Unwetterbilanz

In New York und in New Jersey liegen die Nerven blank

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Foto: BRENDAN MCDERMID / REUTERS

Nach dem Wirbelsturm „Sandy“ sind noch immer Millionen Haushalte ohne Strom, das Rote Kreuz kocht im Akkord für Hilfsbedürftige.

Nach dem Wirbelsturm „Sandy“ ist die Zahl der Todesopfer an der US-Ostküste auf bislang 98 gestiegen, unter ihnen auch ein zwei- und ein vierjähriger Junge, die ihrer Mutter auf Staten Island durch das Flutwasser aus den Armen gerissen worden waren. Allein in New York starben nach Angaben von Bürgermeister Michael Bloomberg mindestens 40 Menschen, mit weiteren Opfern sei zu rechnen. Die US-Küstenwache stellte nach mehr als drei Tagen auch die Suche nach dem Kapitän der während des Hurrikans „Sandy“ gesunkenen „Bounty“ ein. 14 Besatzungsmitglieder konnten zwar gerettet werden, eine Frau aber, die bewusstlos aus dem Wasser gezogen wurde, starb wenig später im Krankenhaus.

Polizisten und Feuerwehrleute seien noch immer dabei, in den besonders betroffenen Gebieten von Haus zu Haus und von Tür zu Tür zu gehen, um nach Hilfsbedürftigen oder möglichen Opfern zu suchen, sagte Bloomberg. Der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, berichtete, rund eine Million Mahlzeiten sollten in der Stadt verteilt werden. Das Rote Kreuz stellte zwölf Feldküchen bereit, die 200.000 warme Mahlzeiten pro Tag servieren können.

Das US Transportation Command, das normalerweise für Truppentransporte und die Versorgung von Kampftruppen zuständig ist, schickte 55 Lastwagen mit 1,5 Millionen Mahlzeiten nach New York. 1,3 Millionen zusätzliche Rationen stünden für den Bedarfsfall bereit, hieß es.

1000 Menschen warten auf den Bus

Tage nach Supersturm „Sandy“ liegen bei vielen New Yorkern die Nerven blank. An den Brücken nach Manhattan bildeten sich kilometerlange Staus, an Haltestellen warteten riesige Menschenmengen ungeduldig auf Busse in die Innenstadt, und an Tankstellen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen um das vielerorts knappe Benzin. An einer Tankstelle in Coney Island warteten zeitweise mehr als 100 Wagen auf eine Tankfüllung, und vor einer Arena in Brooklyn standen teilweise bis zu 1000 Menschen und warteten auf einen Bus.

Das UN-Hauptquartier in New York öffnete am Donnerstag erstmals nach drei Tagen wieder seine Pforten. An dem Gebäude gebe es „noch nie da gewesene Schäden“, erklärte ein UN-Vertreter. So habe der Sturm ein Feuer und eine schwere Überschwemmung der Kellerräume ausgelöst. Die Wassermassen hatten auch dafür gesorgt, dass der U-Bahn-Verkehr ausgesetzt werden musste.

Subway im Süden Manhattans weiterhin dicht

Die Subway rollte zwar am Donnerstag nach dreitägiger Schließung im Großteil der Stadt wieder an, allerdings nicht in den Süden Manhattans und nach Brooklyn, wo die Tunnel überflutet waren. Mehr als 4,1 Millionen Häuser und Büros waren auch am Donnerstag immer noch ohne Strom, darunter 650.000 allein in New York. Der Stromversorger ConEd versprach, bis Samstag wieder die meisten New Yorker ans Netz zu bringen.

Ob mit oder ohne Strom – der New-York-Marathon soll wie geplant am Sonntag stattfinden. Einige Bürger äußerten Unmut über die Pläne, trotz „Sandy“ am Lauf durch die Stadt festzuhalten. Der Stadtverordnete James Odman zeigte sich besorgt, dass Helfer für den Marathon abgezogen werden könnten. Bürgermeister Michael Bloomberg verwies darauf, dass die Laufveranstaltung zahlreiche Besucher anziehe, die nach Schätzungen der Veranstalter rund 340 Millionen Dollar in der Stadt ließen.

Bloombergs plötzliche Wahlkampfhilfe für Obama

Trotz der Widrigkeiten steht in den USA in wenigen Tagen die Präsidentschaftswahl an. Und für diese hat Staatschef Barack Obama unerwartete Wahlkampfhilfe erhalten: Der parteilose New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, früher Mitglied der Republikaner, empfahl den Demokraten am Donnerstag zur Wahl. Bloomberg begründete seine Empfehlung vor allem mit Obamas Einsatz gegen den Klimawandel. Die Zerstörungen durch den Wirbelsturm „Sandy“ an der US-Ostküste hätten die Bedeutung der Wahl verdeutlicht. „Wir brauchen Führungsstärke im Weißen Haus“, sagte Bloomberg.

Am Freitag widmete sich auch Obama wieder dem Wahlkampf – seine erste Station nach der „Sandy“-Krise führte ihn nach Las Vegas im Bundesstaat Nevada. Der Staat im Westen der USA gehört zu den wahlentscheidenden Swing States, in denen im Wahlkampf traditionellerweise besonders hartnäckig um die Gunst der Wechselwähler gekämpft wird.

( BM )