Song-Contest

Mönche, Metal, Manga-Mädchen – So lief der ESC-Vorentscheid

| Lesedauer: 5 Minuten
Bastian Angenendt und Jana Hannemann
Jamie-Lee Kriewitz wird Deutschland beim ESC vertreten.

Jamie-Lee Kriewitz wird Deutschland beim ESC vertreten.

Foto: Mathis Wienand / Getty Images

Jamie-Lee Kriewitz fährt für Deutschland zum ESC 2016. Die „Voice of Germany“-Siegerin war aber nicht das einzige Highlight des Abends.

Köln.  Die ARD hat es doch noch unfallfrei geschafft, einen deutschen Kandidaten für das Finale des Eurovsion Song Contests 2016 in Stockholm zu finden. Die „The Voice of Germany“-Siegerin Jamie-Lee Kriewitz holte sich mit ihrem Song „Ghost“ am Donnerstagabend den Sieg vor Friedenslied-Dichter Alex Diehl („Nur ein Lied“) und der Metal-Kombo Avantasia („Mystery of a Blood Red Rose“). Dass eine allenfalls mittelmäßig unterhaltsame Sendung mit vielen mittelmäßigen Liedern zu dieser Entscheidung führte – man muss es in diesem Jahr wohl einfach so stehen lassen. Schließlich drohte das ESC-Vorgeplänkel nach dem Hin und Her mit Xavier Naidoo schon zum Fiasko zu werden.

Unterm Strich: Deutschland schickt ein gutes Lied und eine gute Stimme ins Rennen. Und anderes (unfreiwillig) Unterhaltsames gab es beim Vorentscheid auch. Und natürlich Barbara Schöneberger.

Die Highlights von „Unser Lied für Stockholm“

Die Siegerin: Nun ja, eigentlich war es ja keine Überraschung. Das Manga-Mädchen Jamie-Lee, mit der Unterstützung von Smudo angereist, hatte ja auch schon durch „The Voice of Germany“ ihre TV-Fangemeinde erheblich vergrößert. Und natürlich gewinnt man bei der ProSieben/Sat.1-Show auch nicht, wenn man nicht singen kann. Das sind zwei Sachen, die vielen ihrer Konkurrenten am Donnerstag fehlten. Ein gutes Lied, eine gute Stimme – unwahrscheinlich, dass dabei noch mal so eine Nullpunktenummer herauskommt wie im letzten Jahr bei Ann-Sophie. Und die Siegchancen? Naja, dafür müsste man vielleicht fix noch ein paar Manga-affine asiatische Länder am ESC teilnehmen lassen.

Der Sieger der Herzen: Ganz klar Alex Diehl, der Friedenssänger, die Nicole im Handwerker-Look. Er hatte sein “Nur ein Lied” unter den Eindrücken der Flüchtlings-Terror-Fremdenfeindlichkeits-Krise dieser Tage gedichtet. Ein sympathischer Kerl mit einem schönen Text. „Dieses Lied hat eine Botschaft“, hieß es oft in den sozialen Medien. Bei Gesangswettbewerben ist die Botschaft alleine dann aber doch nicht genug. Vor allem nicht, wenn sie von einer holprigen Stimme verkündet wird. Das Schöne daran: Alex Diehl scheint auch so ganz glücklich gewesen zu sein.

Die Metamorphose des Abends: Meat Loaf und Bon Jovi holten sich mit irgendwas zwischen Glamour-Rock und Metal den dritten Platz. Zumindest war das der akustische Eindruck, den Avantasia hinterließen. Wenn man dann doch mal die Augen auf den Bildschirm gerichtet hatte, erkannte man: kein Meat Loaf, kein Bon Jovi. Und die Erkenntnis war: Mit Metal (oder so etwas ähnlichem) hat man beim ESC-Publikum wohl doch keine ganz großen Chancen. Es sei denn, man macht’s wie Lordi und tritt in Maskerade auf. Vielleicht als Meat Loaf. Lassen wir das.

Der Hingucker des Abends: Die meiste Haut zeigte Helene Fischer, ähm, Ella Endlich. Die Schlagersängerin hatte einen ziemlich knappen Rock an, bot mit „Adrenalin“ aber einen ziemlich abgedroschenen Partyschlager-Sound. Oder genauer: Sie klang wie alles von Helene Fischer. Immerhin musste sie kein zweites Mal auf die Bühne und entging somit der Gefahr einer Blasenentzündung. Apropos Gefahr: Auch um die Sängerin von Keoma, die in einem eleganten, goldenen Kleid auftrat, wurde sich Sorgen gemacht. So schrieb ein Twitterer: „Hoffentlich hat sie sich ne neue Rettungsdecke ins Auto gelegt.“ Und auch bei Gregorian konnte man nicht weggucken: ein Sextett aus Mönchen (ja, Mönche) in glitzernden Kutten, die Choräle singen, während drumherum alles aufleuchtet mit Feuer und Laser. Das Gucken war allerdings interessanter als das Hören.

Das Comeback des Abends: Da war er wieder: Ralph Siegel! Nach langer Pause schickte der Liedermacher die 19-jährige Laura Pinski mit seinem Song „Under the sun we are one” ins Rennen. Zwölf Jahre hatte Siegel an keinem ESC-Vorentscheid mehr mitgewirkt. Das Problem am Donnerstag: Sein Song klang wie einer von vor zwölf Jahren. So konzentrierte sich die Aufmerksamkeit vor allem auf das bodenlange Kleid von Laura Pinski, das dann auch noch die Farben wechselte. Immerhin: Siegel durfte noch mal ans Mikro von Barbara Schöneberger. „Ich bin froh, wieder hier zu sein“, sagte er beinahe zu Tränen gerührt. Dabei sein ist eben manchmal doch alles.

Und Barbara Schöneberger? Auf Twitter wurde schon nach wenigen Minuten der Sendung gefordert, man solle doch die Moderatorin nach Stockholm schicken. Schöneberger eröffnete die Show als Sängerin – gekonnt. In ihrem Medley ging es vor allem um das Nominierungs-Hickhack, das ein Jahr zuvor bei der Siegerehrung von Andreas Kümmert losgegangen war und über die Posse um Xavier Naidoo in die Show vom Donnerstag mündete. Freilich: Aus so einer Show holt auch Barabara Schöneberger nicht viel raus, aber es war wieder einmal nett mit ihr. Und sie hatte einen erneuten Eklat abgewendet, indem sie nach eigenen Angaben mit den Kandidaten den Satz übte „Ich nehme die Wahl an“. Und dass das geklappt hat, das war doch das Wichtigste am Donnerstagabend.

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