Berlin. Sie spielt seit Jahrzehnten starke Rollen in starken Filmen. Nun erhält Christiane Hörbiger die Goldene Kamera für ihr Lebenswerk.
Die gebürtige Wienerin ist das, was man eine „Künstlerin mit Stil“ nennt, die Grande Dame vom Dienst. Doch Christiane Hörbiger kann sich nicht nur in der Schickeria bewegen, Glanz und Glamour versprühen – sie kann auch ganz anders: Ob als Alkoholabhängige, Obdachlose oder als Demenzkranke – Hörbiger (79) ist mit den vielen Jahren immer mehr zur starken Frau des deutschen Fernsehens gereift. Für die Bandbreite ihres Könnens wird sie heute Abend in Hamburg mit der Goldenen Kamera in der Kategorie „Lebenswerk“ geehrt.
In ihren Rollen als Frauen, die am Rande der Gesellschaft stehen, hat sie gezeigt, dass sie hoch emotionale, zerrissene Charaktere in ihrer ganzen Tiefe darzustellen versteht. Hörbiger schafft etwas, das nur wenigen gelingt: Figuren in der größten Verzweiflung nicht nur Hoffnung , sondern auch Würde zu verleihen. „Christiane Hörbiger ist eine der renommiertesten Schauspielpersönlichkeiten unserer Gegenwart. Auf unnachahmliche Weise vereint sie Wiener Schmäh, internationale Grandezza und höchste Schauspielkunst“, so das Lob der Jury.
Hörbiger erhält Preis schon zum dritten Mal
Die 79-Jährige gehört zu den wenigen Künstlern, die die Goldene Kamera bereits zum dritten Mal erhalten hat: für „Das andere Leben“ (1988) und „Das Erbe der Guldenburgs“ (1987–1990), eine der erfolgreichsten deutschen Fernsehserien. 2001 wurde sie als „Beste Schauspielerin in einer Serie“ geehrt. In über 60 Folgen verkörperte sie die Bezirksrichterin in „Julia – Eine ungewöhnliche Frau“.
„Ich empfinde es als große Ehre, dass ich als Österreicherin in Deutschland diesen großen Preis bekomme“, sagt die Frau, die für viele Zuschauer immer noch die „Gräfin“, also eine feine Dame ist. „Das ist ein solcher Quatsch! Man hat mir diesen Stempel aufgedrückt“, sagt sie gern. Hörbiger hat sich nicht in die Schublade stecken lassen. Mit Mut und einem kühlen Blick für die Realität spielte sie Frauen in prekären Lebenssituationen: eine Alzheimerkranke in „Stiller Abschied“ (2013). Eine obdachlose Witwe in „Auf der Straße“ (2015). Und in dem bewegenden Drama „Die letzte Reise“ (2017) eine Frau, die zum Suizid entschlossen ist.
Probleme des alltäglichen Lebens sind jetzt ihr Thema. Dabei musste sie sich dieses Bodenständige nicht erarbeiten, es war ihre Realität: Auch wenn sie als Tochter der Schauspiellegenden Attila Hörbiger und Paula Wessely in Künstlerkreisen groß geworden ist, hat sie das Leben nicht verwöhnt. Ihren Sohn Sascha Bigler – heute erfolgreicher Filmemacher – musste sie allein großziehen. „Ich kann bis heute alle Frauen verstehen, die über die enorme Belastung klagen. Diese Hetze, dieser Zeitaufwand, um Geld zu verdienen, ich habe größtes Verständnis.“
Im Gespräch mit der Schauspielerin zeigt sich immer wieder ihr Respekt vor Menschen, denen nichts geschenkt wurde. Dass sie auch Spaß versteht, hat sie nach dem „Guldenburg“-Erfolg in der Gesellschaftssatire über die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher „Schtonk!“ mit Götz George gezeigt, die auch für den Oscar nominiert wurde. Richtig zum Lachen aber hat sie immer wieder Peter Weck gebracht, mit dem sie Unterhaltungsfilme wie „Oma wider Willen“ (2014) gedreht hat.
Neue Lebensfreude auch dank ihrer beiden Hunde
Vor zwei Jahren jedoch musste die Schauspielerin einen schweren persönlichen Verlust hinnehmen. Ihr Lebensgefährte, der österreichische Schriftsteller und Theaterintendant Gerhard Tötschinger, starb kurz vor der geplanten Hochzeit im August 2016 mit 70 Jahren unerwartet an einer Lungenembolie. Diese tiefe, verzweifelte Trauer hat sie belastet, ihr aber auch Kraft gegeben, um so eine Rolle wie die in „Die letzte Reise“ zu bewältigen.
Sie vermisst ihren Mann ständig, sagt sie in Interviews. Ohne ihn leben zu müssen, findet sie „wahnsinnig hart“. Aber mit der Zeit wird es ein wenig leichter. Sie lernt gerade intensiv den Text für einen neuen Film, der fünf Tage nach der Goldenen Kamera in Hamburg beginnt. Sie freut sich darüber, dass sie sich so sehr über ihren Beruf definiert, da kann sie die Trauer vergessen. Und hofft auf weitere Engagements. „Solange man noch gesund ist und sich den Text merkt, und es Leute gibt, die weiter mit mir arbeiten wollen, ist das okay“, sagte sie jüngst in einem Interview. „Aber das Publikum kann mich natürlich in Pension schicken.“
Dass es ihr besser geht, hat auch mit ihren beiden Hunden zu tun. Vicco und Loriot, so heißen die beiden Möpse, denen sie auch einen Teil ihrer Fitness verdankt, wie sie sagt: „Ich gehe bei Wind und Wetter dreimal am Tag mit ihnen spazieren, und wir holen jeden Morgen zusammen die Zeitung. Das ist unser Ritual.“