Der Schauspieler Oscar Ortega Sánchez kehrt seiner Wahlheimat Hamburg nach 25 Jahren den Rücken und zieht nach Berlin. Er selbst hat sich bereits gut eingelebt, sorgt sich aber um seine Haustiere.

Am Ende ist es doch Prenzlauer Berg geworden, dabei hatten ihn einige seiner Freunde noch gewarnt. Bevor Oscar Ortega Sánchez im April seine Koffer packt, um nach über 25 Jahren in Hamburg nach Berlin zu ziehen, musste erst einmal die schwere Frage nach dem richtigen Bezirk geklärt werden. Steigende Mieten, Zugezogene und schreiende Kinder am Restaurantnachbartisch kannte der Schauspieler bereits aus seiner alten Heimat im Schanzenviertel. Also doch lieber Charlottenburg?

Immerhin erzählt Sánchez, dass er den Westen der Stadt lieb gewonnen hat, seitdem er jeden Abend in dem Stück „Schlechter Rat“ in der Komödie am Kurfürstendamm auf der Bühne steht. „Früher dachte man ja immer, das Maximum an Spießigkeit ist Charlottenburg. Und jetzt bin ich dort so oft und muss feststellen, dass es mir gefällt“, so der gebürtige Hesse. „Vielleicht bin ich jetzt der Spießer? Aber ich muss mir nicht jedes Wochenende von Freitagabend bis Sonntagnachmittag in einer Bauruine die Nächte um die Ohren schlagen.“ Dass die Möglichkeiten dazu in Prenzlauer Berg mittlerweile begrenzt sind, dürfte dem Neu-Berliner also entgegenkommen.

Sánchez wohnt schon seit Januar in Berlin

Der Entscheidung kam schließlich der Zufall in Gestalt einer Wohnung an der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg zu Hilfe, die ihm durch eine Bekannte seiner Freundin vermittelt wurde. Dort wohnt Sánchez bereits seit Beginn der Proben für „Schlechter Rat“ Anfang Januar in einer möblierten Wohnung und fühlt sich wohl. „Meine Skepsis gegenüber dem Kiez geht nicht so weit, dass ich das nicht ausprobieren würde“, sagt er. „Ich habe mir das jetzt schon seit zwei Monaten angeschaut, und es ist schon beeindruckend, dass es allein in meiner Straße wahrscheinlich 20 Restaurants aus 17 verschiedenen Ländern gibt. Das ist kulinarisch ein Paradies.“

Mehr Sorgen als um seine eigene Eingewöhnung macht sich der Schauspieler deshalb um das Wohl seines Haustieres. Denn nicht nur er und seine Freundin, die Schauspielagentin Uta Hansen, ziehen in Berlin zusammen, sondern auch drei äußerst verschiedene Katzen. „Das macht mir ein bisschen Sorgen“, gibt er zu. „Ich habe eine Straßenkatze aus Istanbul, und die hat natürlich ein anderes Temperament als die beiden verhätschelten Hauskatzen meiner Freundin. Da prallen quasi soziale Schichten aufeinander.“

In Istanbul steht Oscar Ortega Sánchez seit 2008 zwei Mal im Jahr an der Seite von Erol Sander für die Krimireihe „Mordkommission Istanbul“ vor der Kamera. Neben Hamburg ist die Stadt mittlerweile seine zweite große Liebe. 1962 geboren, verbrachte er seine Kindheit in Mannheim – „eine kleine Arbeiterstadt, wo Kunst und Kultur eine untergeordnete Rolle spielen“, wie er sagt. Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen als zweites von fünf Kindern spanischer Eltern sei es ihm lange gar nicht in den Sinn gekommen, dass man als Künstler tatsächlich seinen Lebensunterhalt verdienen kann.

Mit einer Notlüge zur Schauspielschule

„Der Gedanke, dass man Schauspieler werden könnte, lag damals überhaupt nicht in meinem Horizont. Klar habe ich auch Filme gesehen, aber das lag in weiter Ferne“, sagt er heute. „Das war etwas, von dem man dachte, dass man niemals damit in Berührung kommen würde.“ So kam es, dass Oscar Ortega Sánchez zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, bevor er mit Anfang 20 in einem Kasseler Kellertheater zu seiner wahren Bestimmung fand. „Das hat mich so fasziniert, dass ich nach der Vorstellung dageblieben bin, nach dem Regisseur gefragt und ihm gesagt habe, dass ich mitmachen will“, erinnert er sich.

Obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst habe, was ein Vorsprechen ist, war sein Mut von Erfolg gekrönt. Einen Dämpfer erhielt die aufstrebende Karriere erst, als er zwei Jahre später eine Schauspielschule besuchen wollte. „In der Regel war ich denen mit 26 einfach zu alt“, so Sánchez. Nach einem Dutzend erfolgloser Bewerbungen entschied er sich deshalb zu einer Notlüge. „Ich habe vor der Aufnahmeprüfung an der Folkwang Universität der Künste alle meine Unterlagen gefälscht, und die haben mich tatsächlich aufgenommen“, gesteht er.

Als ihn jedoch kurze Zeit später das schlechte Gewissen plagte und er den Schwindel dem Direktor beichtete, war der Traum vorbei. Zum Glück, wie Oscar Ortega Sánchez heute findet. „Ich bin nach Hamburg gezogen, um in einer privaten Schauspielschule anzufangen. Nur wenige Monate nach Beginn der Ausbildung bin ich am Thalia Theater gelandet“, sagt er. „Das betrachte ich bis heute als meine eigentliche Ausbildung.“

Wunsch der Freundin war letztendlich ausschlaggebend

Die nächste Station ist also Berlin. „Ausschlaggebend war der Wunsch meiner Freundin nach Veränderung“, sagt Sánchez. „Eigentlich stellte sich die Frage schon sehr lange. Nach dem Fall der Mauer sind die meisten meiner Freunde und Kollegen nach Berlin gezogen. Wir kamen uns schon manchmal vor wie die Zurückgebliebenen, haben uns aber bisher immer dagegen entschieden, weil Hamburg so schön ist.“

Zumindest, was seine Wurzeln angeht, dürfte der bisherige Wahlhanseate angesichts der vielen Spanier an der Spree kaum etwas vermissen. Mit der Heimat seiner Eltern ist Oscar Ortega Sánchez vor allem durch den Fußball verbunden. „Mein Verein ist Real Madrid“, sagte er. Hertha BSC darf sich also nicht über einen neuen Fan freuen.