Berlin. Impfen polarisiert. Eine aktuelle Studie der Universität Hamburg ergab, dass sich nur 61 Prozent der Deutschen gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, wenn es einen entsprechenden Impfstoff gibt. Ums Impfen kursieren hartnäckige Mythen und Verschwörungstheorien.
Viele Theorien lassen sich widerlegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat sich zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut Einwände gegen das Impfen genauer angeschaut – und erklärt, was an ihnen dran ist. Fünf Aussagen über das Impfen im Faktencheck.
1. Man kann trotz Impfung krank werden
Stimmt. Laut RKI können sich geimpfte Personen trotz Impfung anstecken. Allerdings können Impfungen die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung deutlich senken. Das RKI gibt ein Beispiel: In einer Grundschule tritt eine Masernepidemie auf. Die eine Hälfte der Schüler ist geimpft – die andere nicht. Statistisch gesehen würden unter den nicht geimpften Schülern 97 bis 98 Prozent erkranken. Bei den geimpften Schülern wären es nur zwei bis drei Prozent.
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Anders sieht es bei der Grippeimpfung aus. Laut RKI schützt sie etwa 40 bis 75 Prozent der Geimpften – bei alten Menschen wirkt sie in der Regel am schlechtesten. Die Grippeimpfung braucht außerdem eine regelmäßige Auffrischung. Andernfalls wäre ihr Schutz weniger effektiv.
Darüber hinaus, so das RKI, gebe es Impfungen, die lediglich einen schweren Krankheitsverlauf verhindern. Das sei bei der BCG-Impfung gegen Tuberkulose der Fall. In Deutschland ist die Impfung bis Ende der neunziger Jahre standardmäßig bei Säuglingen durchgeführt worden. Die Impfung schützt die Kinder zwar nicht vor einer Infektion, aber vor gefährlichen Komplikationen mit Befall des ganzen Körpers.
2. Impfstoffe enthalten gefährliche Stoffe wie Quecksilber
Stimmt zum Teil. Laut Robert Koch-Institut sind tatsächlich in einigen Impfstoffen Stoffe wie Aluminium und Quecksilber enthalten – allerdings in sehr geringen Mengen. Die Substanzen helfen zum Beispiel dabei, Impfviren zu töten und den Impfstoff haltbar zu machen.
In den USA verbreitete sich vor einigen Jahren die These, das Quecksilber in manchen Impfstoffen würde für einen Anstieg von Autismusfällen sorgen. Verschiedene Institutionen, unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO), haben unabhängig voneinander erklärt, dass bisherige Studien gegen einen Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus sprechen.
Die Angst vor giftigen Stoffen löst dennoch regelmäßig Debatten aus. Pharmahersteller haben deshalb reagiert: Für alle empfohlenen Impfungen sind inzwischen Impfstoffe ohne Quecksilber verfügbar.
3. Mit Impfungen will die Pharmaindustrie nur Geld verdienen
Stimmt zum Teil. Private Unternehmen haben grundsätzlich ein Interesse daran, mit ihren Produkten Geld zu verdienen. Das gilt auch für die Pharmaindustrie. Allerdings ist die Herstellung von Arzneimitteln im Schnitt lukrativer als die von Impfstoffen.
Ein Beispiel: 2014 gab die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 194 Milliarden Euro aus. 33 Milliarden (17 Prozent) fielen dabei auf Medikamente, nur etwas mehr als 1 Milliarde (Weniger als 1 Prozent) auf Impfstoffe.
Medikamente müssen im Vergleich zu Impfstoffen oft eine Leben lang eingenommen werden. Das Geschäft mit Impfstoffen ist aus Sicht der Pharmaindustrie also weniger attraktiv. Hinzu kommt, dass die Herstellung von Impfstoffen weitaus teurer ist als von Arzneimitteln
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4. Impfungen verursachen Krankheiten, gegen die sie schützen sollen
Stimmt nicht. Tatsächliche gibt es im Vergleich nur wenige Impfstoffe, die abgeschwächte, noch lebende Erreger enthalten. Zwar könnten Impfstoffe laut RKI noch krankheitsähnliche Symptome hervorrufen, eine vollständige Erkrankung entwickele sich aber praktisch nie.
Ein prominentes Beispiel sind die Impfmasern. Der Impfstoff gegen die Erkrankung enthält zwar ein abgeschwächtes, aber durchaus vermehrungsfähiges Masernvirus. Bei rund fünf Prozent der Geimpften treten nach etwa einer Woche Symptome wie Hautausschlag und Fieber auf. Eine voll ausgeprägte Masernerkrankung tritt, so der Stand der Forschung, hingegen nicht auf.
Auch die gefürchtete Hirnhautentzündung als Folge einer Impfung ist laut RKI eine Ausnahme. Zwar treten unabhängig von der Art eines Impfstoffes als Folge mitunter Fieber, Übelkeit, Schwellungen und und Rötungen auf – dabei handele es sich aber um wünschenswerte Reaktionen. Sie zeigen, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert. Laut RKI sei das ein Zeichen für eine zukünftig gute Immunität gegen die Erkrankung.
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5. Eine Erkrankung ist wichtig für die Entwicklung von Kindern
Stimmt nicht. Gelegentlich berichten Eltern, ihr Kind habe durch eine Infektionskrankheit einen Entwicklungssprung gemacht. Laut RKI schlussfolgern viele daraus: Eine Infektionskrankheit ist wichtig für die normale Entwicklung von Kindern, Impfungen verzögern sie hingegen.
Das RKI erklärt: Bisher konnten wissenschaftliche Studien nicht belegen, dass sich nicht geimpfte Kinder besser entwickeln als geimpfte. Ein Zusammenhang wäre nicht plausibel. Denn die Schutzimpfungen richten sich gegen rund ein Dutzend besonders häufig auftretende oder gefährliche Erreger.

Aber: Mit hunderten weiteren Erregern müsse sich das Immunsystem jeden Tag auseinandersetzen. Eine Impfung trainiere dabei das Immunsystem. Es wäre daher überraschend, wenn geimpfte Kinder dauerhaft weniger Abwehrkräfte hätten.
Das RKI erklärt weiter, dass Kinder entgegen der Annahme vieler Skeptiker bei Infektionen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden. Die Folgen könnten gesundheitliche Schäden bis hin zu Todesfällen sein. Ein Beispiel: Keuchhusten und Mumps können vor allem im Säuglingsalter Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Babys entwickeln als Folge einer Keuchhustenerkrankung häufig eine Lungenentzündung. Nicht selten kommt es auch zum Atemstillstand. Genau diese Folgen ließen sich aber durch Impfungen vermeiden. (dmt)
Eine vollständige Auflistung des Robert Koch-Instituts zu den Einwänden gegen das Impfen gibt es hier.
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