Physik

Nobelpreis für Universumsende in eisiger Starre

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Norbert Lossau
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Nobelpreis für Astrophysiker

Drei Wissenschaftler teilen sich den Preis 2011 - Durch die Beobachtung ferner Sternenexplosionen entdeckten sie, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt

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Endet das Universum in ferner Zukunft in ewigem Eis? Das legen zumindest die Forschungsarbeiten nahe, für die drei in den USA geborene Wissenschaftler mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet werden.

Vor 14 Milliarden Jahren wurde das Universum im sogenannten Urknall geboren. Das ist die feste Überzeugung der Astrophysiker. Ein zentraler Pfeiler für die Theorie vom Big Bang war die in den 1920er Jahren mithilfe des Mount Wilson Teleskops in Kalifornien gewonnene Erkenntnis, dass sich im Kosmos alle Galaxien von uns entfernen. Dies ließ sich nur damit erklären, dass sich das Weltall ausdehnt. Und am Anfang dieser kosmischen Expansion soll das ganze Universum in einem Punkt vereinigt gewesen sein.

Das Nobelpreiskomitee hat am Dienstagmittag in Stockholm drei Forscher zu den diesjährigen Laureaten für Physik gekürt, weil sie dieses Weltbild um einen weiteren, höchst überraschenden Puzzlestein erweitert haben.

Saul Perlmutter von der University of California in Berkeley sowie das Wissenschaftlerduo Brian P. Schmidt von der Australischen National Universität in Weston Creek und Adam G. Riess von der Johns Hopkins University in Baltimore machten im Jahre 1998 in zwei konkurrierenden Forschungsprojekten die Entdeckung, dass sich das Weltall nicht nur ausdehnt – das war bekannt – sondern dass die Rate der Expansion sogar beständig zunimmt. Das Weltall fliegt also immer schneller auseinander.

Diese Erkenntnis hatte die beteiligten Physiker selber überrascht, hatten sie doch eigentlich mit ihren Untersuchungen messen wollen, mit welcher Rate sich die Expansion des Weltalls verlangsamt. Denn angesichts der zwischen den Galaxien wirkenden Gravitationskräfte, waren die Forscher davon ausgegangen, dass diese die Expansionsbewegung abbremsen würden.

Tatsächlich wurde in den vergangenen Jahrzehnten unter Physikern heftig darüber diskutiert, ob das Universum unter dem Einfluss der Anziehungskräfte irgendwann wieder in sich zusammenstürzen wird. Dann könnte es einen neuen „feurigen“ Urknall geben und alles könnte von neuem beginnen.

Diese Theorie ist unter dem Begriff „pulsierendes Universum“ bekannt geworden. Die Alternative war, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt und gleichsam einen Kältetod stirbt. Allerdings hätte dabei die Ausdehnung immer langsamer werden sollen.

Wenn die drei Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2011 recht behalten, dann lässt sich zumindest der Feuertod des Universums ausschließen. Ihre Messdaten legen nahe, dass der Kosmos auf ewig weiter expandieren wird – und zwar immer schneller.

Dunkle Energie versus Dunkle Materie

Doch wie kann dies sein? Welche Kraft ist dafür verantwortlich, dass die Materie in Universum gar beschleunigt auseinanderfliegt? Dass die Forscher für dieses Mysterium den Begriff Dunkle Energie geprägt haben heißt noch nicht, dass sie der Klärung dieses Rätsels näher gekommen sind.

Es weiß schlichtweg niemand, was die Dunkle Energie eigentlich ist. Diese Frage zu klären gilt derweil als die größte Herausforderung der Physik. Die Nobelpreisträger 2011 haben diese harte Nuss ihren Forscherkollegen hinterlassen.

Die Dunkle Energie ist nicht zu verwechseln mit der Dunklen Materie, die den Forschern ebenfalls viel Kopfzerbrechen bereitet. Die Dunkle Materie ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass Galaxien zusammenhalten und nicht durch ihre Rotation auseinanderfliegen.

Woraus die Dunkle Materie besteht, ist ebenfalls eine offene Frage, doch klar ist immerhin, dass diese unsichtbare Materie Gravitationskräfte spürt und damit grundsätzlich einer Expansion des Alls entgegenwirkt.

Die Erkenntnisse von Perlmutter, Schmidt und Ries zeigen also, dass die Dunkle Energie offenbar über die Dunkle Materie siegt. Abschätzungen zeigen, dass das Universum zu 75 Prozent aus Dunkler Energie und zu 20 Prozent aus Dunkler Materie besteht. Die bislang den Forschern zugängliche, sichtbare Welt macht also nur fünf Prozent des Universums aus.

Ein unheimlicher Gedanke, der jedoch auch zeigt, dass die Physik weit davon entfernt ist, zu einem krönenden Abschluss zu kommen und die Welt im Großen und Ganzen zu erklären. Man kann in diesem Sinne sagen, dass die Erkenntnisse der Physik-Nobelpreisträger mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Doch vielleicht ist dies das grundlegende Schicksal aller Wissenschaft.

Bereits Albert Einstein war bekannt, dass sich das Universum ausdehnt. Diese Tatsache berücksichtigte er in seiner Relativitätstheorie mit der Einführung der sogenannten Kosmologischen Konstante. Einstein selber bezeichnete dies später als seine „größte Eselei“ und zog den Ansatz zurück.

Doch vielleicht hatte Einstein sogar mit dem recht, von dem er selbst annahm, dass er sich geirrt habe. Möglicherweise verbirgt sich in dieser Konstante das, was die Physiker heute als Dunkle Energie bezeichnen.

Licht der Weißen Sterne bringt Erkenntnis

Doch wie sind die drei Laureaten zu ihrer wichtigen Erkenntnis gelangt? Saul Perlmutter initiierte 1988 das „Supernova Cosmology Projekt“ und Brian Schmidt 1994 in Australien das konkurrierende „High-Z Supernova Search Team“.

In beiden Fällen ging es darum, möglichst weit entfernte Supernovae zu beobachten und zu ermitteln, mit welcher Geschwindigkeit sie sich von uns entfernen. Supernovae sind explodierte Sterne, die sich durch eine extrem hohe Helligkeit auszeichnen und daher auch in sehr großer Entfernung noch mit irdischen Teleskopen auszumachen sind.

Die Forscher studierten einen besonderen Supernovatyp, die besonders hell strahlen. Eine einzige sogenannte Ia-Supernova kann so hell leuchten, wie eine ganze Galaxie. Sie stehen am Ende des Lebenszyklus eines bestimmten Sternentyps – den Weißen Zwergen. Dass die Messungen der Forscher nicht bereits vor Jahrzehnten gemacht wurden, erklärt sich damit, dass selbst bei den extrem hellen Ia-Supernovae, die sich in einer Entfernung von rund sechs Milliarden Lichtjahre befinden, die Lichtsignale so schwach sind, dass die notwendige Messtechnik erst in den 1990er Jahren zur Verfügung stand.

Insbesondere war der Einsatz von extrem lichtempfindlichen Sensoren, sogenannten CCDs notwendig, um die Beobachtungen ausführen zu können. Die Ergebnisse der beiden Forscherteams passten wunderbar zueinander, so dass sie jetzt gemeinsam ausgezeichnet werden.

Die Hälfte des mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotierten Nobelpreises geht an Saul Perlmutter, die andere Hälfte teilen sich Brian Schmidt und Adam Riess. Die Verleihung des Nobelpreises findet am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm statt.