Berlin. Mit einem „Wetten, dass...?“-Abklatsch wagte sich Thomas Gottschalk mal wieder ins Fernsehstudio. Die Sendung war besser als die Quote.
Die 90er, schreckliche Modesünden, Nebelmaschinen, die Spice Girls, 20 Millionen Zuschauer und Thomas Gottschalk, der alles wegmoderiert. Dem treuen „Wetten, dass...?“-Anhänger wird Thomas Gottschalk in den letzten Fernsehjahren gefehlt haben. Nach dem Ende der „Wetten, dass...?“-Gottschalk-Ära stand es TV-technisch schlecht um den 66-Jährigen. „Gottschalk live“ in der ARD (hat das überhaupt jemand gesehen?) – abgesetzt. „Back to School“ bei RTL – was war das denn? „Die 2“ mit Günther Jauch – na ja.
Jetzt der nächste Versuch. Ein mutiger Versuch. Thomas Gottschalk wagt sich mit seiner neuen Show „Mensch Gottschalk“ in die TV-Todeszone: Sonntag, 20.15 Uhr, das Motto „Was bewegt Deutschland?“, 15 Themen, vier Stunden lang, als Konkurrenz zu Quotenbringern wie dem „Tatort“ – uff. Und der ARD-Krimi lag auch um Längen vorne: 8,10 Millionen Zuschauer (25,0 Prozent Marktanteil) holte der Tatort, Gottschalk kam nur auf 2,09 Millionen Zuschauer (7,9 Prozent). Der Altmeister landete damit auch noch hinter ZDF, ProSieben, Sat.1 und Vox.
Plausch, Musik und Einspielfilmchen
Es zeigte sich schnell, „Mensch Gottschalk“ ist eine Neuauflage von „Wetten, dass...?“ – denn das ist es eben, was Gottschalk am besten kann. Es gab Plausch, Musik und Einspielfilmchen, die an „Hart aber fair“ erinnerten. Das ging dann lang. Zu lang. Respekt an alle mit Sitzfleisch. RTL kann die Sendung dann Ende Dezember noch einmal ausstrahlen – als Jahresrückblick.
Die Themen: Es war ein Griff in die große Themen-Wundertüte: Von der Terrorangst vor der EM zur Flüchtlings- und Europakrise zu Krebs zu den Unwettern zu Veganern zu Donald Trump – huch, Überblick verloren. Es wurde über wirklich alles gesprochen. ALLES! Meist aber nur sehr oberflächlich. Vielleicht sollte man sich beim nächsten Mal auf mindestens fünf Themen weniger einigen.
Schwermütiges Wiedersehen mit Samuel Koch
Wer da war: Viele. Unter anderem Matthias Opdenhövel, Martin Schulz, Dieter Zetsche, Niki Lauda, die „Let’s Dance“-Gewinner, ein Großcousin von Donald Trump (der seinen Verwandten gar nicht persönlich kennt), Nena, Mark Forster.
Und Samuel Koch samt Verlobter Sarah Elena Timpe. Mit Koch sprach Gottschalk über die Zeit nach dem Unfall bei „Wetten, dass...?“. „Wir beide sind für immer verbunden“, sagte Gottschalk schwermütig. So verlief auch das Gespräch.
Überflüssigster Gast: Warum „Wer wird Millionär“-Gewinner Leon Windscheid Deutschland bewegen soll, erschloss sich mal überhaupt nicht. Das war dann einfach nur Werbung für die hauseigene Sendung.
Das beste Comeback: Gottschalks Modegeschmack
Wichtigster Gast: Das war kein Promi, sondern Marisol Bohlig. Die junge Frau ist an Leukämie erkrankt. Sehr selbstbewusst und stark machte sie auf das Leben mit der Krankheit aufmerksam. Emotional wurde es, als Michael Mronz, der Ehemann des an Leukämie verstorbenen ehemaligen Außenministers Guido Westerwelle, zur Registrierung als Knochenmarkspender aufrief. Das geht übrigens hier und tut gar nicht weh: dkms.de
Bestes Comeback: Das hatte Thomas Gottschalks Modegeschmack. Leoparden-Schuhe und ein Sakko mit Leo-Innenmuster. Toll. Hallo 90er.
Und plötzlich wird die K-Frage gestellt
Der Markus-Lanz-Moment: Das muss sich Gottschalk von seinem Nachfolger abgeguckt haben – der bewährte Markus-Lanz-Knallhart-nachgefragt-Moment. Wenn die Gäste gar nicht mehr damit rechnen, wird die K-Frage gestellt. Im Gespräch mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) versuchte es dann also Gottschalk: „Wie sieht’s mit der Kanzlerschaft aus?“ Schulz Antwort: „Wenn Sie dann den Präsident machen, Herr Gauckschalk.“
Der „Wetten, dass...?“-Moment: Davon gab es viele. „Mensch Gottschalk“ könnte auch „Wetten, dass...? Reloaded“ heißen. Es gab die gute alte Saalwette (gesucht wurden Hunde, die Kunststücke zeigen). Es gab Kalauer und Schenkelklopfer. Und Musik-Acts aus der guten alten Zeit (Pet Shop Boys und Nena). Nur gnadenlos überzogen wurde die Sendung nicht. Nach vier Stunden Sendezeit wäre das auch unzumutbar gewesen.
Gottschalk spoilert den gleichzeitig laufenden Tatort
Potenzieller Shitstorm: Direkt zu Anfang der Show verriet Thomas Gottschalk die mutmaßliche „Tatort“-Mörderin. „Es ist Paula!“ Ah, Spoiler-Alarm.
Fremdschäm-Moment: Ein Werbemarathon für Mercedes hatte seinen Höhepunkt mit Thomas Gottschalk und Dieter „Didi“ Zetsche in einer dicken Mercedes-Karosse laut grölend zu „Highway To Hell“. „Didi“ schien vom Beifahrer Gottschalk nicht sehr angetan.