Berlin/Luxemburg –

Arbeitslos, arm – und krank

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Claudia Liebram

Gesundheit ist unterschiedlich verteilt. Wohnort und Krankheiten hängen zusammen

Kranksein ist in Deutschland auch eine Frage des Wohnorts. Innerhalb der Bundesrepublik sind die Unterschiede in der Zahl der Krankenhaustage gravierend. Das Gesundheitsportal „DrEd“ hat Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes und des Statistischen Amts der EU (Eurostat) unter die Lupe genommen. Darin geht es um Diagnosen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus. Das Fazit: Wohlhabende Bundesländer haben tendenziell die gesünderen Einwohner. So ist Baden-Württemberg – laut DrEd das zweitreichste Bundesland – denn auch die gesündeste Region Deutschlands.

25 Jahre nach ihrem Ende ist die deutsche Teilung immer noch zu spüren. So führen alkoholische Leberschäden im Osten Deutschlands zu deutlich mehr Krankenhausaufenthalten als im Westen. Die Gründe dafür sehen Experten in der höheren Arbeitslosigkeit und den sozialen Problemen, die damit einhergehen. „Unsere Patienten hier sind zu 80 Prozent arbeitslos, 60 Prozent langzeitarbeitslos“, sagte Lukas Forschner von der Fachklinik für Suchterkrankungen „Alte Ölmühle“ in Magdeburg dem MDR-Magazin „Exakt“. Dass es im Osten mehr Alkoholkranke als im Westen gibt, hänge zudem mit der DDR-Sozialisierung zusammen: In der DDR gehörte Alkohol häufiger zum Alltag.

In armen Regionen ungesünder

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Bertelsmann Stiftung hatten schon im September 2014 eine Studie zur Gesundheitsversorgung in Deutschland vorgestellt. Demnach sind viele regionale Unterschiede bei den Therapien medizinisch nicht zu begründen. „In manchen Regionen wird acht Mal häufiger operiert als andernorts“, war beim „Faktencheck Gesundheit“ zu lesen. So werde in manchen Städten und Landkreisen acht Mal mehr Einwohner an Mandeln operiert als anderswo. Ähnliche Unterschiede gebe es bei der Entfernung des Blinddarms, der Prostata oder beim Einsetzen eines Defibrillators am Herzen. Auch verschiedene Geschlechts- und Altersstrukturen könnten den Unterschied nicht erklären.

Den letzten Platz in der Statistik belegt Mecklenburg-Vorpommern bei gleich fünf Krankheiten: Diabetes, Asthma, Brustkrebs, alkoholische Leberschäden und psychische Erkrankungen führten dort häufiger als anderswo ins Krankenhaus. Insgesamt war im Durchschnitt fast jeder dritte Einwohner dieses Bundeslandes im Jahr 2011 in der Klinik. „Betrachtet man die Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit dem Einkommen und der Arbeitslosigkeit der Deutschen, gibt es in ärmeren Bundesländern mit höherer Arbeitslosigkeit tendenziell mehr gesundheitliche Probleme“, erklärt DrEd. So sei Mecklenburg-Vorpommern eines der ärmsten Bundesländer und zugleich das mit der zweithöchsten Arbeitslosenquote bei 9,6 Prozent.

Besonders auffällig ist für die Macher des Arztportals in ihrer Studie der Zusammenhang zwischen Einkommen und Diabetes: Mit zunehmendem Einkommen sinkt laut ihrer Erhebung das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Menschen mit höherem Einkommen pflegten oft einen gesünderen Lebensstil, in dem ausreichend Bewegung dazugehört und der andere Risikofaktoren minimiert, so DrEd. Allerdings haben nicht alle „reichen“ Bundesländer automatisch die gesünderen Einwohner: Niedersachsen belegt den zweiten Platz der gesündesten Bundesländer Deutschlands, obwohl das Einkommen dort im mittleren Bereich liegt.

Berlin belegt drittbesten Platz

Berlin, das sich beim Haushaltseinkommen der Bewohner eher im unteren Mittelfeld des deutschen Durchschnitts befindet, belegt sogar den drittbesten Platz. Bayern – wo das höchste Haushaltseinkommen der Deutschen zu finden ist – schneidet beim Gesundheitszustand nur mittelmäßig ab. „Neben dem Einkommen spielen also andere Faktoren wie die sportliche Aktivität oder eine gesunde Ernährung eine wichtige Rolle spielen“, so das Fazit von DrEd.

David Witlif, bei DrEd für den deutschsprachigen Raum zuständig, war von den Ergebnissen der Analysen überrascht. „Wir schauen uns das deutsche Gesundheitssystem immer wieder an, um erkennen zu können, wo wir ergänzend ansetzen können“, so Witlif. „Über diese starken Unterschiede waren wir doch verblüfft.“

DrEd bietet Onlinesprechstunden an – vor allem in Bereichen, in denen der Besuch in einer Arztpraxis dem Patienten unangenehm sein könnte – etwa bei Geschlechtskrankheiten. „Wir sehen uns als Ergänzung zum Arzt vor Ort, nicht als Ersatz“, sagt Witlif.