der Apnoe. Tritt sie mehr als zehnmal pro Stunde auf, gefährdet sie die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Dadurch kann es zum Bluthochdruck kommen und zu einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und für Schlaganfall. Bei anderen Schlafstörungen setzen hingegen Betroffene und Ärzte meist auf pharmazeutische Hilfe. In Deutschland werden pro Jahr über 13 Millionen Packungen Benzodiazepine im Wert von etwa 80 Millionen Euro verkauft. Diese Mittel haben jedoch Suchtpotenzial, und so bekommen jetzt immer mehr Patienten risikoärmere Alternativen verschrieben. Fast jedes zweites Schlafmittel zählt bereits zu den Pflanzenprodukten. Ihre Wirkung ist jedoch schwach oder zweifelhaft.

So beklagen Pharmakologen, dass einige der Phytopillen mit synthetischen Substanzen wie Antihistaminen angereichert seien, die normalerweise bei Allergien angezeigt sind und den Schlaf eher nebenbei fördern. Zudem sind laut Stiftung Warentest in einigen Kombinationspräparaten die Mengen der einzelnen Pflanzenwirkstoffe viel zu gering. Zudem haben einige Heilkräuter wie etwa Passionsblume und Hopfen den Ruf eines Beruhigungsmittels, doch die Wissenschaft konnte dies bislang nicht bestätigen. Demgegenüber liegen zu Baldrian recht viele Daten vor. Eine Studie der Universität Gießen bestätigt sogar, dass die Wirkung der Heilwurzel ähnlich schnell und intensiv eintritt wie bei den Benzodiazepinen – aber mit deutlich geringerem Nebenwirkungsrisiko.

Zehn Tipps für einen besseren Schlaf: