Vögel standen bei manchen Bewohnern der jungsteinzeitlichen Levante hoch in der Gunst. Andere waren dagegen bemerkenswert wählerisch.

Wissenschaftler staunen über die besonderen Essgewohnheiten steinzeitlicher Siedler in der heutigen Türkei. Bei Ausgrabungen in Südostanatolien stießen sie auf zahllose Vogelknochen, unter denen zwei Arten für Verwunderung sorgten. So scheuten die Einwohner des Bergheiligtums Göbekli Tepe im heute kurdischen Südosten keine Mühen, um kleine Singvögel zu fangen. Forscher der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sind verblüfft über die Vorliebe der alten Mesopotamier für flatternde Leichtgewichte.

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Reiche Jagdgründe, doch diese Zivilisation hungerte nach Kleinstvögeln

Die jungsteinzeitlichen Bewohner des prähistorischen Zweistromlandes bejagten ein breites Spektrum an Beutetieren von Auerochsen über Hasen bis hin zu Fischen. Die rund 11.000 Jahre alte Grabungsstätte offenbarte darüber hinaus Beweise für den Verzehr von 84 verschiedenen Vogelarten. Diese waren im Herbst und Winter eine wichtige Nahrungsquelle, wenn die Zugvögel ihre Winterquartiere in wärmeren Regionen bezogen. Offenbar hatten die Mesopotamier des frühen Neolithikums einen Geschmack für zarte Singvögel entwickelt. Denn davon fanden sich zahllose Skelette bei der Aushebung der Unesco-Welterbestätte wieder.

Weltkulturerbe Göbekli Tepe: Hauptgrabungsstätte unter dem Schutzdach.
Weltkulturerbe Göbekli Tepe: Hauptgrabungsstätte unter dem Schutzdach. © SNSB-SPM | Dr. Nadja Pöllath

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„Warum am Göbekli Tepe so viele kleine Sperlingsvögel bejagt wurden, wissen wir nicht genau. Aufgrund ihres geringen Lebendgewichts steht der Aufwand eigentlich in keinem guten Verhältnis zum Ertrag“, erklärte Dr. Nadja Pöllath, Kuratorin an der Staatssammlung für Paläoanatomie München. Womöglich waren die alten Mesopotamier so gut mit Nahrungsmitteln im fruchtbaren Südostanatolien versorgt, dass Ammern, Sperlingsvögel und Stare lediglich als wohlschmeckende Ergänzung im Beuteschema dienten. „Vielleicht waren sie einfach eine Delikatesse“, spekuliert Pöllath in der Pressemitteilung der LMU. Laut einer anderen Theorie hatten die Kleinstvögel „eine Bedeutung, die wir aus den Knochenresten noch nicht ablesen können“.

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Die Anwohner einer anderen jungsteinzeitlichen Zivilisation in der Region hielten es dagegen ganz anders mit dem Geflügelverzehr. In Gusir Höyük, noch weiter im Südosten der heutigen Türkei gelegen, beschieden sich die Essgewohnheiten auf nur zwei Vögel. Neben den lokaltypischen Beutetieren verschmähten sie außer dem Rebhuhn und dem Chukar-Steinhuhn ein artenreiches Spektrum essbarer Vögel. Ihr Lebensraum und ihre Jagdgebiete am Gusir-See enthielten zwar weitläufige Uferbereiche und Flussauen, offenbar entschieden sich die Bewohner dennoch aktiv gegen die Bejagung der meisten Vogelarten.

Joris Peters, Professor der Paläoanatomie in München, konstatiert: „Gusir Höyük ist die einzige uns bekannte jungsteinzeitliche Gemeinschaft in Obermesopotamien, die bei der Vogeljagd – obwohl vorhanden – bewusst Feuchtgebiete und Flusslandschaften mieden.“ Er ist der Meinung, dass kulturelle Eigenheiten der Siedlung Grund für die Inexistenz artenreicherer Skelettfunde sein müssen. In der Veröffentlichung weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass in zahlreichen Zivilisationen über verschiedene Regionen und Epochen hinweg die jeweiligen Kulturen intensive Beziehungen zu Vögeln pflegten.