Der Spruch „Gegensätze ziehen sich an“ trifft für das Liebesglück sehr selten zu. „Das scheint irgendwann einmal in der Literatur gestanden zu haben. Seitdem geistert das herum“, stellt Karl Grammer, Evolutionsbiologe an der Universität Graz, fest. „Einerseits sucht der Mensch einen ähnlichen Partner, weil ihm das garantiert, dass mehr von den eigenen Genen erhalten bleiben“, sagt Grammer. Auf der anderen Seite sei es aber für die Gesundheit des Kindes und die Fortentwicklung der Art auch wichtig, dass man sein Erbgut mit einem möglichst unterschiedlichen Menschen kreuzt.
Was denn nun? Viele Untersuchungen sprechen jedenfalls eher dafür, dass Paare, die länger zusammenbleiben, sich bereits zu Beginn ihrer Beziehung in vielen Dingen ähneln. Eine gleiche Gesinnung und ein ähnlicher Lebensstil wirken auf die meisten Menschen offensichtlich anziehend.
Paare mit allzu großen Gegensätzen prallen dagegen nach der ersten Verliebtheitsphase im Alltag häufig aufeinander. Im Rausch der Leidenschaft sind wir Menschen schlicht blind gegenüber vielen inneren Werten – oder eben auch Macken des Partners. Leidenschaft wird in erster Linie von der körperlichen Attraktivität bestimmt. Liebe ist wählerischer. Sie ist alles andere als blind. Sie prüft genau. Dafür nimmt sie sich Zeit. Sie will mehr als aufregende Gefühle. Sie will Sicherheit, und das heißt letztlich auch: Ähnlichkeit. Denn je ähnlicher uns der Mensch ist, den wir auswählen, desto leichter fällt es uns, ihn zu verstehen und sein Verhalten vorherzusagen.
Entscheidend sind Übereinstimmungen, die sogenannte Homogamie, propagieren US-Psychologen in der Fachzeitschrift „Proceedings“ der National Academy of Sciences. Das schließen zum Beispiel auch Peter Buston und Stephen Emlen aus einer Befragung von 978 Studenten an der Cornell-Universität im Bundesstaat New York. Dort hatten die beiden Forscher die Teilnehmer nach deren Eigenschaften und denen des Idealpartners befragt. Die Ergebnisse beider Fragebögen stimmten erstaunlich überein. „Offensichtlich suchen wir ein Gegenüber, das möglichst viele Wesensmerkmale und Einstellungen mit uns teilt“, sagt Emlen. Wichtig seien vor allem Familienbewusstsein, Treue und Hingabe. Das Aussehen scheine eine sekundäre Rolle zu spielen – außer für jene Menschen, die sich, wenn sie gefragt werden, selbst als besonders attraktiv einstufen.
Welche Eigenschaften wir uns für unseren Traumpartner wünschen, lässt sich leicht sagen, fanden die Forscher heraus. Man braucht nur zu fragen, wo wir unsere eigenen Stärken sehen. Besonders ehrgeizige Menschen wollten besonders ehrgeizige Partner. Reiche sehnten sich nach Reichen, Schöne suchten Schöne. Denn je ähnlicher sich zwei Menschen sind, desto geringer ist das Konfliktpotenzial, und desto besser sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Liebesbeziehung.
Gleich und gleich gesellt sich gern, und das vor allem auf längere Sicht. Zu diesem Schluss kommt auch die Mannheimer Psychologin Beatrice Rammstedt vom Gesis-Leipniz-Institut für Sozialwissenschaften, die zusammen mit ihrem Berliner Kollegen Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung nahezu 7000 Paare befragte. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die beiden Wissenschaftler jetzt in dem Fachmagazin „Personality and Individual Differences“.
„Wir haben entdeckt, dass Partnerschaften dann funktionieren, wenn in den drei Dimensionen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit eine Ähnlichkeit zwischen den Partnern vorherrscht“, sagt Rammstedt. „Man kann sagen, dass nur die kongruenten Partnerschaften überleben. Ein altruistischer Mensch würde mit einem Egoisten kaum glücklich werden.“ Das Gleiche gelte auch für die Gewissenhaftigkeit. Darunter verstehe man die Wertigkeit der Arbeit, aber auch grundlegende Charaktereigenschaften wie etwa Ordnungssinn, Pünktlichkeit oder Strukturiertheit. Unterschiede darin würden bei Menschen, die auf längere Sicht zusammenleben wollen, zweifellos ein großes Konfliktpotenzial darstellen. „Unter Offenheit für Erfahrungen verstehen wir das Interesse an kulturellen, praktischen, kulturellen Bereichen, aber auch Wertvorstellungen“, sagt die Psychologin weiter. Auch in dieser Persönlichkeitsdimension stelle eine Kongruenz zwischen Partnern eine gute Voraussetzung für eine langlebige Partnerschaft dar, sagt Rammstedt. Weniger ausschlaggebend für die Dauer von Partnerschaften waren dagegen Übereinstimmungen in den Persönlichkeitsmerkmalen „Emotionale Labilität“ (Schüchternheit, Tendenz zu Stimmungsschwankungen und Depression) oder Extrovertiertheit.
Zick Rubin, ein Psychologe der Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts), der zu den Pionieren der Liebesforschung gehört, hat das Schicksal von 231 jungen Paaren in einem Zeitraum von zwei Jahren beobachtet. Am Ende lebten 103 Paare getrennt. Warum? Differenzen hatten sie auseinandergetrieben. Die gescheiterten Partner glichen sich von Anfang an weniger als die, die noch nach Jahren zusammen waren. Vor allem unterschieden sie sich in ihren Wertevorstellungen und ihrer Persönlichkeit. Die glücklichen Paare zeigten dagegen durchweg größere Gemeinsamkeiten. Das ging bis hin zur Neigung, ob man eher romantisch war oder nicht.
Dauerpaare glichen sich häufig bis aufs Haar. Sie ähnelten sich nicht nur hinsichtlich ihrer Intelligenz, ihren Charaktereigenschaften und ihrer körperlichen Attraktivität. Auch was die Interessen und Vorlieben betrifft, ob sie rauchen, ob sie trinken, welche Religion sie haben, ob sie klein oder groß, dick oder dünn sind. Immer wenn Wissenschaftler Paare vergleichen, treffen sie auf die Regel, nach der wir am besten mit Menschen auskommen, die bis in die Einzelheiten unser Spiegelbild sind.
Es scheint sogar kaum ein Gesetz der Partnerschaftspsychologie zu geben, für welches die Beweislage so eindeutig ausfällt, wie der US-Forscher David Buss in einer Zusammenfassung der Befunde festgestellt hat: Liebespaare können offenbar jede noch so kleine Differenz, die es zwischen ihnen gibt, auf Dauer nicht ertragen, von einem einzigen Unterschied abgesehen: dem Geschlecht.